FC Bayern vs. Khimki Moskau:Faltenfreie Sensation

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Mit Schmackes ein Zeichen gesetzt: Münchens Deon Thompson beeindruckt die Konkurrenz aus Moskau mit einem Dunking. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Die Basketballer des FC Bayern bezwingen in der Euroleague den Eurocup-Sieger Khimki Moskau mit 69:60. Nihad Djedovic brilliert und sorgt für eine frühe Führung - danach überzeugt die Defense.

Von Philipp Schneider

Svetislav Pesic fuhr sich mit der rechten Hand über die Stirn, dann schüttelte er das Gelenk flink durch im Stile eines talentierten Schlagzeugers. Tropfte da Schweiß zu Boden? Verständlich wäre es ja gewesen; auf der Anzeigetafel leuchtete ein erstaunlicher Spielstand auf, und darunter: eine Restspielzeit, die einem wie eine kleine Ewigkeit vorkommen kann . Einem Basketballtrainer zumindest: 67:58 für die Münchner stand es gegen den Eurocup-Sieger Khimki Moskau. 84 Sekunden musste der Trainer des FC Bayern noch ertragen, dann war die Sensation vollbracht: Mit 69:60 (45:31) gewannen die Münchner am Donnerstag ihr zweites Euroleague-Spiel gegen die favorisierten Russen.

Bryce Taylor war erstmals wieder dabei, der Kapitän, der wegen muskulärer Probleme in dieser Saison noch keine Partie absolviert hatte. Genau wie Vasilije Micic, der zumindest auf der Bank saß. Über ihn hatte Pesic neulich erst gesagt, Micic werde erst spielen, wenn er genesen sei. Sonst drohe die Gefahr, ihn "für lange Zeit zu verlieren". Mit Taylor gegen Moskau anzutreten, bedeute also: maximales Risiko von Pesic. Taylor war sogar Teil der Starting Five, was den Einsatz nicht verringerte.

Nach der 67:74-Niederlage bei Fenerbahce Istanbul zum Auftakt in der Euroleague, befanden sich die Bayern schließlich noch immer in Gruppe A. Jener Respekt einflößenden Ansammlung von europäischen Spitzenteams, wo neben Moskau und Istanbul blöderweise auch noch der aktuelle Euroleague-Champion Real Madrid, der serbische Double-Sieger Roter Stern Belgrad sowie der französische Meisterschaftszweite Straßburg anzutreffen sind. Am Ende müssten die Bayern mindestens Platz vier belegen, um in die nächste Runde vorzurücken, was sie als Minimalziel ausgegeben haben.

In dieser Saison hat Pesic' Mannschaft schon gegen Klubs verloren, gegen die sie nicht hätten verlieren müssen. Bonn etwa. Gegen Khimki indes darf man verlieren. Gegen die technischen Wirbelwinde aus Moskau könnten die Münchner froh sein, wenn sie nach 40 Spielminuten noch geradeaus schauen können. So dachte man. Dabei war Khimki vor zwei Jahren fast pleite. Drei Monate bekamen die Spieler damals kein Gehalt überwiesen, dann kam dem Klub der russische Oligarch Alischer Burchanowitsch Usmanow zu Hilfe: 174 Millionen Rubel investierte er, das Resultat dieser Zuwendung ließ sich am Donnerstag bewundern. In den ersten zwei Minuten.

Angetrieben von den NBA-erfahrenen Spielern Zoran Dragic und Alexey Shved legten die Gäste konzentriert los und fanden in James Augustine einen Abnehmer: Der Power Forward steuerte die ersten vier Punkte bei; die Münchner mussten sich zunächst an die Anwesenheit ihres schmerzlich vermissten Kapitäns gewöhnen. Sechs Minuten lang. Dann wussten sie wieder, wo Taylor anzutreffen ist. Und nach zwei Körben vom überragenden Nihad Djedovic (16 Punkte) erhöhte Taylor mit zwei Freiwürfen zum 6:4, der frühen Führung - die die Bayern bis Ende nicht mehr hergaben.

Eine launiges Spiel entwickelte sich, ein wunderbar ungestümes Hin und Her. Und Djedovic traf nach Belieben. Der Bosnier war ja noch nie einer, der im Rampenlicht des europäischen Spitzenbasketball hyperventilieren würde: Am Ende des ersten Viertels, mit dem Pesic (als Liebhaber des kontrollierten Spiels) sicher nur rechnerisch vollends zufrieden war, hatte sein Spieler schon zwölf Punkte - und die Bayern führten 22:16.

Als Schlüssel zum Erfolg indes sollte sich die Defense erweisen: Djedovic und Alex Renfroe fingen in der ersten Hälfte jeweils fünf Rebounds, davon je drei am eigenen Korb. Nach 13 Minuten hatte Khimki erst 18 Punkte erzielt, ein erstaunlich schlechter Wert war das für den Eurocup-Champion der Vorsaison. Den Russen gelang immer weniger. Sie stolperten. Bälle versprangen: Vor der Pause erlief sich Taylor einen Steal, er warf, der Ball rollte auf dem Ring entlang, von hinten flog Renfroe heran, stopfte ihn ins Netz. Die Halle tobte. 45:31 zur Halbzeit. Geschah das wirklich?

Und wild wie auf dem Rummel ging es weiter, mit unveränderten Rollen: Wenn Khimki traf, legten die Münchner nach. Der Vorsprung schmolz kurzzeitig auf neun Punkte. Doch an der Seitenlinie rückte sich Pesic eine noch immer faltenfreie Hose zurecht, nahm eine Auszeit. Und als es dann weiterging, traf K.C. Rivers per Dreier zum 58:46. Lässig irgendwie.

59:51, 59:53, die Bayern spürten Khimkis Atem im Nacken in den letzten zehn Minuten. Doch dann traf Djedovic, und auch Deon Thompson erhöhte: 63:55, 65:55, 67:55. "Timeout Khimki", brüllte der Hallensprecher. Zu spät. Khimkis Atem klang keuchend an diesem bemerkenswerten Abend im Münchner Westen.

© SZ vom 23.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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