Formel 1:Vettel ist plötzlich die Nummer zwei

528111569

Unaufhaltsam auf dem Weg nach vorne: Sebastian Vettel mit lustiger Kopfbedeckung in Sotschi.

(Foto: AFP)
  • Nach dem frühen Aus beim Formel-1-Rennen in Sotschi schimpft Nico Rosberg über sein "Seuchenjahr".
  • Ein anderer Deutscher macht dem WM-Favoriten Lewis Hamilton Konkurrenz: Sebastian Vettel.
  • Hamilton denkt bereits an Rad-an-Rad-Kämpfe mit Vettel.

Von René Hofmann

Von den Protagonisten war nach dem Großen Preis von Russland nicht mehr viel zu erfahren. Die obligatorische Pressekonferenz, zu der die drei schnellsten jedes Formel-1-Rennens geladen werden - in diesem Fall Lewis Hamilton von Mercedes, Sebastian Vettel von Ferrari und Sergio Perez von Force India -, hatte in Sotschi gut zwei Dutzend Gast- hörerinnen.

Kurze weiße Kleider, knall- rote Ballerinas, Fellmützen und darunter die langen Haare offen - so bauten sich die 25 Grid Girls auf einem Podest im Pressekonferenzsaal genau gegenüber den drei Fahrern auf. Aus denen waren daraufhin keine sinnvollen Antworten mehr herauszubekommen, zu sehr waren sie abgelenkt. Nur Vettel ließ sich noch eine präzise Information entlocken: "Radisson Hotel, Zimmernummer 708". Das war die Anschrift von Sieger Hamilton in Sotschi.

Dabei gab es nach dem Grand Prix am Schwarzen Meer durchaus einiges ernsthaft zu bereden. Der 15. Auftritt der Formel 1 in diesem Jahr war außergewöhnlich turbulent verlaufen. Nicht nur wegen Nico Rosbergs Gaspedal-Defekt, der für ihn nach dem Motorschaden in Monza das zweite vorzeitige Aus bedeutete - und wohl den finalen Rückschlag im Titelkampf. Kein Wunder, dass der 30-Jährige anschließend befand, sportlich betrachtet erlebe er "ein Seuchenjahr".

Hamilton spricht von "der besten Zeit meiner Karriere"

Der Kontrast zu seinem Teamkollegen Hamilton könnte deutlicher kaum sein, auch semantisch. Der ebenfalls 30 Jahre alte Brite spricht von "der besten Zeit meiner Karriere" und stritt sich nach seinem neunten Saisonerfolg mit Vettel darüber, wann der angemessene Zeitpunkt ist, den Fans im Überschwang zuzuwinken: auf der Ehrenrunde? Eine Runde vor der Ehrenrunde? Fünf Runden vor der Ehrenrunde? Derartige Probleme können wenige Rennfahrer in ihrer Karriere je wälzen. Selbst ein Heckflügel-Defekt brachte Hamilton in Sotschi noch nicht einmal um ein Fitzelchen seiner Überlegenheit.

Weil Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen für seinen Zusammenstoß mit Williams-Fahrer Valtteri Bottas kurz vor der Ehrenrunde, über den die Meinungen maximal weit auseinandergingen (Räikkönen: "Das war ein normaler Rennvorfall", Bottas: "Das war alles andere als ein normaler Rennvorfall") weit nach allen Ehren- runden von den Rennkommissaren mit einem Zeitaufschlag von 30 Sekunden bedacht wurde, gab es zwei Stunden nach Renn-Ende eine nicht unwesentliche Rochade im Klassement: Räikkönen wurde auf Platz acht zurückgestuft, was dazu führte, dass der Vorsprung von Mercedes in der Team-Wertung auf 172 Punkte anwuchs.

Gewaltiger Sprung von Ferrari

So viele kann Ferrari in den noch ausstehenden vier Rennen nicht mehr aufholen. Wie im vergangenen Jahr steht Mercedes damit nach dem Russland-Grand-Prix als Konstrukteurs-Weltmeister fest, was nicht nur Renommee bringt: Nach dem Klassement richtet sich auch die Beteiligung an den Erlösen aus der Vermarktung der Rennserie.

Trotz des frühen Triumphes - eines fällt beim Blick auf die Team-Tabelle auf: Ferrari ist im Vergleich zum vergangenen Jahr ein gewaltiger Sprung geglückt. Nach 15 Rennen kam die Scuderia damals auf 178 Punkte, in diesem Jahr sind es 359. Mercedes blieb mit 531 im Vergleich zu 522 so gut wie konstant. Nicht nur der Corriere dello Sport sieht deshalb in Vettels Aufstieg zur Nummer zwei der Fahrerwertung ein Zeichen über den Tag hinaus: "Ein kleiner Schritt in der WM-Wertung, ein großer Schritt in der Formel 1", findet die Sport- zeitung.

Rad-an-Rad-Kämpfe mit Vettel

Mercedes-Sportchef Toto Wolff sieht in Ferrari "das Team, mit dem man sich messen will: Wir erwarten, dass sie nächstes Jahr sehr stark sein werden". Hamilton visualisiert bereits Rad-an-Rad-Kämpfe mit Vettel, zu dem er am Sonntag in der Zahl der gewonnenen Rennen (42) aufschloss: "Ich kann es kaum erwarten, dass Sebastian und ich uns solche Duelle auf der Strecke liefern."

In Sotschi soll die Bühne dafür noch ein bisschen länger stehen als ohnehin schon geplant - und demnächst aber doch leicht verändert werden. Staatspräsident Wladimir Putin unterstützte die Organisatoren bei seinem Besuch in ihrem Bestreben, das Rennen über 2020 in dem Park zu halten, der 2014 für die Winterspiele planiert wurde. Ab 2017 soll der Grand Prix als Flutlichtrennen ausgetragen werden, wie es sie bereits in Singapur, in Bahrain und in Abu Dhabi gibt.

Kontinuität zeichnet sich auch in einer anderen nicht unwesentlichen Frage ab: der des Reifenlieferanten. Seit 2011 rüstet Pirelli das gesamte Feld mit Einheitspneus aus. Obwohl die Firma in der Zeit nicht nur gute Schlagzeilen gesammelt hat, einigte sie sich mit Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone nun vorzeitig auf eine Verlängerung der Zusammenarbeit um drei Jahre: bis 2019 will die Marke der Formel 1 mindestens noch treu bleiben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: