New York Mets:Endlich kein Witz mehr

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Wehe, wenn er wirft: Steven Matz von den New York Mets gilt mit seinen erst 24 Jahren als besonders talentierter Ball-Schleuderer. (Foto: Kathy Willens/AP)
  • Wie nennt man einen Mets-Spieler mit einer Trophäe? Einen Dieb. Über die rekordverdächtigen Verlierer, die Metropolitans, wurden Scherze gerissen.
  • Doch nun trumpft das Baseball-Team aus Queens plötzlich auf.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist schade, dass Jon Stewart nicht mehr die Satiresendung The Daily Show moderiert: Wie sarkastisch hätte er die Fernsehdebatte der demokratischen Präsidentschaftskandidaten am Dienstagabend kommentiert, wie bissig wäre er mit dem Abgas-Skandal von Volkswagen umgegangen? Vor allem aber: Was würde er über die New York Metropolitans sagen? Die spielen gerade gegen die Los Angeles Dodgers um den Einzug ins Halbfinale der nordamerikanischen Baseballliga MLB, an diesem Donnerstag findet in Los Angeles die entscheidende fünfte Partie statt.

Es wäre eine ungeheuerliche Untertreibung, Stewart als Anhänger der Mets zu bezeichnen. Er selbst behauptet, den Klub seit der Gründung im Jahr 1962 innig zu lieben - obwohl er erst in jenem Jahr zur Welt kam. Stewart durfte zwar bislang zwei Meisterschaften (1969, 1986) bejubeln, doch meist gibt er den melancholischen Masochisten, dessen Herz am Ende jeder Saison gebrochen wird.

Wie nennt man einen Mets-Spieler mit einer Trophäe? Einen Dieb

Es gibt zahlreiche Witze über den Klub und seine Fans, viele davon hat Stewart erzählt. Etwa den: "Wie nennt man einen Mets-Spieler mit Trophäe? Einen Dieb." Oder den: "98 Prozent der New Yorker lieben einer Studie zufolge ihr Leben - die anderen sind Mets-Fans."

Das sind die Mets, die liebenswerten Loser aus Queens, für die sich außerhalb des New Yorker Stadtteils kaum jemand interessiert - was sogleich zum nächsten bösen Witz führt, nach dem die US Open im benachbarten Billy-Jean-King-Center innerhalb von zwei Wochen mehr Zuschauer anlocken würde als die Mets in einer kompletten Spielzeit. Nun, in dieser Saison wollten mehr als 2,5 Millionen Menschen die 81 Heimspiele sehen, zum Tennis kamen doch nur knapp 800 000 Besucher.

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Das gesteigerte Interesse liegt daran, dass der Klub regelmäßig gewinnt, was kaum jemand für möglich gehalten hatte, der sich für diese Sportart interessiert. Zu Beginn dieser Spielzeit galten die Mets als Versprechen auf die Zukunft, keineswegs aber als gegenwartstauglich. Jacob deGrom, 27, Matt Harvey, 26, Noah Syndergaard, 23, und Steven Matz, 24, wurden als die wohl talentierteste Werfergruppe der gesamten Liga gefeiert, die irgendwann Erfolge würde feiern können, für die aktuelle Saison galten sie jedoch als zu unerfahren. Der Rest des Kaders wurde als spannende Mischung gehandelt aus begabten Jungspunden wie Michael Conforto, 22, und Ruben Tejada, 25, sowie abgehalfterten Veteranen wie Bartolo Colón, der im Mai seinen 42. Geburtstag feierte.

Was hätte Manager Sandy Alderson mit einem Budget von 99 Millionen Dollar schon anderes anstellen sollen, als diesen Kader zu basteln? Zum Vergleich: Der aktuelle Gegner in der Ausscheidungsrunde, die Dodgers, bezahlen ihren Akteuren 227 Millionen Dollar. Alderson stellte eine Mannschaft zusammen, die wohl wie in jeder Saison seit 2008 mehr Spiele verlieren als gewinnen würde. Und am 24. Juni sah es mit einer Bilanz von 36:37 tatsächlich nach einer weiteren unterdurchschnittlichen Spielzeit aus. "Es erinnert mich daran, was ich 2006 mit den Detroit Tigers erlebt habe", sagt Curtis Granderson, 34, der mit den Tigers damals die World Series erreicht hat: "Junge Leute, die keine Ahnung hatten, was die Zukunft bringen würde. Es gab jedoch diese zwei, drei Haudegen, die den Weg vorgaben."

Diese Haudegen standen den Mets erst von der Saisonmitte an zur Verfügung: Alderson verpflichtete die erfahrenen Schlagmänner Yoenis Cespedes und Juan Uribe, dazu hatten David Wright und Michael Cuddyer ihre Verletzungen überstanden. Die Mets gewannen aufgrund ihrer explosiven Offensive zahlreiche Partien. Bei der letzten Sendung von Stewart am 6. August lagen sie auf dem ersten Rang in ihrer Division, der National League East. Stewart saß zunächst mit Selbstmitleidsblick an seinem Schreibtisch. Dann blickte er auf die Tabelle und jubelte, als hätte der rechtskonservative Nachrichtensender Fox News den Betrieb eingestellt oder die Mets bereits den Titel gewonnen.

"Der perfekte Typ für diese Situation"

Zunächst einmal hat der Klub die Playoffs erreicht und sich bislang gegen die Dodgers ordentlich verkauft. Ach was: Sie können diese Serie auch gewinnen, zumindest glauben sie daran. Auf dem Wurfmal wird deGrom stehen, er tritt gegen Zack Greinke an, einen der besten Werfer dieser Saison. Und es spricht für das Selbstbewusstsein der Mets, dass sie sich nicht nur bei den Schlagmännern, sondern auch bei diesem Duell im Vorteil sehen. "Er war die komplette Saison über herausragend", sagt Cespedes: "Er ist der perfekte Typ für diese Situation: Er ist nie nervös, er geht einfach raus und wirft den Ball. Solche Kerle braucht es in den Playoffs."

Jon Stewart war bei den Playoff-Heimspielen im Stadion. Es heißt, dass er am Donnerstag nach Los Angeles fliegen möchte. Die Mets sind endlich kein Witz mehr, sie können zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder die World Series erreichen. Sollten sie gegen die Dodgers gewinnen, träfen sie im Halbfinale auf die Chicago Cubs, die am Dienstag ihre Serie gegen die St. Louis Cardinals beendeten. Die Cubs konnten den Titel seit 1908 nicht mehr gewinnen. Aber das ist eine ganz andere Geschichte. Auch zu ihr gibt es einen Stewart-Spruch: "Wer ist ebenso dumm wie Menschen, die im Zoo den Tiger streicheln, mit Babys debattieren oder auf dünnem Eis hüpfen? Cubs-Fans. Die haben in mehr als 100 Jahren noch immer nicht kapiert, dass sie niemals gewinnen werden."

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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