Asylsuchende:Bundesregierung will afghanische Flüchtlinge abschrecken

  • Die Bundesregierung will Afghanen, die wenig Chancen auf Asyl haben, davon abhalten, ins Land zu kommen.
  • Deshalb soll die EU ein Rücknahmeabkommen aushandeln, damit auch bislang Geduldete wieder zurück geschickt werden könnten.
  • Schutzbedürftig sollen auf alle Fälle jene Afghanen bleiben, die in der Vergangenheit für alliierte Streitkräfte arbeiteten und dafür in ihrer Heimat bedroht werden.

Von Stefan Braun, Berlin

Afghanistan und die Flüchtlinge von dort machen Berlin immer größere Sorgen. Berichte über zigtausende, vielleicht Hunderttausende Afghanen, die in Kabul, Kundus und anderswo quasi auf gepackten Koffern sitzen, alarmieren schon seit Wochen die Bundesregierung. Ob es Soldaten sind oder Entwicklungshelfer, internationale Organisationen oder auch die deutsche Botschaft - alle möglichen Zeugen vor Ort berichten immer häufiger davon, dass gerade gut ausgebildete, eigentlich mit einem vergleichsweise guten Arbeitsplatz ausgestattete Afghanen ihren Job kündigen, ihre Wohnung oder ihr Häuschen verkaufen und nach Deutschland aufbrechen.

Diesen Leuten, so viel ist klar, will Berlin jetzt eine klare Botschaft schicken: Macht Euch nicht auf den Weg, gebt nicht alles auf, geht nicht dieses Risiko ein. Denn wenn Ihr nicht wirklich konkret bedroht seid, werdet ihr nur noch eine geringe Chance haben, in Deutschland als Asylbewerber anerkannt zu werden. Bislang erhalten knapp 50 Prozent aller Antragsteller diesen Status. Und die Bundesregierung will noch mehr: Sie möchte darüber hinaus auch die schon abgelehnten, aber bislang in Deutschland geduldeten Afghanen künftig wieder in ihre Heimat zurückschicken.

Stark wachsende Gruppe von Asylbewerbern

Derzeit leben knapp 7000 Afghanen mit diesem Status in Deutschland, weil wegen der unsicheren Lage in dem Land faktisch ein Abschiebestopp verhängt wurde. Wie es aus Berliner Regierungskreisen am Wochenende hieß, seien die Sicherheitsbehörden nun aber zu der Einschätzung gelangt, dass Afghanistan nicht als gesamtes Land unsicher sei. Dies gelte vielmehr nur für wenige Provinzen. Deshalb wird angestrebt, über ein Rücknahmeabkommen der EU oder auch einem bilateralen Abkommen zwischen Berlin und Kabul einen Großteil der geduldeten Afghanen in die vermeintlich sicheren Regionen des Landes zurückzuschicken.

Eine absolute Ausnahme soll es allerdings für Afghanen geben, die früher für deutsche oder andere alliierte Militäreinheiten gearbeitet haben oder das heute noch tun. Sie seien ,"in der Tat bedroht und genießen natürlich Schutz vor Verfolgung'", hieß es in der Regierung.

Wie es weiter heißt, reisten derzeit täglich Hunderte wenn nicht Tausende von Afghanen mit dem Flugzeug von Kabul nach Istanbul und würden von den Behörden dort mehr oder weniger ungeschminkt dazu aufgefordert, sofort weiter nach Europa aufzubrechen. Angesichts dessen wächst in Berlin die Sorge vor einem neuen Flüchtlingsstrom - und es wächst die Erwartung, dass die türkische Regierung diesem ungebremsten Strom langsam aber sicher Einhalt gebietet. "Bislang ist das vor allem ein Konjunkturprogramm für die türkische Fluglinie", heißt es in Berlin. Das müsse sich endlich ändern. Doch so verständlich das klingen mag, so deutlich zeigt es, wie sehr die EU, wie sehr Deutschland in der Flüchtlingskrise von der Kooperationsbereitschaft der Türkei abhängig geworden ist.

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