Landrat zur Aufnahme von Flüchtlingen:"Wir können nicht mehr"

  • Aufnahmestopp für Flüchtlinge oder nicht? Ministerpräsident Seehofer schließt das für ganz Bayern aus.
  • In grenznahen Gebieten könnte das aber trotzdem Realität werden - weil die Aufnahmekapazitäten bald erschöpft seien, wie der Chef des Landkreistags warnt.

Von Wolfgang Wittl

Was Seehofer zu einem Aufnahmestopp sagt

Ein Aufnahmestopp für Flüchtlinge? In ganz Bayern? Und das sogar sofort, wie am Mittwoch spekuliert wurde? In aufgeheizten Zeiten wie diesen reichen manchmal bereits kleine Indizien, um große Schlagzeilen zu produzieren. Die Wirklichkeit sah so aus: Kommunalpolitiker aus den Grenzgebieten zu Österreich waren am am Mittwochabend mit Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verabredet, um ihn davon in Kenntnis zu setzen, dass ihre Landkreise und Städte mit den Kräften am Ende seien.

Seehofer stellte schon vor der Zusammenkunft klar: Einen generellen Aufnahmestopp für den Freistaat werde es nicht geben. Dennoch könnte er zumindest in Teilen Bayerns schon bald Realität sein.

Für Christian Bernreiter (CSU), den Präsidenten des bayerischen Landkreistags und Landrat von Deggendorf, ist es nur eine Frage von Wochen, bis das Aufnahmesystem in den Grenzlandkreisen kollabiert. "Wir können nicht mehr", sagt Bernreiter. Landräte und Oberbürgermeister von Passau bis Traunstein sehen das ähnlich.

An dem Krisentreffen im Deggendorfer Landratsamt, zu dem auch Innenminister Joachim Herrmann, Sozialministerin Emilia Müller (beide CSU) sowie die Regierungspräsidenten von Nieder- und Oberbayern geladen waren, ging es um die Frage: Was tun, wenn die Grenzlandkreise keinen Zufluchtsuchenden mehr aufnehmen? Schon jetzt spielen Landräte mit dem Gedanken, den nächsten Flüchtlingsbus vor das Kanzleramt nach Berlin zu schicken.

Welche Szenarien denkbar sind

Bernreiter betonte auf dem dreistündigen Treffen in Deggendorf, die Plätze für die Unterbringung würden selbst dann nicht reichen, wenn man alle Schulturnhallen belegen würde. Bayern habe bis Ende August 120 000 Unterkunftsplätze geschaffen, die selbe Zahl müsste man bis zum Jahresende noch einmal aufbringen.

Seehofer sagte, er übernehme nicht die Verantwortung, die läge bei der Bundespolitik. Die Teilnehmer des Treffens forderten übereinstimmend, dass der Bund dringend weitere Plätze schafft, beispielsweise in dem er Bundeswehrkasernen öffnet und bundeseigene Grundstücke schleunigst nach bestehenden Vorbildern in Fertigbauweise bebaut. Auch die Kirchen müssten sich verstärkt einbringen, etwa Flüchtlinge in Pfarrsälen unterbringen.

Was, wenn die Landkreise sich weigern?

Tatsächlich sind Landratsämter zur Übernahme staatlicher Aufgaben verpflichtet, sie müssen also die ihnen zugewiesenen Asylbewerber aufnehmen. Aber was, wenn sie sich einfach weigern? "Wir müssen das managen", sagte Seehofer vor dem Gespräch - und kündigte Hilfe an.

Denkbar sind folgende Szenarien: Die Staatsregierung setzt durch, dass Flüchtlinge aus den ost- und südostbayerischen Gebieten in weniger beanspruchte bayerische Landkreise - oder sogar in andere Bundesländer gefahren werden. Auch eine Verteilung in Bundeseinrichtungen ist möglich, etwa in die unlängst auf dem Bundeswehrgelände in Feldkirchen bei Straubing errichtete Zeltstadt. Dort sollen aber nur 200 der derzeit 2000 Plätze winterfest sein.

Auch München soll wieder stärker eingebunden werden. Wenn es in den Grenzgebieten so weitergehe wie bisher, bestehe die Gefahr, "dass alles auseinanderknallt", heißt es aus Regierungskreisen. Seehofer sagt: "Wir machen unsere Hausaufgaben, aber unsere Kraft reicht nicht aus."

Im Landkreis Deggendorf mussten wegen einer Fliegerbombe vor Kurzem mehr als 1000 Menschen ihre Wohnungen verlassen. Ob ein Ausweichquartier wie in diesem Fall auch in zwei Wochen noch zur Verfügung steht, wird im Landratsamt bezweifelt.

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