Fine Dining im Bistro-Pub:Ungleiche Schwestern

Stockholms Sterneköche fahren zweigleisig: Eine Tür weiter bieten die Chefs in den "Bakficka"-Restaurants gute, schwedische Küche zu günstigen Preisen.

Von Silke Bigalke

In der Küche des Speceriet riecht es schon morgens nach frisch gebackenem Brot und nach Lammbraten. Jacob Holmström fängt früh an, im Speceriet gibt es nicht nur Dinner, sondern auch mittags etwas Warmes. "Wir sind hier etwas entspannter, hier geht's noch mehr um den Spaß", sagt Chefkoch Holmström und zeigt stolz den Ofen für das hauseigene Brot vor. Das Brot backen sie jeden Tag frisch und zwar gleich für zwei Häuser, denn direkt nebenan hat Holmström noch ein Restaurant.

Dort drüben, sagt der Koch und deutet auf die Wand zum Nachbarrestaurant, das sei wie ein großes Kreuzfahrtschiff, schwierig zu steuern. "Da muss man jedes kleine Detail genau kennen, um es überhaupt zu bewegen." Hinter der Wand liegt das Gastrologik, in Stockholm eine kleine Berühmtheit, mit der sich Holmström und sein Partner einen Michelin-Stern verdient haben. Dort servieren sie abends bis zu 20 Gänge in vorgegebener Menüfolge, alle Zutaten sind zu 100 Prozent schwedisch, alle sorgfältig ausgewählt. Etwa 1300 Kronen, 140 Euro, zahlt jeder Gast für das Menü, Getränke nicht inbegriffen, Reservierung unbedingt erforderlich.

Es gibt zwar Schnitzel, Burger und Bier, aber auch Lachs, Kabeljau oder Kalix-Kaviar

Im Speceriet dagegen geht es locker zu. Man kommt einfach vorbei, hofft auf einen freien Platz an einem der großen Tische und wählt aus einer kleinen Karte, die ständig wechselt. Heute gibt es beispielsweise Lamm für umgerechnet 23 Euro und gegrilltes Hähnchen für 17 Euro, eine Spezialität des Hauses. Neben dem Edelrestaurant für Gourmet-Touristen soll das Speceriet ein Bistro für die Nachbarschaft im Stadtteil Östermalm sein.

Essen vom Sternekoch, das man sich leisten kann - in Stockholm ist das in den vergangenen zwei, drei Jahren zum Trend geworden. Neun Restaurants mit ein oder zwei Michelin-Sternen gibt es in der Stadt, die meisten von ihnen haben ein Schwesterrestaurant wie das Speceriet. "Bakficka" nennen die Schweden diese Lokale: Hintertasche. Für die Köche sind sie ein Weg, dem fest gesteckten Rahmen ihrer Fine-Dining-Küchen zu entkommen und für eine größere Zielgruppe zu kochen. Da können sie auch mal etwas Deftigeres auf den Tisch bringen, wie die Lammkeule im Speceriet, das Schnitzel im Flying Elk, das Schweinekotelett im Oaxen Slip. Gleichzeitig scheint in der Bakficka auch immer der Chefkoch durch, und mit ihm die feine Nordic Cuisine: gute, regionale Zutaten ohne zu viel Drumherum.

"Wir wollen nicht, dass die Leute hierher kommen um eine billigere Version des Gastrologik zu haben", sagt Holmström über das Speceriet. Er versucht daher, den Stil der beiden Restaurants möglichst unterschiedlich zu halten. Wenn er aber an das Essen denkt, dann gesteht er, kann er schwer trennen, "schließlich kocht man immer auf dieselbe Weise, mit dem selben Gefühl für die Gerichte".

Im Flying Elk, zwei U-Bahn-Stationen entfernt vom Speceriet in der Altstadt gelegen, bemüht man sich um einen noch größeren Kontrast zum dazugehörigen feinen Restaurant Frantzén. Björn Frantzén ist einer der bekanntesten Köche Schwedens und erfüllte sich 2013 mit dem Flying Elk den Traum vom eigenen Pub. Er liegt auf der anderen Straßenseite gegenüber seinem Sternerestaurants, und erst kürzlich hat Frantzén mit Jim Löfdahl einen seiner engsten Mitarbeiter aus der Gourmet-Küche rüber in den Pub geschickt. "Ich liebe alles am Fine-Dining", sagt Löfdahl. Doch es sei eben auch interessant, "gutes Essen für eine größere Gruppe zu kreieren".

Die Arbeit im Flying Elk, das deutlich größer ist als das Restaurant Frantzén, nimmt er als Abwechslung. Auch wenn die Form der Gerichte auf beiden Seiten der Altstadtgasse sehr verschieden ist, so arbeite er doch "immer noch mit demselben Gaumen", sagt Löfdahl. Zudem schaue Frantzén regelmäßig im Pub vorbei, wobei man über die Bezeichnung Pub streiten kann. Es gibt zwar Schnitzel, Burger und 90 Sorten Bier im Flying Elk. Doch die Gerichte zeigen auch viel von Skandinavien: Lachs, schwedischer Hummer und Kabeljau stehen auf der Karte. Sehr beliebt, sagt Löfdahl, sei der Kaviar aus dem schwedischen Kalix - Maränenrogen - als Vorspeise. Hauptgerichte kosten zwischen 20 und 45 Euro. Ein Vergleich: Das 14-Gänge-Menü nebenan kostet fast 270 ohne Getränke.

Schweden

Informationen: Speceriet: speceriet.se, The Flying Elk: www.theflyingelk.se, The Slip: oaxen.com/slip

(Foto: sz)

Ungefähr zeitgleich mit dem Flying Elk hat in Stockholm ein weiterer prominenter Koch eine Bakficka direkt neben seinem Zwei-Sterne-Restaurant eröffnet. 17 Jahre lang lag das Oaxen Krog auf der gleichnamigen Insel im Süden von Stockholm. Den Umzug in die Hauptstadt haben Chefkoch Magnus Ek und seine Frau Agneta Green genutzt, um ein Bistro mitzueröffnen, das Oaxen Slip. Bistro und Restaurant haben sie in einer alten Werft am Rand der Museumsinsel Djurgården unterbracht, direkt am Wasser, abseits des Zentrums.

Im Slip hängen alte Boote über den Köpfen der Gäste von der hohen Decke, alles hier ist Second Hand, kein Stuhl passt zum anderen. Sogar die Teller sind alle verschieden und passen doch zusammen. Agneta Green geht es ums Recyceln, um Nachhaltigkeit und organisches Essen, aber auch um guten Stil. 75 Gäste haben im Slip Platz, die Karte skandinavisch. Gegrillter Steinbutt ist ein beliebtes Gericht, ebenso der halbe, geröstete Schweinekopf. Man kann ein ganzes Kaninchen für mehrere Personen bestellen, oder einen kompletten Rehrücken. "Wir mögen die Idee, zu teilen, so wie man es zu Hause tun würde", sagt Green.

Durch das Bistro gelangt man zum Fine-Dining-Restaurant, das hinter einer mit Leder verkleideten Tür liegt, um die Lautstärke von draußen zu dämpfen. 30 Gäste passen in den Raum, der mit Holz an Decke und Wänden warm und gemütlich wirkt. Die Küche ist offen, man kann durch sie hindurch bis in die separate Küche des Slip sehen. "Im Fine-Dining-Restaurant hat man keine Stammgäste", begründet Green die Entscheidung für das Slip. Es soll die Stockholmer nach Djurgården locken.

"Man kann selbst wochentags ausgehen, zum Spaß. Es muss nicht weh tun," sagt ein Chef.

Für Jacob Holmström in Östermalm hat sich die Bakficka ausgezahlt. Obwohl das Speceriet - anders als beim Slip - noch kleiner ist als das noble Schwesternrestaurant, kommen 100 bis 120 Gäste am Tag. "Der Fokus richtet sich mehr und mehr auf diesen Typ Restaurant, vor allem in Stockholm", sagt Holmström. In der schwedischen Hauptstadt habe es vorher eine große Lücke in der Gastronomie gegeben, nach den teuren Spitzenküchen kam lange nichts. Holmström ist 2007 nach Stockholm gezogen. Damals habe er nicht spontan abends mal essen gehen können, nicht bei den Preisen. "Heute ist es bezahlbarer, man kann selbst wochentags ausgehen, zum Spaß. Es muss nicht wehtun."

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