Augsburg:Kuriose Wende im Prozess gegen Inhofer-Chefs

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Anwälte kritisieren Staatsanwälte, die zuvor einen Deal vorgeschlagen hatten und nun doppelt so hohe Strafen fordern

Von Stefan Mayr, Augsburg

Dieser Strafprozess hatte vor drei Monaten unter außergewöhnlichen Umständen begonnen - und er findet nun ein noch seltsameres Ende. Auf der Anklagebank sitzt das Top-Management des Möbelhauses Inhofer in Senden (Kreis Neu-Ulm). Angeklagt sind der Firmengründer August Inhofer, sein Bruder Karl, sein Neffe Edgar und sein Schwiegersohn Peter Schorr.

Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug vor. Am Montag wurden vor dem Landgericht Augsburg die Plädoyers gesprochen, dabei kam es zu einer kuriosen Umkehrung der Vorzeichen.

Wer die Schlussvorträge der vier Verteidiger hörte, musste den Eindruck gewinnen, dass nicht die Inhofers auf der Anklagebank saßen, sondern die zwei Staatsanwälte.

Jeder Verteidiger verwandte mehr Zeit darauf, die Ankläger zu rügen, als ihre Mandanten zu verteidigen. "Das hat mit Rechtsstaatlichkeit herzlich wenig zu tun", kritisierte Walter Rubach, Anwalt des Geschäftsführers Edgar Inhofer, das Vorgehen der Anklagebehörde.

Tatsächlich war deren Prozesstaktik ungewöhnlich: Ende September hatte sie in einem Deal-Gespräch der Verteidigung noch angeboten, dass sie den Hauptangeklagten Edgar Inhofer, 50, mit einer Bewährungsstrafe davonkommen lasse. Die Verteidigung nahm dieses Angebot an, der Prozess schien einem friedlichen Ende entgegenzusteuern.

Doch dann akzeptierte das Gericht den ausgehandelten Deal nicht. Und nun forderte die Staatsanwaltschaft am Montag für Edgar Inhofer dreieinhalb Jahre Haft - also fast das Doppelte vom ursprünglichen Angebot. "Wie wollen Sie bei diesem Hin und Her noch glaubhaft sein?", fragte Schorrs Anwalt Walter Lechner am Montag.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, über mehrere Jahre hinweg 21 Verkäufer als Scheinselbständige beschäftigt zu haben. Hierbei seien Steuern in Höhe von 900 000 Euro hinterzogen und den Sozialkassen 1,5 Millionen Euro vorenthalten worden. Neben den dreieinhalb Jahren Haft für Edgar Inhofer beantragten die Ankläger für Senior-Chef August Inhofer zwei Jahre Haft auf Bewährung plus fünf Millionen Euro Geldauflage. Für Karl Inhofer und Peter Schorr forderten sie Geldstrafen in Höhe von 97 200 und 120 000 Euro.

Auf der Verteidigerbank lösten diese Forderungen Empörung aus. Lechner sprach von "krassen" und "weit überzogenen" Anträgen. Die Angeklagten hatten zuvor ein Geständnis abgelegt. Dabei betonten sie, sie hätten nicht mutwillig betrogen. Vielmehr hätten sie Fehler gemacht, die sie bereuen und durch Zahlungen wiedergutgemacht haben.

Zu Beginn des Prozesses war der ehemaligen Justizministerin Beate Merk (CSU) vorgeworfen worden, sie hätte Einfluss auf die Behörden genommen, um für zwei Beschuldigte die Untersuchungshaft zu beenden. Sie dementierte das.

Die Anwälte der Inhofers, zu denen auch Ex-Justizminister Alfred Sauter (CSU) gehört, beantragten am Montag weitaus sanftere Strafen. Vor allem geht es ihnen darum, dass Edgar Inhofer nicht ins Gefängnis muss und weiterhin als Geschäftsführer tätig sein kann. Ob das gelingt, ist offen.

Das Gericht wird wohl den Anträgen der Staatsanwaltschaft nicht folgen - aber auch die Angeklagten nicht ungeschoren davon kommen lassen. Das Urteil wird am Mittwoch verkündet.

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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