Volleyball:Adel verpflichtet

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Pomp, Hymnen und nebenbei zwei Punkte: Der TSV Herrsching startet mit viel Brimborium und einem 3:2-Sieg gegen den Pokalfinalisten Lüneburg in seine zweite Bundesliga-Saison

Von Katrin Freiburghaus, Herrsching

Tradition ist ein großes Wort für einen Club, der sich zwar selbst als den geilsten der Welt (GCDW) bezeichnet, aber erst seit einer Saison in der deutschen Eliteklasse mitspielt. Trotzdem bewiesen Herrschings Bundesliga-Volleyballer beim 3:2 (25:22, 25:14, 23:25, 16:25, 15:12) zum Saisonauftakt gegen Lüneburg, wie man Tradition pflegt - sei sie nun lang oder kurz. Die Tribüne etwa, vermeldete der Hallensprecher, werde nicht einfach ausverkauft sein, sondern "bumsvoll". Der PR-Verantwortliche trug Equipment für Autogrammsammler herum, die zuvor vermutlich gar nicht gewusst hatten, dass sie Autogramme sammeln wollten. Und vor dem Einlaufen der Herrschinger rollte ein dunkelrot gewandeter König aufs Spielfeld, um die "Nationalhymne des GCDW" anzukündigen.

Zwei Damen hauchten selbige dann in bester Pop-Diven-Manier und ohne erkennbaren Druck durch etwaige Anpfiffzeiten ins Mikro, während sich die im Dunkeln auf dem Spielfeld geparkten Gäste erst amüsierten und später langweilten. Als die ganze Halle in die textlich überschaubar anspruchsvolle Hymne einstimmte, wirkten einige von ihnen, als wären sie auf der falschen Party gelandet. Der inszenierte Größenwahn gehört in Herrsching also auch im zweiten Erstliga-Jahr zum Marketingprogramm.

Ganz anders im sportlichen Bereich. Trainer Max Hauser betonte, dass das einzig seriöse Saisonziel für den finanzschwächsten Verein der Liga der Klassenerhalt sein könne. "Wenn wir weiter kommen und Meister werden, nehm' ich das auch", fügte er zwar lachend hinzu. Die Nervosität war dem 31-Jährigen während der ersten Spielminuten aber deutlich anzusehen: Beim Stand von 8:12 hatte er sich bereits sämtliche Haare zu Berge gerauft, nach dem Spiel sprach er von zwei gewonnenen Punkten, "ganz klar, gegen eine bockstarke Mannschaft".

Hauser mochte sich nach einer Vorbereitung voller Krankheits- und Verletzungsfälle ohne Testspielsieg nicht daran stören, dass sein Team den Vorjahres-Pokalfinalisten zwei Sätze lang nach Belieben dominiert und anschließend unnötig aufgebaut hatte. Herrschings wertvollster Spieler und Topscorer Daniel Malescha (25 Punkte) hatte eine Reihe beachtlicher Aufschlag- und Angriffsserien hingelegt, ehe die Gäste aus Lüneburg im dritten Durchgang die Annahme umstellten und zusätzlich von der Ineffektivität im Herrschinger Angriff profitierten. "Irgendwann spielen die dann eben mal, was sie können", fasste Hauser die Sätze drei und vier zusammen, in denen er von kurzen Wechseln abgesehen mangels Alternativen bei seiner Startaufstellung blieb.

Dass sich die Mannschaft im Tie-Break erholte und das Spiel noch verdient gewann, freute auch Zuspieler Patrick Steuerwald, den Hauser als "aggressiven Pol im Spiel" ausdrücklich lobte. "Logisch kann man drei Punkte gewinnen, aber wir haben am Ende Moral gezeigt", sagte der 29-Jährige. Zumal im Block noch viel Potenzial steckt: Mit Zugang Peter Ondrovic bestritt Steuerwald bisher zwei gemeinsame Trainingseinheiten, weshalb Angriffe über die Mittelposition praktisch nicht stattfanden. "Das könnte noch kommen", sagte Hauser, der sich bezogen auf den Leistungsstand seiner Mannschaft keinen Illusionen hingab: "Wir haben Luft nach oben, das geht den Gegnern aber genauso. Lüneburg hat in den ersten beiden Sätzen mehr Aufschlagfehler gemacht als letztes Jahr in vier Spielen."

Im Gegensatz zu Lüneburg kann es sich Hauser nicht erlauben, zur Spielmitte die halbe Mannschaft auszutauschen. Im Block gibt es derzeit überhaupt keine Alternative zu Roy Friedrich und Ondrovic, weil Michael Wehl nach einem Strecksehnenriss am Finger erst in der kommenden Woche wieder zum Training erwartet wird. Seinen vierten Mittelblocker Jan Wenke bezeichnet Hauser ohne Umschweife als "dauerverletzt" und hofft, im Dezember wieder auf ihn zurückgreifen zu können.

Mehr als der unnötig an Lüneburg abgegebene Punkt dürfte Hauser deshalb sorgen, was Gäste-Coach Stefan Hübner prognostizierte: "Wir werden viele enge Spiele auf diesem Niveau haben, eine breite Bank wird dieses Jahr wichtig." Breit genug war Herrschings Bank am Samstag, nur eben ziemlich leer.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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