Linksaußen:IG Markt und Wert

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Über den Wert von Menschen und Profisportlern.

Von Johannes Schnitzler

Was kostet ein Mensch? Hypothetische Frage, klar. Entgegen dem gesellschaftlichen Konsens, dass ein komplexes, womöglich göttlich-animiertes Geschöpf finanziell nicht zu taxieren ist, sucht eben dieser Mensch seit jeher genau dafür eine Formel: Was bin ich wert? Und wenn ja, wie viel? Herausgekommen sind dabei so schöne Bräuche wie der Sklavenhandel und der Kamelhandel, vulgo: Mitgift, Tarifverhandlungen, Korruption und Schadenersatzansprüche. Die Studie "Kompensatorische Lohndifferenziale und der Wert eines statistischen Lebens" (TU Darmstadt 2004) geht das Problem etwas elaborierter an. Der Autor ermittelt den Gegenwert für einen beschäftigten Mann mit 1,72 Millionen Euro, für eine beschäftigte Frau mit 1,43 Millionen. In den USA geht es noch differenzierter zu: Hier hat ein weißer Arbeitnehmer den Gegenwert von 15 Millionen Dollar, ein schwarzer hingegen nur 7,2 Millionen.

Hinweise, dass vor Gott zwar alle gleich, hienieden einige aber doch mehr wert sind als andere, gab es schon vorher. Den einen errichtet man Denkmäler. Den anderen Auffangzeltlager.

Die dritte Kategorie, die jüngste, sind Profisportler, und da fällt die Evaluation leicht: Für sie gibt es Transfersummen. Als Manchester United für den Münchner Thomas Müller kürzlich 100 Millionen in Aussicht stellte, antwortete Müller, bekanntlich der schlauste Narr am Hof des FC Bayern: "Es ist grundsätzlich verrückt, welche Zahlen im Fußball herumgeistern. Aber das ist halt das Geschäft. Es ist ja nicht der Mensch, der 100 Millionen Euro wert ist, sondern bloß eine Handelssumme." Für die Profis Martínez und Costa zum Beispiel hat der FC Bayern zusammen die Handelssumme von rund 70 Millionen Euro investiert. Allein für deren Gehälter könnte man sich mehrere Beschäftigte, Männer und Frauen, schwarz und weiß, leisten. Verrückt. Als Kritik daran ist der Hinweis des Martínez-und-Costa-Freundes Guardiola aber wohl nicht zu verstehen. Der ökonomisch denkende Trainer sagte zur Grundsteinlegung für das neue Nachwuchszentrum des FC Bayern: "Das ist eine bessere Investition, als zwei Topspieler für viel Geld zu verpflichten."

Für 70 Millionen Euro errichtet der Branchenführer nun also auf 30 Hektar eine Akademie, an der die neuen Lahms, Schweinsteigers und Müllers promovieren sollen. In Leipzig bei Red Bull steht bereits so eine Farm. Auf sechs Hektar, traumhaft gelegen in einem Naturschutzgebiet, gibt es dort ein Internat für 50 Nachwuchskicker, ein "Zuhause, das seinesgleichen sucht" (RB-PR).

Asylbewerbern, die hier ein Zuhause suchen, stehen gemäß der bayerischen "Leitlinie zu Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften" (München 2010) übrigens sieben (in Ziffern: 7) Quadratmeter Wohnraum zu. Demnach müssten im FCB-Nachwuchszentrum 4285 Fußballer Platz finden. Aber das ist natürlich hypothetisch. Flüchtlinge, willkommen in unserer Wertegesellschaft.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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