Schulen:Wie Spaenle die fehlenden Lehrer finden will

Flüchtlingskinder in der Schule

Vor allem die Grundschulen stehen durch die vielen Flüchtlinge vor einer enormen Herausforderung - Unterrichtsstunde in Margetshöchheim.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • An den bayerischen Schulen fehlen Lehrkräfte. Derzeit sind allein in Oberbayern 40 Beamtenstellen an Grund- und Mittelschulen unbesetzt.
  • Budget ist da, auch weil Lehrer für die Integration der Flüchtlingskinder gebraucht werden - doch das qualifizierte Personal fehlt.
  • Kultusminister Spaenle erwägt kreative und ungewöhnliche Lösungen.

Von Anna Günther

Bis zu 1700 Lehrerstellen aus dem Nachtragshaushalt sollen die Integration der Flüchtlingskinder ins bayerische Schulsystem möglich machen. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass es dafür nicht genügend Lehrer gibt. Trotz langer Wartelisten und Hunderten arbeitslosen Realschul- und Gymnasiallehrern sind in Oberbayern derzeit 40 Beamtenstellen an Grund- und Mittelschulen unbesetzt. Volksschullehrer gibt es auf dem Arbeitsmarkt keine mehr, sie alle wurden zum Schuljahresbeginn eingestellt. Die Schulen brauchen Hilfe, die Staatsregierung hat dem Kultusministerium 100 Millionen Euro Budget zur Verfügung gestellt. Nur: Diese Lehrerstellen müssen erst einmal besetzt werden.

Angesichts des großen Lehrerbedarfs an den Grund- und Mittelschulen gibt sich sogar das Kultusministerium flexibel und lässt Realschul- und Gymnasiallehrer an die Volksschulen. Bisher existieren bayernweit 90 dieser Umqualifizierungsplätze. Dabei ist das dreigliedrige Schulsystem ein Heiligtum von Kultusminister Ludwig Spaenle. Er zeigt sich gelassen, die Wartelisten der fertig ausgebildeten Realschul- und Gymnasiallehrer seien lang und 2016 kämen neue junge Lehrer aus dem Referendariat. Doch der Großteil der Wartenden möchte keinen Job an den Volksschulen, und offensichtlich schon gar nicht in Oberbayern. Auf den Wartelisten stehen insgesamt 8000 Realschul- und Gymnasiallehrer. Wer für den Einsatz bereit ist, muss sich einmal im Jahr beim Ministerium rückmelden. Heuer taten das 3000 Pädagogen - und trotzdem sind noch 40 Beamtenstellen an Volksschulen in Oberbayern frei.

Die Situation ist jetzt schon angespannt

Diese müssen durch Springer der Mobilen Reserve besetzt werden, die dann als Einsatztruppe bei Krankheitsfällen fehlen - und die Erkältungsmonate haben gerade erst begonnen. Die Unterrichtssituation an den Schulen sei schon jetzt angespannt, sagt einer, der sich auskennt. Wahlfächer und Arbeitsgruppen könnten teilweise nicht mehr angeboten werden. Und die Kinder der Flüchtlinge, die in den vergangenen Wochen nach Bayern kamen, sind noch gar nicht in den Schulen. Erst nach drei Monaten kommen sie in die Klassen. Die Stabsstelle im Kultusministerium stellte schon zu Schuljahresbeginn 750 000 Euro für schnelle Hilfe zur Verfügung und im Januar folgen die 100 Millionen. "Aber wir haben einfach die Leute nicht", sagt Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands. Manche Realschul- und Gymnasiallehrer auf der Warteliste wollten halt nicht an Volksschulen unterrichten.

In den sechs anderen bayerischen Bezirken sind alle Stellen an Grund- und Mittelschulen besetzt. Das Problem liegt im System: Der Großteil der Lehrer wird in Nordbayern ausgebildet, im Süden aber werden sie gebraucht. So flexibel, wie die Politik sich das wünscht, sind die jungen Lehrer offenbar nicht. Jedes Jahr bleiben Jobs in Oberbayern unbesetzt, jedes Jahr telefonieren sich die Zuständigen im Ministerium die Ohren wund. Die Region um München ist vielen zu teuer oder zu weit weg von Freunden und Familie. Die Situation wird sich in den nächsten Wochen noch verschärfen. Im Januar müssen die ersten Lehrer bereitstehen. Bisher waren die auf kurze Zeit befristeten Verträge unattraktiv, die im Nachtragshaushalt beschlossenen Jobs sind bis 2019 angelegt und sollen Perspektive auf eine Verbeamtung bieten.

Kreative und passende Lösungen

Kultusminister Spaenle könnte sich auch vorstellen, Pensionisten zurückzuholen oder Sprachdozenten einzustellen. Sogar über den Einsatz von Lehramtsstudenten ohne Referendariat werde nachgedacht, sagt ein Experte. Im Dezember legen 500 angehende Lehrer für Grund- und Mittelschule ihr erstes Staatsexamen ab. Das Referendariat beginnt erst im September. So lange könne man aber nicht warten. Auch wenn diese Studenten ohne praktische Ausbildung als letztes Mittel gelten, ohne sie dürfte es kaum gehen. Zwar beenden im Februar 800 Referendare am Gymnasium ihre Ausbildung, nur weiß niemand, wie viele von ihnen in der Volksschule arbeiten wollen, zumal es dort weniger Gehalt gibt als am Gymnasium.

"Wir brauchen kreative und regional passende Lösungen. Paragrafenreiter können wir jetzt nicht brauchen", sagt Lehrerverbandspräsidentin Fleischmann. Ganz oben in der Regierung sei das angekommen, jetzt müssen aber alle mitziehen und helfen, geeignete Leute zu finden - auch die Schulen in den Kommunen, die Rathäuser, die Universitäten. "Vielleicht brauchen wir sogar eine PR-Kampagne", sagt sie. Wichtig sei nur, dass die Qualität der Bildung gewahrt bleibe.

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