CSU und Flüchtlinge:Drohgebärden und Millionen

Flüchtlinge an der österreichisch-deutschen Grenze

Flüchtlinge aus Syrien ziehen im österreichischen Julbach zu Fuß in Richtung deutsche Grenze.

(Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Bayerns Ministerpräsident Seehofer droht der Kanzlerin mit einer Verfassungsklage - vermeidet aber konkrete Maßnahmen zur Abschottung gegen Flüchtlinge.
  • Das Kabinett beschloss auch ein mehrjähriges Sonderprogramm, um die Flüchtlinge besser zu integrieren.
  • Unter anderem sollen 1700 Stellen für neue Lehrkräfte geschaffen werden.
  • Außerdem seien pro Jahr bis zu 7000 neue staatliche Wohnungen geplant, bis 2019 insgesamt 28 000.

Von Daniela Kuhr und Wolfgang Wittl

Für das, was jetzt am Ende tatsächlich dabei rauskam, hat der bayerische Löwe in den vergangenen Tagen aber ganz schön laut gebrüllt. Nein, Bayern wird nun doch nicht ab sofort Flüchtlinge gleich an der österreichischen Grenze zurückweisen. Der Freistaat wird sie auch nicht einfach in Züge setzen und in andere Bundesländer weiterleiten. Mit beiden Maßnahmen hatte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in den vergangenen Tagen gedroht. Von "Notwehr" hatte er gesprochen, die Bayern ausüben wolle.

Womit die CSU droht

Noch am Freitag, nach einer Sondersitzung des Kabinetts, stellte Seehofer klar: So weit werde es nur kommen, wenn Bund und EU nicht sofort dafür sorgten, dass in Europa die Regeln der Dublin-Verordnung wieder in Kraft gesetzt werden. Zudem müsse die Bundesregierung international "ein klares Signal senden, dass Deutschland die Belastungsgrenze erreicht hat", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Die Außengrenzen der EU müssten effektiv geschützt werden. Nur wenn all diese Maßnahmen nicht umgehend ergriffen würden, und wirklich nur in diesem Fall, seien "Notmaßnahmen" erforderlich. "Dann muss die Bundesrepublik davon Gebrauch machen, Flüchtlinge unmittelbar an der Grenze zurückzuweisen", sagte Herrmann.

Werde der Bund nicht tätig, "behält der Freistaat sich vor, eigene Maßnahmen zu ergreifen". Welche das sind, bleibt zunächst offen. Damit aber jeder sieht, dass die Staatsregierung es ernst meint, kündigten Seehofer und Herrmann an: Sollte der Bund nicht schnell handeln, "behält Bayern sich vor, den Weg zum Bundesverfassungsgericht zu beschreiten". Begründung: "Der eine hält das Recht nicht ein, und der andere will, dass es eingehalten wird." Es wäre eine neue Stufe der Eskalation im Streit zwischen Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Auf eine Debatte über sein angespanntes Verhältnis zur Bundeskanzlerin wollte Seehofer sich nicht einlassen. Nein, sagte er, das Fernsehinterview mit Merkel am Mittwochabend habe er nicht gesehen. Nicht aus mangelndem Interesse, sondern weil er seine "Freizeit nicht mit Fernsehen verbringe". Er arbeite "vernünftig" mit Merkel zusammen. Aber: "Kapitulation zählt nicht zum Instrumentenkasten der bayerischen Staatsregierung."

Was die CSU Integration fördern will

Zugleich beschloss die Staatsregierung mehrere Maßnahmen, um den Zuzug besser zu bewältigen und die Integration der Flüchtlinge zu fördern. So bekommen Polizei, Justiz und Behörden in diesem Jahr 3772 zusätzliche Stellen. Zudem sollen bis 2019 insgesamt 1700 Lehrer eingestellt und 28 000 staatlich geförderte Wohnungen gebaut werden. Alles Forderungen, die die Opposition schon lange erhebt. Den Freistaat werde das 489 Millionen Euro kosten, sagte Seehofer. Es sei "gut angelegtes Geld". Denn wenn die Integration nicht gelinge, gebe es soziale Spannungen. "Das würde um ein Vielfaches teurer."

Die Zusatzkosten werden von dem gedeckt, was der Bund den Ländern wegen der Flüchtlinge zur Verfügung stelle. Bei all den Maßnahmen gehe es darum, den Menschen zu zeigen: "Wir kümmern uns." Und zwar sowohl um die einheimische Bevölkerung als auch um die ankommenden Flüchtlinge. "Ich will den Willen und die Bereitschaft der Bevölkerung erhalten, solidarisch zu sein", sagte Seehofer.

Was die Opposition sagt

In den Augen von SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher propagiert Seehofer bei der Grenzsicherung nur "Pseudo-Maßnahmen, die niemandem helfen, aber allen schaden". Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger wähnt hinter der Verfassungsklage "nur heiße Luft". Wenn Seehofer es ernst meine, sollte er "den Mut aufbringen, aus dieser fehlgesteuerten Bundesregierung auszutreten". Margarete Bause, die Fraktionssprecherin der Grünen, hält "das Gerede vom Notstand" für "abstrus". Sie sagt: " Menschen, die bei uns Schutz suchen, bringen uns nicht in Not.

Sie sind in Not." Während die Minister berieten, wie sie Flüchtlinge aus dem Freistaat fernhalten können, fand sich eine Gruppe Demonstranten ein: Helfer vom Münchner Hauptbahnhof, die gegen die von Seehofer angekündigten Notmaßnahmen protestierten. "Say it loud, say it clear, refugees are welcome here", skandierten sie. Der Helferkreis, dem gläubige Katholiken ebenso angehören wie Politiker der Linken, fordern, dass München wieder als eines der Zug-Drehkreuze benutzt werde, anstatt Pläne zu schmieden, Flüchtlinge nach Österreich zurückzuschicken. Er habe das Gefühl, dass die Staatsregierung Flüchtlinge bewusst über das kleinere Passau einreisen lassen wolle, "um die Situation zu verschärfen", sagte Colin Turner, Sprecher der Helfergruppe. München habe jedoch genügend Kraft, weitere Hilfe zu leisten.

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