Freilassing:Hunderte demonstrieren gegen Rechtspopulisten

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Radikal: Auf der AfD-Demo waren nach Polizei-Einschätzung 20 Prozent aus der rechten Szene. (Foto: Christof Stache/AFP)

In Freilassing stellt sich ein links-bürgerliches Lager gegen eine Kundgebung der AfD, die gegen Flüchtlinge wettert

Von Lisa Schnell, Freilassing

Früher waren die Straßen in Freilassing nur zum Trachtenfest richtig voll und der Bahnhof auch eher ruhig. Jetzt ist die kleine Grenzstadt das Nadelöhr, durch das Tausende Flüchtlinge von Österreich nach Deutschland drängen. Am Bahnhof ist nun richtig was los und auf den Straßen demonstrieren Rechtspopulisten - wie diesen Samstag. Zwischen 800 und 1000 Demonstranten folgten dem Aufruf der Alternative für Deutschland (AfD), gegen die Asylpolitik der Kanzlerin zu protestieren. Etwa 600 weitere aus dem links-bürgerlichen Lager stellten sich ihnen entgegen. Beide Veranstaltungen verliefen friedlich.

"Die Zufahrt muss begrenzt werden", sagt Richard Kühne, Kreisvorsitzender der AfD im Berchtesgadener Land. Den Flüchtlingen, die jetzt ankommen, solle aber geholfen werden. Auf den Plakaten, die am Samstag in die Luft gehalten wurden, standen weniger moderate Sprüche. "Unser Land, unsere Regeln", war dort zu lesen oder "Bratfett statt Mohammed" - ein Spruch der auch Kühne zu viel ist. Etwa 20 Prozent seien eindeutig der rechten Szene zuzuordnen gewesen, sagt ein Polizeisprecher. "Nazis raus", skandierten die Gegendemonstranten, ein breites Bündnis von Caritas über den Bund Naturschutz, Helferkreisen und Gewerkschaften bis zu Grünen und SPD. Ein direkter Berührungspunkt zwischen den gegnerischen Gruppen sei bewusst vermieden worden, heißt es von der Polizei. Während die Rechtspopulisten vom Rathausplatz durch die Innenstadt zogen, hielten die Gegendemonstranten ihre Kundgebung in Sichtweite an der Rupertuskirche ab. Ein paar begleiteten den Demonstrationszug mit Pfeifkonzerten, den einheitlich weiß-blauen AfD-Plakaten hielten sie ihre bunten, selbst gemalten Transparente entgegen. Die Polizei meldet nur einen Zwischenfall: Ein Teilnehmer der AfD-Demonstration beleidigte eine Gegendemonstrantin mit Worten, die wiederzugeben der Anstand verbietet. Er hatte in seinem Rucksack Steine dabei. Er wurde vorübergehend festgenommen, bis die Demonstration zu Ende war.

Bernhard Zimmer von den Grünen und Mitorganisator der Gegendemonstration ist "sehr zufrieden, dass die Straße nicht den Rechtspopulisten überlassen wurde". Für eine "nicht besonders demonstrationserfahrene" Stadt wie Freilassing seien 600 Menschen, die überwiegend aus der Region kämen, eine beachtliche Zahl. Das breite Bündnis, das auch den vielen Helfern dankte, sei bestimmt nicht "kommunistisch" gewesen. Warum die CSU sich nicht beteiligte, kann Zimmer daher nicht verstehen. Die CSU-Kreisvorsitzende Michaela Kaniber hatte zuvor beide Demonstrationen kritisiert, da es bei ihnen "vorrangig um öffentlichkeitswirksame Positionierung und nicht um faktische Lösungen" ginge. Der Heimatzeitung sagte sie, dass ausgerechnet das vom Flüchtlingsstrom gebeutelte Freilassing für eine Auseinandersetzung herhalten müsse, empfinde sie als "Frechheit". Auch Bürgermeister Josef Flatscher (CSU) soll abgelehnt haben, auf der Gegendemonstration eine Rede zu halten. Dafür hatte er zuvor eine Pressemitteilung veröffentlicht, die einem Brandbrief ähnelt.

Das Verkehrschaos, ausgelöst durch die Grenzkontrollen, treffe die Bevölkerung "in Mark und Bein", heißt es darin und weiter: "Freilassing ist am Ende der Belastbarkeit." Eine Stadt mit 17 000 Einwohnern könne nicht jeden Tag bis zu 1500 Menschen aufnehmen. "Natürlich können wir das, wir tun es ja", sagt Zimmer von den Grünen. Die Stimmung würde auch nicht kippen, wie Flatscher schreibt. Vielmehr würden solche Reden rechtspopulistische Demonstrationen wie die der AfD "provozieren". Dass es davon noch mehr geben könnte in Freilassing, will Richard Kühne von der AfD "nicht ausschließen". Konkret sei noch nichts geplant, es kämen aber "sehr viele Anfragen".

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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