Zorneding:"Dieses Stück muss leben"

Oliver Triendl

Oliver Triendl verschafft einem Komponisten aus Serbien und seiner Musik gebührende Aufmerksamkeit.

(Foto: privat)

Die Uraufführung von "Revolt" im Martinstadl erzählt eine aufwühlende Geschichte

Von Ulrich Pfaffenberger, Zorneding

In Serbien, so merkt Oliver Triendl im Gespräch nach dem Konzert an, ist es nicht gut bestellt um die sogenannte ernste Musik. "Wahnsinnig schwierig" sei die kulturelle Lage dort, fügt der Pianist und musikalische Leiter des Kulturvereins Zorneding-Baldham hinzu. Eine Komponistenszene "ganz ohne Förderung" suche fast schon verzweifelt nach Öffentlichkeit für ihre Arbeit - im eigenen Land. Ganz zu schweigen davon, international etwas zu tun, "dafür hat man keine Kraft."

Eine der wenigen Ausnahmen war zuletzt im Zornedinger Martinstadl zu hören, bei der Saisoneröffnung im Kammermusikzyklus 2015/16 des Kulturvereins. Denn ein Freund Triendls, der serbische Komponist Milan Mihajlovic, hatte in dessen Auftrag ein Stück komponiert, das an diesem Abend seine Uraufführung erlebte: "Revolt". Ein Werk, das von der inneren Rebellion gegen den gegenwärtigen Zustand kündet. Ein Stück, in dem es heftig zur Sache geht, das aufrütteln und nachdenklich machen soll, wie es sein kann, dass in einem Land mitten in Europa die klassische Musik ausgedörrt wird. Über die Tatsache, dass es sich um eine Widmungskomposition handelt, wollte Triendl dagegen gar nicht erst viele Worte machen. "Das kann man getrost vernachlässigen." Aber die Botschaft des inspirierten Werks für Klavierquartett und Horn, "die muss verstanden und weitergetragen werden. Dieses Stück muss leben."

Einer, der diese Botschaft auf die Lippen bekam, hat schon angekündigt, sie weitertragen zu wollen. Benoît de Barsony, ebenso filigraner wie beseelter Solist des Abends, will das Stück nach Paris bringen. Nicht zuletzt deshalb, weil es das Horn-Repertoire bereichert, wovon sich jeder im gut besuchten Saal nachhaltig überzeugen konnte. Denn Mihajlovic ist einer, der zwar die technischen Dimensionen ausreizt, der impulsiv und mit Leidenschaft den ganzen Künstler fordert - der aber nicht gegen das Instrument komponiert. Im Gegenteil: So kunstvoll muss man die Vorzüge eines Horns erst einmal zelebrieren.

Überhaupt hatte Triendl, der selbst mit einer ausdrucksstarken und tiefgründigen Interpretation am Piano überzeugte, wieder einmal mit kluger Hand ausgewählt, wer an diesem Abend konzertieren sollte. Er habe sie nach dem Gedanken ausgewählt, dass sie "neugierig" sein sollten auf die Werke dieses Abends, bereit die Ideen der Komponisten aufzugreifen und sie mit Leben zu erfüllen.

Neben Barsony demonstrierte Pascal Maraguès an der Klarinette, warum ein Mehta, ein Eschenbach oder ein Richter ihn für Solopartien bei ihren Konzerten schätzen. Esther Hoppe an der Violine und Razvan Popovici an der Viola erwiesen sich als aufmerksame, sich klug zwischen Innenwelt und Außenwelt bewegende Gestalter von Klangbildern und Rhythmen, feinsinnig und akzentuiert begleitet von Niklas Schmidt am Cello, der sich mehr als einmal als Träger der Flamme erwies, von denen die Stücke dieses Abends erhellt wurden. Als da waren - vom programmatischen Gedanken einer Reise "vom Orient zum Okzident" getragen: die Balkantänze von Marko Tajcevic, das Sextett op. 37 von Ernst von Dohnány, George Enescus "Aubade" sowie Franz Schrekers Ballett-Musik "Der Wind".

Nicht nur sein Ensemble erfreute Oliver Triendl an diesem Abend, auch dem Publikum wand er Rosen für dessen "Offenheit und aufrechte Haltung", die sich in höchster Konzentration und in einem von Freude geprägten Applaus äußerten. Der neue Kammermusikzyklus hat mit einer erstaunlichen Rarität begonnen, mit einem musikalischen Glücksfall - und einem Höhepunkt.

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