Torhüter der DFB-Elf:Bei Manuel Neuer versichert

Germany v Georgia - EURO 2016 Qualifier

Die zurzeit wahrscheinlich beste Versicherung im Fußball: Nationaltorwart Manuel Neuer.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Christof Kneer, Leipzig

Das Georgische gehört zu den südkaukasischen Sprachen, und es war bisher nicht bekannt, dass der im westgermanischen Gelsenkirchen aufgewachsene Manuel Neuer diese Sprache versteht. Es spricht für Neuers Bescheidenheit, dass er sich später selbst nicht ganz sicher war, ob ihm die Übersetzung aus dem Südkaukasischen auch korrekt gelungen war.

"Ich glaube, er hat ,Neuer' gebrüllt", sagte Neuer mit einem Grinsen. Er, das war Tornike Okriashvili, die Nummer zehn der georgischen Nationalelf, der in der 60. Minute dieses abschließenden EM-Qualifikationsspiels aus sechs Metern Entfernung frei zum Schuss gekommen war. Der Schuss war nicht schlecht, er war sogar ganz gut, vielleicht war er sogar ziemlich unhaltbar. Ziemlich unhaltbar reicht aber nicht gegen Manuel Neuer, das hatte Okriashvili schon nach 27 Spielminuten feststellen müssen; da hatte Manuel Neuer den ersten, ziemlich unhaltbaren Schuss des georgischen Zehners mit einem spektakulären Reflex über die Latte gelenkt.

Hatte Tornike Okriasvili in der 60. Minute also verzweifelt "Neuer" gebrüllt? Man weiß es nicht, Neuer hat es nicht beschwören können, aber es könnte gut sein. Und man könnte es verstehen.

Eine geheime Versicherung

Tornike Okriasvili, 23, vom belgischen Erstligisten KRC Genk kann jetzt also mitreden. Er weiß jetzt, wie es den deutschen Bundesligaspielern an jedem Wochenende geht, er weiß jetzt, wie es den algerischen Nationalspielern im Achtelfinale bei der WM in Brasilien ergangen ist, und er befindet sich jetzt auch in der schmeichelhaften Gesellschaft des Weltklassestürmers Karim Benzema. Von dieser Szene erzählen sie im DFB-Trainerstab ja bis heute: wie Neuer im WM-Viertelfinale gegen Frankreich Benzemas Schuss in der Nachspielzeit weggeboxt hat, mit einer unorthodoxen Bewegung, die man an keiner Nachwuchsakademie lernen kann.

Wahrscheinlich hat der deutsche Fußball vor einiger Zeit eine geheime Versicherung abgeschlossen, die Police liegt vermutlich sicher verwahrt in einem Panzerschrank des Deutschen Fußball-Bundes an der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt am Main. Wie es aussieht, hat der DFB eine Rechtsschuss-Versicherung ebenso wie eine Linksschuss-Versicherung abgeschlossen, auch gegen Kopfbälle und Konter aller Art hat er sich ausreichenden Schutz garantieren lassen. Der DFB hat sich bei Neuer versichert, und nach Lage der Dinge ist das die beste Versicherungsgesellschaft, die man im Fußball zurzeit finden kann.

Prokurist Boateng

In der 53. Minute hat Nika Kvekveskiri nicht "Neuer" geschrien, aber man hätte auch ihn verstehen können. Da war ihm gerade ein prächtiger Schuss rausgerutscht gegen den wackligen Weltmeister aus Deutschland, der Ball flog selbstbewusst Richtung Tor, aber plötzlich traf er im Luftraum wieder diesen Torwart. Neuer griff über, wie das in der Torwartfachsprache seit Oliver Kahn heißt, er wischte den Ball mit dem entfernten Arm aus dem Winkel. Kurz darauf trafen die Georgier übrigens doch ins deutsche Tor, was aber vor allem daran lag, dass der Ball eben nicht ziemlich unhaltbar war. Sondern unhaltbar.

Joachim Löw kann es sich im Moment leisten, neue Außenverteidiger auszuprobieren, er kann es sich leisten, zwei offensive Sechser aufzustellen, er kann es sich sogar leisten, seine Mannschaft im laufenden Qualifikations-Betrieb auf geradezu bedenkliche Art und Weise nach Stabilität und Balance suchen zu lassen. Das geht auch deswegen alles, weil er Manuel Neuer hat.

Immer noch ein bisschen Lausbub

Neuer ist nicht fehlerlos, manchmal geht immer noch ein bisschen der Lausbub mit ihm durch, aber wenn es ernst wird, kann sich Joachim Löw darauf verlassen, dass der Gegner vor Verzweiflung "Neuer" brüllt. Löw hat einen Spieler, der ihm nicht nur die Turniere rettet, sondern ihn auch verlässlich durch die schwere Übergangszeit bringt. Und es beruhigt den Bundestrainer zusätzlich, dass Neuer in seiner Versicherung inzwischen eine Art Prokurist angestellt hat, den ebenfalls zeichnungsberechtigten Jérôme Boateng.

Alle Gegner wissen: Wer Deutschland in einem großen Spiel besiegen will, muss erst mal an Jérôme Boateng vorbei. Und wenn er an Boateng vorbei ist, wartet Manuel Neuer.

Er habe nicht vor, nach der Europameisterschaft 2016 seine Karriere in der Nationalmannschaft zu beenden, hat Neuer, 29, gerade dem kicker gesagt. Für seine Stellvertreter heißt das, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis gegnerische Zehner vielleicht mal "ter Stegen" oder "Leno" brüllen.

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