Jazz e.V. Dachau:Spiel mit der Stille

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Ken Vandermaerk ist zurück. Das war für die Dachauer Jazzfreunde neben dem eigentlichen Konzert die wichtigste Botschaft. (Foto: Toni Heigl)

Saxofonist Ken Vandermark beeindruckt bei seiner vom Publikum ersehnten Rückkehr zum Jazz e.V. nach Dachau mit einer Musik voller Inspirationskraft. Die elektronischen Komponenten der Band Made to Break überzeugen nicht

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Das Jazz e.V.-Jahr 2015 begann in Dachau mit der Rückkehr des deutschen Saxofonisten Peter Brötzmann. Zum Auftakt des Jazzherbstes 2015 ist nun nach etlichen Jahren Ken Vandermark aus den Vereinigten Staaten zurückgekommen, der mit seinen Auftritten im früheren Café Teufelhart einst dazu beitrug, dass der Jazz e.V. als Veranstalter moderner Jazzkonzerte die Publikumsherzen gewann. Die Kulturschranne ist am Samstagabend bestens besucht. Programmkoordinator Axel Blanz kündigt die Band an. Wie immer versteht man ihn nicht. Doch man kann sich einigermaßen denken, was er erzählt: Die Jazz e.V.-ler haben beharrlich darauf hingewirkt, dass Vandermark wieder einmal in Dachau gastiert. Allein, dass er nun da ist und vertraut unprätentiös auf die Bühne steigt, ist ein Erfolg.

Irgendwie fühlt sich dieser Abend wie ein Comeback an - was Unfug ist, weil Vandermark ja keine Auszeit hinter sich hat, was rein auf Dachau bezogen aber zutrifft. Und man erwartet mit Spannung, welchen Eindruck er nach sechs Jahren, in denen man zum Beispiel halsbrecherische Auftritte des schwedischen Saxofonisten Mats Gustafsson erlebte, hinterlassen würde. Nun, die Bühnenpräsenz von Vandermark und seinem Ensemble Made to Break ist im Vergleich zum schwedischen Hansdampf deutlich reduzierter, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass Vandermark sich aufgrund von Knieschmerzen auf einem Barhocker niederlässt. Die vier Musiker - neben Vandermark am Tenorsaxofon und der Klarinette sind das Tim Daisy (Schlagzeug), Christof Kurzmann (Elektronik) und Jasper Stadhouders (Bass) - agieren meist fast stoisch, mit konzentriertem Blick ins Notenpult oder auf den Bildschirm zur Steuerung der Elektronikeffekte. Das passt nicht immer zur häufig eigentlich ekstatisch klingenden Musik, ja, es trübt mitunter die Klangwirkung ein.

Trotzdem kommt die Inspirationskraft aus dem Augenblick heraus zum Tragen. Das zeigt sich nicht zuletzt bei den wunderbaren Soli, die Schlagzeuger Daisy und Bassist Stadhouders beitragen - mit virtuoser Instrumentenbeherrschung und hervorragendem Ohr für Dramaturgie, welche die fast vollkommene, innige Stille ebenso mit einbezieht wie das furios Entfesselte. Stadhouders ist dabei, neben Vandermark, der entscheidende Musiker dieses Konzerts: Zu Beginn erzeugen Vandermark, Daisy und Kurzmann ein dichtes Gewebe einander umschlingender Klänge, durchaus spannend in seinen schwer fasslichen Konturen. Dann setzt Stadhouders mit dem Bass ein - und die Musik erhält Puls und Struktur. Er spielt eine jener mächtigen Rickenbacker-Bassgitarren, wie man sie insbesondere von Motörhead-Chef Lemmy Kilmister kennt. Doch Stadhouders erzeugt damit kein brachiales Inferno, sondern reduziert seinen Basspart meist auf geradezu spartanische Ostinati, die er mit dem Plektrum kräftig akzentuiert unter den Ensembleklang schiebt. Vandermarks massive Linien entfalten auf diesem Fundament große Wucht.

Und die subtile Note, die die Dachauer Vandermark-Konzerte früher mit auszeichnete? Das versonnene Ausloten leiser Geräuscheffekte? Das gibt es auch zu hören: Dieses Ausdrucksmoment kulminiert in der Zugabe, in der sich die Musiker einzig der Klangcollage widmen, dient aber bereits zuvor in den weit gespannten Kompositionen als Ruhepol und Ausgangspunkt umso wirkungsvollerer Klangverdichtung. Dass Kurzmann mit seinen feinsinnig modellierbaren Elektronikklängen zu den impressionistischen Flächigen gut beitragen kann, liegt auf der Hand. Immer wieder entstehen daraus herrliche Effekte: zum Beispiel, wenn er Saxofonklänge von Vandermark sampelt und diese Samples dann wiederum mit Vandermarks Instrument in Zwiesprache kommunizieren lässt.

Allzu oft wirkt das, was Kurzmann beisteuert, im Gesamtklang nicht schlüssig oder gar verzichtbar. Am Ende beschleicht einen das Gefühl, dass dieses Konzert sehr gelungen ist, dass man aber die meisten Ausdruckskomponenten daraus beim Jazz e.V. schon intensiver und stimmiger gehört hat.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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