Bad Windsheim:Flüchtlingspolitik spaltet die Grünen

Auftakt Grünen-Landesparteitag in Bayern

Die beiden Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter und Margarete Bause verfolgen die Debatten auf dem Landesparteitag der Grünen.

(Foto: dpa)
  • Die Grünen haben bei ihrem Landesparteitag die Flüchtlingspolitik von Ministerpräsident Horst Seehofer mit heftiger Kritik überzogen, aber auch über ihren eigenen Kurs gestritten.
  • Die Co-Landesvorsitzende Sigi Hagl wurde von den Delegierten für weitere zwei Jahre in ihrem Amt bestätigt.

Von Katja Auer, Bad Windsheim

Es ist schon viel und einhellig gegen Horst Seehofer und seine Flüchtlingspolitik gewettert worden an diesem Samstag, als die Kluft in der eigenen Partei doch noch aufbricht. Da loben sich die bayerischen Grünen auf ihrem Parteitag in Bad Windsheim einerseits als die einzige Partei, die wirklich für Flüchtlinge eintritt und das individuelle Recht auf Asyl noch hochhält. Andererseits stimmten einen Tag zuvor auch die Länderregierungen mit grüner Beteiligung für den jüngsten Asylkompromiss, der zwar mehr Geld für die Kommunen vorsieht, aber auch Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsländern erklärt und schnellere Abschiebungen möglich machen soll.

Ein Kompromiss, den die Landtagsabgeordnete Claudia Stamm nicht akzeptieren will. "Das ist ein Gesetz, das an die Grundrechte der Grünen geht", sagt sie und fordert den Parteitag per Antrag auf, die Verschärfungen abzulehnen - und damit auch die Entscheidung der Grünen-Bundestagsfraktion, die das Gesetz mitgetragen hatte. Halbherzig zwar, einigen Punkten stimmte sie zu, andere lehnte sie nicht ab. "Deshalb haben wir uns enthalten, weil wir konkret etwas machen wollten", begründet die Landesgruppenvorsitzende Ekin Deligöz die Entscheidung.

Das kann nicht jeder nachvollziehen an der Basis. Und so müssen sich in der Debatte jene erklären, die konkret Politik machen wollen vor jenen, die um die reine grüne Lehre fürchten. Wie Maria Kalin aus Passau. "Was für Werte wollen wir denn noch aufgeben?", fragt sie und erzählt von ihrer Arbeit als Anwältin für Asylrecht, bei der sie diese Politik täglich an der Basis verteidigen müsse.

Sie akzeptiere die Unabhängigkeit der Abgeordneten, sagt sie. Einerseits. Andererseits müssten sich die bayerischen Grünen nun klar gegen diesen Kompromiss aussprechen. Markus Rainer aus Gröbenzell nennt das Asylrecht "ein Kernstück" grüner Politik. Er kritisiert, dass sich die Bundestagsabgeordneten bei vielen Punkten enthalten hatten, zumal das Gesetz im Bundestag allein mit den Stimmen der Koalition hätte beschlossen werden können. "Es gibt Momente in der Politik, da muss man eine klare Kante zeigen", sagt er. Sich bei dieser Frage zu enthalten sei "völlig abwegig".

Am Ende reicht es knapp für die Realpolitik

Dieter Janecek, der frühere Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete, sieht das und verteidigt die Haltung der Fraktion. Er hält im Asylkompromiss weniger die Verschärfungen für entscheidend als vielmehr die Hilfestellungen. Kommunen bekommen künftig mehr Geld, und Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive sollen schneller integriert werden. Er warnt vor einer Arbeitsteilung: "Die in den Kommunen machen die Arbeit und wir in der Partei machen das reine Gewissen." Das beschädige die Glaubwürdigkeit der Grünen. Unterstützung bekommt er von der Landtagsfraktionschefin Margarete Bause: "Verantwortliche Politik zu machen heißt, sich auch in der Opposition immer so zu verhalten, wie ich mich verhalten würde, wenn ich in Regierungsverantwortung wäre", sagt sie. Den Anspruch, irgendwann in Bayern mitzuregieren, haben die Grünen.

Am Ende reicht es knapp für die Realpolitik. 135 Delegierten folgen ihren Mandatsträgern und lehnen Stamms Antrag ab, 123 stimmen zu, 13 enthalten sich ihrer Stimme.

Es sind diese Momente, in denen das Dilemma der Grünen besonders deutlich wird. Einerseits fürchten viele an der Basis, die Partei könne zu nah an die Positionen der Union heranrücken, andererseits bezeichnet etwa Fraktionschef Anton Hofreiter Kanzlerin Angela Merkel als Verbündete. "Es gibt nur uns", sagt er, auf Teile von Union und die SPD mit ihrem "Zickzackkurs" sei längst kein Verlass.

Die Gegner sind für die Grünen andere: Die CSU und Horst Seehofer. "Wer wie Sie wöchentlich Öl ins gesellschaftliche Feuer gießt, der muss wissen und der weiß, dass radikale Idioten an diesem Feuer ihre Brandsätze entzünden, um sie gegen Flüchtlingsunterkünfte zu werfen", sagt Landeschef Eike Hallitzky. Auch der Bundesvorsitzende Cem Özdemir wirft der CSU vor, mit ihrem "populistischen Zeugs" die Rechten stärker zu machen. Für solche Sätze gibt es viel Beifall in Bad Windsheim. Von allen.

Was die Grünen fordern

Auch bei ihrem Papier zur Flüchtlingspolitik sind sich die Grünen einig. Darin fordern sie - neben europäischer Solidarität, schnelleren Asylverfahren und mehr Geld für die Kommunen - einen bayerischen Aktionsplan, um Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren. "Die Menschen suchen bei uns Schutz und den müssen wir ihnen gewähren", sagt Margarete Bause. Transitzonen seien nur eine Scheinlösung. Die Grünen wollen weitere Ankunftszentren einrichten, wo Flüchtlinge rund um die Uhr versorgt, registriert und weitergeleitet werden können. Außerdem müssten die Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen verdoppelt werden. Dafür solle der Freistaat leer stehende Kasernen, Schulen und Krankenhäuser bereit stellen. Die Kommunen sollen verpflichtet werden, so viele Flüchtlinge aufzunehmen, dass es zwei Prozent ihrer Einwohnerzahl entspricht.

Der Aktionsplan sieht eine Offensive für den sozialen Wohnungsbau vor. Mindestens 50 000 neue Wohnungen seien nötig, damit keine Konkurrenz zwischen Flüchtlingen und anderen Wohnungssuchenden entstehe. 50 Millionen Euro fordern die Grünen, um 1000 Lehrer und mehr Fachpersonal einzustellen und die Bildung und Integration von Flüchtlingen zu fördern.

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