Bauprojekte:Was München gegen Wohnungsnot unternimmt

Neubau eines Wohnhauses in München, 2015

Bauarbeiten an einem Wohnkomplex in München.

(Foto: Lukas Barth)
  • München soll bis 2020 um mehr als 100 000 Einwohner wachsen, dazu kommen allein in diesem Jahr mehrere tausend Flüchtlinge.
  • Bezahlbarer Wohnraum ist inzwischen so dringend gefragt, dass der Druck auf die Politik wächst, so manche strenge Bauvorschrift abzuschaffen.
  • Die angespannte Lage hat einen positiven Nebeneffekt: die ersten Sonderbauprogramme sind bereits aufgelegt.

Von Silke Lode

München will kein Sonderbauprogramm für Flüchtlinge. "Das darf man auf keinen Fall machen", sagt Walter Zöller, der Wohnungsexperte der CSU. "Nein!", wehrt SPD-Stadtrat Christian Amlong eine solche Idee ab. Und auch Grünen-Fraktionschefin Gülseren Demirel meint: "Wir müssen unabhängig von den Flüchtlingen verstärkt bauen." Ganz egal, welcher Partei sie angehören, die Politiker treibt der gleiche Gedanke um: Sie wollen an diesem heiklen Punkt die hiesige Bevölkerung nicht gegen die Flüchtlinge ausspielen. Denn so, wie in anderen Regionen Deutschlands die Menschen Angst vor noch mehr Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt haben, sorgen sich viele Menschen in und um München vor allem um bezahlbare Wohnungen.

Von Angst ist in München wenig zu spüren, freiwillige Helfer begrüßen nach wie vor rund um die Uhr am Hauptbahnhof neu ankommende Flüchtlinge. Handlungsbedarf besteht trotzdem dringend, denn in den Gemeinschaftsunterkünften können Flüchtlinge nur bleiben, solange ihr Asylverfahren läuft. "So schnell geht das nicht, wir haben schon noch Luft zu planen", sagt Gülseren Demirel. "Aber sobald die positiven Bescheide da sind, haben wir als Stadt die Herausforderung, die Menschen unterzubringen."

Diese Herausforderung ist speziell in München groß, da man schon Probleme hat, den Wohnungsbedarf zu decken, der durch den regulären Zuzug entsteht. Allein bis zum Jahr 2020 soll München mehr als 100 000 Einwohner hinzubekommen - und das ist eine Prognose, die Flüchtlinge noch überhaupt nicht berücksichtigt. Wie viele Geflüchtete dauerhaft in München bleiben, vermag derzeit niemand zu sagen. Eine vorsichtige Schätzung des Sozial- und des Planungsreferats sieht so aus: Etwa 18 000 Flüchtlinge werden nach dem Königsteiner Schlüssel in diesem Jahr wohl nach München kommen. Und da erfahrungsgemäß 30 bis 40 Prozent einen positiven Asylbescheid bekommen, müsse man mit 6000 bis 7000 zusätzlichen Menschen rechnen. Es könnten aber auch deutlich mehr werden, denn viele von ihnen werden noch ihre Familie nachholen.

Die Aufgabe, die sich der Politik nun stellt, ist deshalb klar: Sie muss alles dafür tun, dass schnellstmöglich noch mehr Wohnraum geschaffen wird. Einige Wege, die anderenorts bereits beschritten werden, schließen in München alle Akteure kategorisch aus: Niemand will hier Privatleute enteignen, die ihre Immobilien leerstehen lassen. Niemand will Mietern in kommunalen Wohnungen kündigen, um stattdessen Flüchtlinge unterzubringen. Und auch Wohncontainer oder Häuser in einfacher und schneller Holzbauweise sind keine Lösung mehr: die Fachleute betonen, dass der Markt für solche Objekte europaweit leergefegt ist.

Doch es bleibt die Frage, wie der Wohnungsbau nun stärker angekurbelt werden kann. Aus der CSU kommt der Vorschlag, die Baustandards zu senken - eine umstrittene Forderung, die auch die Bauwirtschaft immer wieder erhebt, um schneller und billiger Wohnungen errichten zu können. "Die deutsche Idealvorstellung lautet: Wir bauen für die Ewigkeit. Das muss aber nicht sein", argumentiert CSU-Stadtrat Marian Offman. Als Vorbild nennt er die Maikäfersiedlung in Berg am Laim: "Da hatte auch nicht jeder in seiner Wohnung ein Bad, es gab einfache Fenster und Ölheizungen. Über so etwas müssen wir nachdenken", sagt Offman.

Gemeinsam mit seinem Fraktionskollegen Walter Zöller hat er ein Schnellbauprogramm beantragt, bei dem geltende Standards unterschritten werden sollen. Für Walter Zöller sind viele Vorschriften ohnehin "Schönwetterparagrafen": Sie seien nicht geeignet, um auf "unerwartete, dramatische Situationen zu reagieren". Ökologische Kriterien und Stellplatzvorschriften gehören in den Augen der CSU ebenso auf den Prüfstand wie Abstandsflächen, Lärmemissionen oder Brandschutzregeln. "Man muss alles durchforsten", fordert Zöller.

Christian Amlong, der Wohnungsbau-Fachmann der Rathaus-SPD, hält wenig von einer solchen Debatte. "Wir dürfen in München keine Substandards schaffen, wir brauchen den Wohnraum dauerhaft", sagt er. Für "einfache, kreative Wohnprojekte auf Zeit" sei er zwar im Einzelfall offen, sagt Amlong, und auch er will "mit der Vorschriftendichte runter". Aber: "Es macht keinen Sinn, Wohnungen von minderer Qualität zu bauen, die wir in zehn bis 20 Jahren wieder ersetzen müssen." Die SPD setzt stattdessen auf die städtischen Programme zum Wohnungsbau.

Vor wenigen Tagen erst hat der Stadtrat mit breiter Mehrheit ein Sonderprogramm beschlossen, mit dem speziell der besonders gefragte soziale Wohnungsbau ausgeweitet werden soll. 250 Millionen Euro wurden für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften bereitgestellt, GWG und Gewofag sollen damit bis zum Jahr 2026 mindestens 2500 zusätzliche Sozialwohnungen bauen. Fast noch einmal so viel Geld nimmt die Stadt für Grundstücke und Bargeldeinlagen in die Hand, die ebenfalls an ihre Wohnungsbaugesellschaften gehen. Auch die eigenen Bauziele hat der Stadtrat gerade erst nach oben korrigiert: 8500 Wohnungen sollen künftig jedes Jahr gebaut werden, Platz also für 20 000 Menschen. "Das reicht bei den derzeitigen Wachstumsprognosen auch für die Flüchtlinge, die hier bleiben", sagt Amlong.

Allerdings muss die Stadt ihre selbstgesteckten Ziele auch erreichen, über Jahre ist das speziell beim Wohnungsbau nicht gelungen. Dass sich dazu in der Verwaltung einiges ändern muss, wird quer durch alle Parteien bestätigt. "Beim Wohnungsbau sind bis zu vier Referate involviert, aber keiner hat die Entscheidungskompetenz. Deshalb dauern die Verfahren ewig", kritisiert Grünen-Politikerin Demirel. Sie wünscht sich, dass künftig das Planungsreferat die Federführung übernimmt - und hofft, dass damit jahrelange Planungszeiten endlich passé sind. Ansonsten sind die Grünen ziemlich auf einer Linie mit der SPD: "Anstatt lange Debatten über Standards zu führen, sollten wir lieber die Instrumente, die wir haben, optimieren", meint Demirel.

Ein anderer Vorschlag der Grünen zielt darauf ab, mehr im Umland zu bauen. Die Stadt darf sich jenseits ihrer Grenzen zwar nicht finanziell engagieren, doch ausgerechnet die Grünen hoffen da auf die Staatsregierung. Die hat gerade ein eigenes milliardenschweres Bauprogramm vorgestellt, mit dem 28 000 neue Wohnungen im ganzen Land entstehen sollen. "Wir hoffen, dass dabei auch geförderte Wohnungen im Münchner Umland entstehen", sagt Demirel.

Im Innenministerium, wo der "Wohnungspakt Bayern" entwickelt wurde, kann man über die Verteilung der Gelder noch nichts sagen, denn es komme darauf an, welche Kommune Unterstützung aus einem der drei Fördertöpfe beantrage beziehungsweise wo sich geeignete staatliche Grundstücke fänden. Eines steht jedenfalls jetzt schon fest: Die Staatsregierung scheut sich anders als die Münchner Stadtregierung nicht davor, ein Bauprogramm speziell für Flüchtlinge auszuloben. In den Augen des Innenministeriums stiftet man damit keinen Unfrieden - sondern das Programm sei schlicht "wichtig zur Bewältigung der Flüchtlingskrise."

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