Zurück an die Uni:Schatz aus dem Keller

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Wer sein abgebrochenes Studium abschließen möchte, sollte alte Zeugnisse auftreiben und sich an das zuständige Prüfungsamt wenden. Ob der Wiedereinstieg klappt, hängt auch vom Fach ab.

Von Christine Demmer

Christina Martin ist Ende 40 und frisch geschieden. Mit ihrem Schicksal hadert sie nicht, wohl aber damit, dass sie ihr Architekturstudium nach der Geburt ihrer Zwillinge aufgegeben hat. Nur ein halbes Jahr vor der Diplomprüfung. Ihre Töchter sind gerade volljährig geworden, wollen im nächsten Jahr an die Uni und pflegen eifrig den Floh, den sie ihrer Mutter in den Kopf gesetzt haben: "Hol' den Abschluss doch nach, Mama." Ja, das wäre schon eine feine Sache. Wenngleich die Hürden für eine Wiederaufnahme des Studiums nach zehn, 15 oder 20 Jahren hoch liegen, so sind sie doch nicht unüberwindlich. Jede Universität und Hochschule legt ihre eigenen Maßstäbe an. Genau dort, wo das Studium fortgesetzt und dieses Mal erfolgreich beendet werden soll, müssen sich Wiedereinsteiger wie Christina bewerben. Wobei ältere Semester meist darauf hoffen, dass ihnen ein Teil der in grauer Vorzeit erbrachten Leistungen anerkannt und die Studienzeit entsprechend verkürzt wird.

Die Hochschulrektorenkonferenz in Bonn verweist bei der Frage der Anerkennung von Studienleistungen an die einzelnen Bildungsträger. "Sowohl die Studieninhalte als auch die Studienangebote haben sich ja weiterentwickelt", erklärt Sprecherin Susanne Schilden. Dazugekommen ist zum einen neues Wissen, zum anderen ist manch früherer Studiengang erneuert oder ersetzt worden. "Außerdem hat sich mit der Bologna-Reform das Studiensystem in Europa verändert", gibt sie zu bedenken. Das Diplom und der Magister sind fast überall Geschichte, die heutigen akademischen Abschlüsse heißen Bachelor und Master. "Deswegen gibt es nur einen Weg herauszufinden, ob frühere Studienleistungen anerkannt werden", sagt Schilden. "Man muss sich beim Prüfungsamt der jeweiligen Universität oder Hochschule erkundigen." Als Tipp fügt sie an: "Wenn jemand in der Zeit zwischen dem Abbruch und dem Wunsch nach einer Neuaufnahme des Studiums einschlägige Berufserfahrung erworben hat, gibt es Anrechnungsmöglichkeiten für berufliche Leistungen." Pauschal könne man das jedoch nicht sagen. "Es gibt unterschiedliche Regelungen in den Ländern, und die Hochschule muss den Einzelfall prüfen."

Das Wichtigste ist ein sorgsam gepflegtes Zeugnisarchiv. Denn ohne die Vorlage von Leistungsnachweisen machen sich die Prüfungsämter gar nicht erst an die Arbeit. Ob die einst mit Stolz entgegengenommenen Dokumente vergilbt, eingerissen oder zerknittert sind, weil sie auf dem Dachspeicher oder im Keller eingelagert waren, spielt keine Rolle. Sie müssen nur lesbar sein, der Stempel muss erkennbar sein. "Wenn Scheine fehlen, kann man versuchen, beim jeweiligen Fach der ehemaligen Hochschule einen Nachweis über die abgelegten Leistungen zu bekommen", rät Annette Doll, Studienberaterin an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. "An manchen Instituten sind noch Nachweise archiviert, die bis in die Siebzigerjahre zurückgehen", führt sie aus.

Über die Zulassung beschließt das Prüfungsamt. Doch davor konsultiert es Dozenten

Mit diesen und mit weiteren Schulabschluss- und Arbeitszeugnissen wendet man sich an die Studienberatung der Zielhochschule. "Dort erfährt der Studierwillige, ob es diesen Studiengang noch in der damaligen Form gibt und inwiefern sich die Studienordnung geändert hat", sagt Doll. In Evangelischer und Orthodoxer Theologie, Medizin und Jura könne man auch heute noch in den ehemaligen Studiengang wieder einsteigen. Allerdings nicht ohne Weiteres in Studiengänge, die auf Bachelor und Master umgestellt wurden oder in denen sich die Studienordnung grundlegend geändert hat. "Ob und unter welchen Bedingungen das funktioniert, weiß der Fachstudienberater", erklärt Doll. "Der schaut sich die bisher erbrachten Studienleistungen an, nimmt die Anrechnung von Scheinen vor, stuft den Bewerber in das entsprechende Fachsemester ein und schickt ihn dann zum Prüfungsamt."

Die Mitarbeiter des Prüfungsamts schauen dann noch einmal ganz genau hin und konsultieren, bevor sie einen Beschluss fassen, Vertreter des jeweiligen Fachgebietes. Das sind Dozenten und Professoren, die den Leistungsstand des Bewerbers einschätzen. Der wird an den aktuellen formellen Regelungen gemessen. "Wie lange diese Prüfung dauert, hängt von der Fakultät ab", informiert Peter Piolot, Studienberater an der Universität Köln. Es können zwei, aber auch sechs Wochen sein, falls die Anfrage in die vorlesungsfreie Zeit fällt.

Auf der Basis der Einstufung des Prüfungsamtes können die Betreffenden danach die Zulassung zum Studium beantragen. "Dabei muss man mögliche Zulassungsbeschränkungen beachten", warnt Piolot vor zu hohen Erwartungen. In Köln sind sämtliche Studiengänge zulassungsbeschränkt, zum Teil auch in den höheren Semestern. Und wer älter ist als 55 Jahre, kann einen zulassungsbeschränkten Studiengang nicht im ersten Fachsemester wieder aufnehmen. Bei der Zulassung zu höheren Fachsemestern spielt die Altersgrenze keine Rolle. Berater Piolot: "Wenn die Semestereinstufung einen echten Wiedereinstieg in einem höheren Semester erlaubt, gibt es keine Altersgrenze."

Auch in Bayern kommen Bewerber, die älter als 55 Jahre sind, nicht mehr in das erste Fachsemester zulassungsbeschränkter Studiengänge hinein. "Es sei denn, es sprechen schwerwiegende wissenschaftliche oder berufliche Gründe für eine Zulassung", erläutert Annette Doll. Dafür genüge ein formloser Sonderantrag bei der Bewerbung.

Obwohl das Hochschulrecht Ländersache ist, verläuft der Weg über Studienberatung, Prüfungsamt und Zulassungsstelle für Wiedereinstiegs-Aspiranten deutschlandweit gleich. "Man darf sich durchaus an mehr als ein Prüfungsamt wenden", sagt Peter Piolot, "bei Bachelor-Studiengängen ist das sogar durchaus zu empfehlen." Sofort zum Masterstudium zugelassen wird allerdings niemand, der ohne Abschluss die Hochschule verlassen hat. "Das geht nicht", stellt der Berater fest. "Denn das Masterstudium verlangt einen ersten akademischen Abschluss, in der Regel den Bachelor oder auch den Magister oder das Diplom."

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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