Flüchtlinge:Was beim EU-Gipfel beschlossen wurde

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Eine syrische Frau und ihre Tochter in einem türkischen Flüchtlingslager: Die Türkei soll Flüchtlinge in Zukunft stärker an der Weiterreise in die EU hindern. (Foto: Getty Images)
  • Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen stärker mit der Türkei zusammenarbeiten, damit weniger Flüchtlinge nach Europa kommen.
  • Die Grenzschutzagentur Frontex soll mehr Personal und mehr Befugnisse bekommen.
  • Viele Details bleiben aber weiterhin offen.

Von Ruth Eisenreich

Acht Stunden lang haben die Staats- und Regierungschefs der EU in der Nacht zum Freitag diskutiert. Was sie beschlossen haben - und welche Fragen noch offen bleiben.

Zusammenarbeit mit der Türkei

  • Beschlossen wurde grundsätzlich ein gemeinsamer Aktionsplan der EU mit der Türkei für die zwei Millionen in die Türkei geflüchteten Syrer. Die Türkei soll Flüchtlinge auf ihrem Gebiet besser versorgen, ihre Grenzen stärker überwachen und mehr durchgereiste Migranten zurücknehmen. Das Abkommen sehe vor, "dass die Flüchtlinge, die sich in der Türkei befinden, in der Türkei bleiben werden", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Wenn dies effizient genug geschehe, werde die EU im Gegenzug die Lockerung der Visa-Pflicht für türkische Staatsbürger beschleunigen. Auch soll wieder Bewegung in die stockenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei kommen.

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  • Noch offen ist, wie viel Geld die Türkei für ihre Mithilfe bekommt. Ankara forderte drei Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtlingen im Land. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, ihrer Ansicht nach sei das im vertretbaren Rahmen. Die Türkei habe schließlich für die Aufnahme von mehr als zwei Millionen Flüchtlingen etwa sieben Milliarden Euro ausgegeben. Am Sonntag fliegt Merkel zu Gesprächen nach Istanbul, dabei dürfte es laut Diplomaten auch um die Geldforderungen der Türkei gehen. Auch der Zeitplan für die Umsetzung des Aktionsplans ist laut Merkel noch offen. Die Frage, ob die Türkei auf die Liste sicherer Herkunftsländer gesetzt werden soll, wurde beim Gipfel ihr zufolge nicht näher diskutiert. Hier gilt aber eine Zustimmung der EU-Staaten als sicher.

Sicherung der Außengrenzen, Verteilung von Flüchtlingen und Abschiebungen

  • Beschlossen wurde, dass die EU-Grenzschutzagentur Frontex und das Europäische Asyl-Unterstützungsbüro EASO mehr Personal bekommen sollen. Frontex soll zudem das Recht erhalten, Migranten selbständig abzuschieben, wenn deren Aussichten auf Asyl schlecht sind, wie EU-Ratspräsident Donald Tusk nach Abschluss des Gipfels sagte. Migranten ohne gültige Pässe sollen künftig häufiger unter Verwendung eines speziellen EU-Passierscheins ("Laissez-Passer") abgeschoben werden. Außerdem will die EU enger mit Afrika zusammenarbeiten, um Migration zu verhindern.

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  • Noch offen bleibt, wie es mit dem Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge weitergeht. Die bisher vereinbarte Verteilung von 160 000 Flüchtlingen auf die EU-Staaten beruht auf einer einmaligen Regelung, ein dauerhafter Verteilungsschlüssel ist umstritten. Beim Thema Hotspots an den EU-Außengrenzen blieben ebenfalls noch viele Fragen offen. Und wie die konkrete Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten aussehen wird, soll erst bei einem EU-Afrika-Gipfel in Maltas Hauptstadt Valletta im November beschlossen werden.

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  • Beschlossen haben die EU-Chefs laut ihrer Abschlusserklärung, mehr Geld für das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und andere Programme für die Versorgung von Menschen außerhalb Europas auszugeben. "In den nächsten paar Wochen" solle das Geld zur Verfügung stehen.

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  • Noch offen ist, was das konkret heißt: Nähere Angaben finden sich in der Erklärung nicht. Bereits im vergangenen Monat hatten die Regierungen Hunderte Millionen Euro für syrische Flüchtlinge versprochen. Laut Juncker fehlen noch 2,35 Milliarden Euro. Merkel zeigte sich aber zuversichtlich, dass alle ihre Versprechen erfüllen. Die Sache sei schließlich dringend.
© SZ.de/dpa/ap/epd/reuters/rue - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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