Basketball:Lehrjahr unter Monstern

Lesezeit: 3 min

Nach einem Intermezzo beim Bundesligisten Crailsheim ist Ole Sebald zurück beim MTSV Schwabing. Der 21-Jährige soll die Mannschaft in der vierten Liga führen. Seine Profi-Karriere hat er aber noch nicht aufgegeben

Von Matthias Schmid, München

Ein paar Sekunden nach der Schlusssirene griff Ole Sebald sich die Kiste mit den Wasserflaschen und räumte sie weg. Genauso wie die Stühle, auf denen seine Mitspieler vom MTSV Schwabing und er gerade noch während des Regionalliga-Spiels gegen Herzogenaurach Platz genommen hatten. Alle packen mit an: Trainer, Betreuer, Spieler. In Crailsheim hatte Sebald das anders gekannt. Beim Basketball-Bundesligisten waren die Jugendspieler für die Aufräumarbeiten zuständig. "Wir sind auch vor dem Spiel als letztes bandagiert worden", erzählt Sebald. Er war der Wasserträger, der Rookie, der Frischling.

Es gehört zu den Usancen des Mannschaftssports, dass sich Neulinge erst einmal hochdienen, sich Respekt verschaffen müssen. "Ich wusste, dass das auf mich zukommen würde", betont der 21-Jährige. Es waren auch nicht diese in Profimannschaften institutionalisierten Rituale, die ihn nach nur einem Jahr in der Basketball-Bundesliga zurück in den Amateursport, zu seiner alten Mannschaft nach Schwabing in die vierte Liga geführt haben. Er hatte andere Gründe. "Ich habe mich nicht mehr wohl gefühlt und meine sportliche Perspektive gefiel mir nicht", sagt Sebald.

In Aktion: Ole Sebald während seiner Zeit als Rookie in Crailsheim. (Foto: imago/Eibner)

Vor einem Jahr war der Germeringer mit der Aussicht nach Crailsheim gewechselt, "regelmäßig bei den Profis spielen zu können". So lautete die Abmachung mit den Verantwortlichen. Der Alltag sah dann anders aus. Er durfte nur sieben Mal mitspielen, im Schnitt für fünf Minuten. "Und immer nur dann, wenn das Spiel bereits entschieden war", sagt Sebald.

Das war ihm zu wenig. Der Aufbauspieler konnte immer nur kurz andeuten, dass er durchaus das Niveau für die Bundesliga mitbringt, dass sich aus ihm ein passabler Passgeber und Distanzwerfer entwickeln könnte, wenn man ihm nur die nötigen Minuten gewähren würde. Es war trotzdem keine verlorene Spielzeit, glaubt Sebald. Er habe viel gelernt, vor allem von den amerikanischen Mitspielern: "Das sind alles Monster." Sebald meint das als Kompliment. Die Profis aus dem Basketball-Mutterland haben ihm viel mitgegeben, von der Ballbehandlung bis zum richtigen Arbeitsethos. Dass noch etwas anderes als nur die Perspektivlosigkeit zum Abschied aus Crailsheim geführt hat, deutet er nur an. "Ich will die Crailsheimer nicht schlechtreden", sagt Sebald und zögert ein wenig, ehe er fortfährt: "Ich muss das Vertrauen spüren, um meine beste Leistung abrufen zu können."

In Schwabing sind sie dagegen alle froh, dass sie den verlorenen Sohn wieder bei sich haben. "Er wird den jungen Spielern sehr viel helfen können", sagt MTSV-Cheftrainer Robert Scheinberg, was lustig klingt. Sebald ist erst 21, aber trotzdem der Drittälteste im Team. Nur Moritz Wohlers und Kamillo Rosenthal sind Ü30. Sebald soll Präzision und Ruhe in die jüngste Mannschaft der Liga bringen. Wie er das tut, konnte man beim 94:43 gegen Herzogenaurach beobachten. Sebald schwingt sich nicht zum Alleinunterhalter auf, er nimmt sich zurück, versucht, den Ball laufen und die Mitspieler gut aussehen zu lassen. Nur wenn er es für nötig erachtet, zieht er in Höchsttempo zum Korb oder geht auf einen Dreier. "Ich muss nicht mit vielen Punkten auffallen", sagt Sebald. Gegen Herzogenaurach waren es sieben.

1 / 4
(Foto: Johannes Simon)

Entwicklung eines Aufbauspielers: Ole Sebald...

2 / 4
(Foto: Claus Schunk)

...als Nachwuchstalent beim MTSV Schwabing (hinten)...

3 / 4
(Foto: imago/Eibner)

...als Rookie in Crailsheim...

4 / 4
(Foto: Alessandra Schellnegger)

...und zurück beim MTSV.

Die Aussage erstaunt ein wenig, weil er in Schwabing auch um seine Rückkehr in den Berufsbasketball spielt. Er hat sich nicht völlig davon verabschiedet, er sagt: "Mein Traum lebt weiter." Doch seine Eltern haben ihm signalisiert, dass sie es gut fänden, wenn er sein Studium ernster nehmen und eigenes Geld verdienen würde. "Ich bin deshalb gerade dabei, mein Leben zu sortieren", sagt Sebald. Das klingt dramatischer, als es ist. Zum 1. Januar wechselt er das Studienfach und nimmt an der Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement das Studium der Sportökonomie auf. Die Fernuniversität macht ihn für den Fall der Fälle örtlich unabhängig. Doch weit weg zieht es Sebald nicht. Am liebsten würde er für einen bayerischen Klub in der zweiten Liga ProA auflaufen, die Auswahl ist nicht besonders groß, Nürnberg gehört beispielsweise dieser Liga an. Stress macht er sich wegen der künftigen Arbeitsstelle ohnehin nicht. "Ich lasse alles auf mich zukommen", sagt Ole Sebald. Nur eines schließt er aus: ein Engagement beim großen Nachbarn FC Bayern. Er sagt: "Ich habe den Klub schon als Kind gehasst wie die Pest."

© SZ vom 14.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: