University of Texas at Austin:Mit Dildos gegen Waffen auf dem Uni-Campus

University of Texas at Austin: Die Aktion "CocksNotGlocks" sorgt in den USA für viel Aufsehen und erhitzte Debatten.

Die Aktion "CocksNotGlocks" sorgt in den USA für viel Aufsehen und erhitzte Debatten.

(Foto: Quelle: Facebook)

Von August 2016 an dürfen Studenten der University of Texas at Austin verdeckt Waffen tragen. Im liberalen Austin wollen viele protestieren - in dem sie gegen ein Verbot verstoßen.

Von Matthias Kolb

Im konservativen Texas ist Austin eine liberale Oase. Hier findet alljährliche das Technik- und Musikfestival SXSW statt, jedes Jahr ziehen Zehntausende in die Stadt - neben kreativen Hipstern und IT-Experten auch sehr viele Studenten. Mehr als 50 000 sind an der University of Texas at Austin (UT) eingeschrieben und prägen das Lebensgefühl der Stadt, die stolz darauf ist, "weird" zu sein.

Austins Andersartigkeit sehen nun viele durch ein neues Gesetz bedroht, das UT-Studenten von August 2016 an erlauben wird, verdeckt Waffen zu tragen - in den Hörsälen, im Labor, überall auf dem Campus. Die neue Regel gilt für alle neun Standorte der staatlich finanzierten Universitäten, doch die kreativste und provokanteste Gegenaktion wurde natürlich in Austin gestartet: Am 24. August 2016 sollen möglichst viele UT-Studenten mit möglichst großen Dildos an ihren Rucksäcken durch die Stadt laufen.

Der Protest gegen Pistolen auf dem Campus ist nur ein Motiv für den Protest: Die Initiatorin Jessica Jin kritisiert auch die altertümliche Sexualmoral. Laut Uni-Satzung ist es verboten, "obszöne" Gegenstände zur Schau zu stellen, dafür droht eine Strafe von bis zu 500 Dollar. Dildos sind in den Augen der prüden texanischen Politikern gefährlicher als Waffen.

Seit Jin bei Facebook zum "Campus (DILDO) Carry" eingeladen hat, sind 7000 Zusagen eingegangen - ob all diese Menschen wirklich in einem knappen Jahr mit Sexspielzeug durch Austin spazieren werden, ist ebenso fraglich wie für die Sache irrelevant. Mit der Aktion, die in Anspielung auf die beliebte österreichische Pistole Glock #CocksnotGlocks heißt, hat die 24-Jährige ein enormes Echo ausgelöst.

Morddrohungen gegen die Initiatorin

Die Reaktionen schwanken zwischen Begeisterung und harscher Kritik; Jin hat allerdings sogar schon Morddrohungen erhalten. "Manche Leute fühlen sich unglaublich beleidigt. Sie wollen mich wegen eines Dildos töten", sagt Jin dem Houston Chronicle. Jin findet diese Attacken "absurd und etwas beunruhigend", doch sie hofft auf eine konstruktive Debatte und betont: "Die meisten, die mir schreiben, wollen helfen." Jin hatte die Aktion auch aus Wut gestartet, weil erst in der vergangenen Woche ein Student bei einer Schießerei an der Texas Southern University getötet wurde.

In den Kommentaren auf der "Campus (DILDO) Carry"-Facebook-Seite spiegelt sich die emotional geführte US-Debatte rund um Waffenbesitz wider, die nach einer Schießerei immer wieder aufflammt (Hintergründe hier). Auch nach dem jüngsten Amoklauf in Oregon mit zehn Toten bleiben die Argumente gleich: Kritiker verweisen darauf, dass viel mehr US-Bürger bei Schießereien sterben als durch Terroranschläge und dass fast jede zweite Waffe, die sich in Privatbesitz befindet, einem Amerikaner gehört.

Die Befürworter des Second Amendment, das den privaten Waffenbesitz garantiert, zitieren hingegen Studien, wonach bewaffnete Zivilisten dafür sorgen, dass bei Schießereien angeblich weniger Menschen sterben. Dies deckt sich mit Argumenten der Waffenlobby NRA, die seit langem mehr Waffen in Schulen und Unis sehen will, und deren Chef gern sagt: "Der Einzige, der einen bösen Kerl mit einer Pistole stoppen kann, ist ein guter Kerl mit einer Pistole."

Andere verweisen darauf, dass der Holocaust nicht passiert wäre, wenn die deutsche Zivilbevölkerung bewaffnet gewesen wäre - oder schreiben hämisch in ihren Posts, dass ein Dildo wohl nicht geeignet wäre, um sich gegen einen bewaffneten Eindringling zu verteidigen. Aus dem Ausland, von Australien über England und Italien, erhielt Jin aber viel Zuspruch: Die Aktion sei so überzogen, dass sie dem einen oder anderen Waffenbesitzer womöglich deutlich mache, wie fehlgeleitet seine Argumente seien.

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