Jürgen Klopp in Liverpool:Erlöser, jetzt in Rot

Jürgen Klopp in Liverpool: Von Schwarz-gelb auf Rot: Jürgen Klopp.

Von Schwarz-gelb auf Rot: Jürgen Klopp.

(Foto: AP)

Vieles beim Amtsantritt von Jürgen Klopp in Liverpool erinnert an seine Zeit in Dortmund: Der 48-Jährige verspricht Vollgas-Fußball. So will er auch bessere Mannschaften "killen".

Von Raphael Honigstein, Liverpool

"Kein Idiot." - "Kein Genie." - "Kein Alleswisser." - "Kein Träumer." Jürgen Klopp hatte seinem gebannten Publikum bereits 20 Minuten lang die schönsten Negationen aufgetischt, als es doch jemand konkreter vom neuen Trainer des FC Liverpool wissen wollte: José Mourinho, der überlaute Prahler, der gerade den FC Chelsea trainiert, habe sich einst als "The Special One" tituliert. Wie Klopp sich im Vergleich dazu beschreiben würde? Der 48-Jährige holte kurz Luft, lächelte breit - und landete dann den K.o.-Treffer: "I am the Normal One." Der Normalo.

Großes Gelächter. Klopps lustige Bescheidenheit, mit einem Verweis auf seine Herkunft "aus dem Schwarzwald" garniert, war der Höhepunkt einer meister- haften Performance, in der sich der ehemalige Mainz- und Dortmund-Coach perfekt als extrem ausgeruhter, zugleich aber erfolgsorientierter Vereins-Elektrisierer in Szene setzte. "Die Fans sollten sich anschnallen, sie werden mit ihm viel Spaß haben", meinte Trainer- und Spieler- legende Kenny Dalglish nach Klopps erster Pressekonferenz beim FC Liverpool am Freitag.

Seit Übervater Bill Shankley die Reds in den siebziger Jahren zur besten Mannschaft Europas machte, wird in Liverpool der britische Kult um Fußballtrainer besonders gefühlsintensiv gepflegt. Viele Übungsleiter kamen, die meisten gingen - unfähig, mit dem Überdruck der Erwartungen in der gern von der eigenen Andersartigkeit beseelten Stadt in Englands Nordwesten fertig zu werden. Es bedurfte also außergewöhnlich großer Selbstsicherheit von Klopp, sich ausgerechnet bei der Vorstellung im historienumwehten Anfield-Stadion als ganz gewöhnlicher Coach zu bezeichnen. Aber man kennt das ja auf der Insel, nicht zuletzt aus der berühmten Monty-Python-Komödie "Das Leben des Brian": Nur der echte Erlöser verleugnet sich selbst.

Klopp (Jeans, schwarzes Sakko) warnte in griffigem Englisch davor, dass seine Mannschaft nicht mit einem "20 Kilo schweren Rucksack der Geschichte" ins Rennen gehen könne, vielmehr sei die Zeit reif für einen "Neustart". Man müsse aus Zweiflern Gläubige machen, fügte er hinzu; wohlwissend, dass die rote Gemeinde zuletzt vom Glauben abgefallen war.

Die in der Liga unter Vorgänger Brendan Rodgers gegenüber den finanziell potenteren Rivalen von Manchester United, Manchester City, Arsenal und Chelsea ins Hintertreffen geratenen Reds (Platz zehn in der Tabelle, zuletzt Meister 1990) seien jedoch keineswegs so schlecht, wie es die negative Stimmung im Land suggeriere, meinte der ehemalige Borussen-Trainer: "Die Situation ist nicht so schlimm. Wir brauchen Zeit, aber der Moment für Veränderungen ist gut. Wir dürfen nicht ans Geld denken, nur an Fußball", sagte Klopp - und wirkte dabei ein wenig wie ein Prediger.

Klopp Beatles

Borussia Dortmund gratuliert dem FC Liverpool zu seiner Verpflichtung von Jürgen Klopp mit einer Hommage an das Beatles-Album "Abbey Road".

(Foto: Screenshot/BVB Twitter)

Klopp versprach "Vollgasfußball", um Emotionen auf den Rängen zu wecken, und wiederholte ein Mantra aus Dortmunder Tagen: "Wir wissen, dass es bessere Mannschaften gibt, aber wenn wir sie auf unser Niveau herunterziehen, können wir sie killen." Die in den britischen Zeitungen breit debattierte Frage über die Verantwortlichkeit für Transfers nannte Klopp einen Atemzug weiter eine "crazy discussion". Er habe "das erste und das letzte Wort" bei der Kaderplanung, müsse aber ansonsten den Informationen der Scouts und Analysten vertrauen: "Ich weiß nicht alles, aber ich kann sehr gut zuhören."

Der neue Boss lag in der Gunst seiner Zuhörer schnell so weit vorne, dass er sich einen Scherz auf deren Kosten erlaubte. Er habe von den Eigenarten der britischen Presse gehört, sagte Klopp, "jetzt müssen Sie mir zeigen, dass das alles Lügen waren". Die gute Laune verschwand jedoch, als ein deutscher Berichterstatter nach dem gewaltigen Wirbel in der Stadt um seine Person fragte. "Wegen Ihnen kann ich leider nicht raus aus dem Hotel oder in den Pub, ich bekomme davon gar nichts mit", klagte Klopp und bat um ein wenig Ruhe vor den Fotografen.

Zweiter deutscher Trainer in der Premier League

Die Zahl der Deutschen, die als Trainer bei einem Premier-League-Klub wirkten, ist sehr überschaubar. Vor Jürgen Klopp, der nun den FC Liverpool übernimmt, wagte das Abenteuer lediglich Felix Magath. Im Februar 2014 übernahm er den FC Fulham als Tabellenletzter. Nach dem Abstieg wurde er im September des gleichen Jahres schon wieder von seinen Aufgaben entbunden.

Seinen Vertrag hatte er nach seiner Ankunft am Donnerstagabend auf Wunsch des Klubs im selben Hotelzimmer unterzeichnet, in dem 2004 der spätere Champions-League-Gewinner Rafael Benítez seine Signatur unter das Arbeitspapier gesetzt hatte; der Spanier war der letzte Coach, der bei den Roten langfristig überzeugen konnte. Das noble Etablissement liegt in der Hope Street. Und genau dort wohnt Klopp jetzt: in der Straße der Hoffnung.

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