Basketball:Hüne mit steifer Oberlippe

04 10 2015 Basketball Saison 2015 2016 1 Bundesliga Beko BBL 1 Spieltag Brose Baskets Bam

"Funke entzündet": Gabriel Olaseni (weißes Trikot) nutzt seine spektakulären Dunkings, um Mitspieler und Zuschauer zu motivieren.

(Foto: Zink/imago)

Gabriel Olaseni soll in Bamberg mit seinem athletischen Stil das Spiel prägen. Zum Basketball kam der 2,08-Meter-Mann auf Umwegen: Er war lange Fußballtorhüter.

Von Joachim Mölter

Den britischen Akzent hat sich Gabriel Olaseni auch nach acht Jahren in den USA nicht abgewöhnt, das ist schon bemerkenswert angesichts all dessen, was sich der gebürtige Londoner in dieser Zeit sonst alles angeeignet hat. Selbst wenn man die Augen zumacht, glaubt man noch diese steife Oberlippe zu sehen, die stiff upper lip, unter der die Engländer für gewöhnlich ihre Wörter und Sätze hinauspressen. Aber abgesehen von dieser steifen Oberlippe ist Olaseni ein recht beweglicher, ziemlich athletischer Mann, zumal für seine Größe von 2,08 Meter.

Die Größe und die Athletik haben Gabriel Olaseni zum Basketball gebracht, nachdem er als Kind zunächst ein Fußball-Tor hütete. Nach einem Wachstumsschub als Teenager fing er in seiner Heimatstadt mit dem Basketballspielen an, und weil Großbritannien weder ein Eldorado für Fußball-Torhüter noch für Basketballer ist, siedelte er mit 16 in die USA über, ging erst an eine High School zur weiteren Ausbildung, dann an ein College. Seit Kurzem ist er Profi, im Sommer unterschrieb er seinen ersten Vertrag, für ein Jahr beim deutschen Meister Brose Baskets Bamberg.

Im Sommer spielte er in Miami vor - sein Berater empfahl den Wechsel nach Bamberg

Gabriel Olaseni hatte auch eine Einladung gehabt ins Trainingslager des ehemaligen NBA-Meisters Miami Heat; für den war er in der Summer League aufgelaufen, welche die Klubs zu Testzwecken mit Talenten nutzen. "Aber mein Agent hat mir gesagt, dass Bamberg die beste Situation für mich wäre", erzählt Olaseni. Dort könne er sich nämlich in der Euroleague beweisen, der immerhin zweitbesten Liga der Welt hinter der NBA.

Dass er in keine leichte Situation geraten würde, hat ihm vermutlich keiner gesagt. In Bamberg muss der Berufsanfänger Olaseni ja nicht nur seinen populären Vorgänger Trevor Mbakwe ersetzen, den gleich großen, ähnlich athletischen Center, der in der Playoff-Finalserie maßgeblich zum Titelgewinn gegen den FC Bayern beigetragen und im Sommer dann ein lukratives Angebot des europäischen Spitzenklubs Maccabi Tel Aviv angenommen hat. Weil die Brose Baskets bis auf Mbakwe alle Schlüsselspieler halten konnten und ihren Kader zudem mit den nachgewiesenen Spitzenkräften Nikos Zisis und Nicolò Melli verstärkt haben, sieht sich Olaseni zudem mit gewachsenen Erwartungen in und um Bamberg konfrontiert.

Als der Bamberger Klub im Juli die Verpflichtung von Olaseni verkündete, hatte Chefcoach Andrea Trinchieri aber schon gewarnt: "Wir müssen vorsichtig sein. Er ist ein Rookie, und wir brauchen definitiv Zeit, ihm europäischen Basketball beizubringen." Trinchieri forderte also Geduld, aber das ist genau das, was Fans und Medien in aller Regel am wenigsten haben. Als Gabriel Olaseni vor zwei Wochen im Champions Cup gegen die EWE Baskets Oldenburg (87:66) noch etwas orientierungslos über das Parkett wanderte, hieß es jedenfalls gleich, der neue Mann tauge nicht viel, schon gar nicht für die Euroleague-Ambitionen des deutschen Meisters.

Inzwischen ist Olaseni vertrauter mit der Spielweise von Trainer Trinchieri; nach seinem zweiten Auftritt in heimischer Halle, dem Bundesliga-Spiel gegen die Crailsheim Merlins am vorigen Mittwoch (93:49), sind die Fans schon gnädiger gestimmt. Da deutete er an, welches Potenzial die Bamberger Talentspäher in ihm gesehen hatten, und er sorgte auch für spektakuläre Aktionen. Jede Halbzeit leitete er mit einem krachenden Dunk ein, er weiß: "Dadurch wird oft ein Funke entzündet, und der springt über auf deine eigenen Mitspieler und auf die Zuschauer."

Bei den Hawkeyes von der Iowa University war das seine Hauptaufgabe gewesen: den Funken überspringen zu lassen, Impulse zu geben, vor allem in der Abwehr mit Rebounds und geblockten Würfen. Das erwartet auch Trinchieri von seinem Zugang: "Er ist ein Spieler, der exzellent den Ring beschützen kann", sagt der Italiener über den ehemaligen Fußball-Torhüter, "er wird uns in der Verteidigung nach vorne bringen. Aber natürlich muss er noch viel lernen, wir werden täglich mit ihm individuell arbeiten." Weitere Fortschritte erhofft sich der Trainer im Spiel am Samstag (20.30 Uhr) in Gießen sowie nächsten Donnerstag beim Euroleague-Auftakt in Malaga.

Olaseni weiß, wo seine Schwächen liegen - in der Offensive, bei den Bewegungen zum Korb, den Würfen aus der Mitteldistanz. "Da muss ich mich noch entwickeln, aber das ist nur eine Frage der Zeit", sagt er. Genau deswegen ist er ja nach Bamberg gekommen: Weil sie dort bewiesen haben, dass sie Spieler weiterbringen, Rohdiamanten schleifen und polieren können. Vor allem Assistenz-Coach Stefan Weissenböck genießt diesbezüglich einen guten Ruf. "Alles, was sie mir versprochen haben, haben sie bis jetzt auch eingehalten", sagt Olaseni: Nicht nur Weissenböck kümmert sich um ihn, "auch der Chefcoach selbst nimmt sich Zeit".

Was sie in den USA allseits an Gabriel Olaseni gelobt haben, war seine Einstellung. In einem Bericht vor der NBA-Draft, der jährlichen Talentbörse der stärksten Liga der Welt, wurden zwar seine Mängel aufgelistet, aber auch durchaus wohlwollend festgestellt: "Seine Fähigkeiten in der Defensive und seinen Anstrengungen, sich generell zu verbessern, sind schwer zu ignorieren." Diese Einstellung wird er sich wohl in Bamberg ebenso wenig abgewöhnen wie seinen britischen Akzent.

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