Warschau:Polen vor einer nationalkonservativen Regierung

Bei der Parlamentswahl führt die PiS mit deutlichem Vorsprung. Voraussichtlich wird die EU-kritische Partei von Jarosław Kaczyński keinen Koalitionspartner brauchen.

Von Florian Hassel, Warschau

In Polen wird nach acht Jahren an der Macht die Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsidentin Ewa Kopacz von der Opposition abgelöst. Die nationalkonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) von Jarosław Kaczyński kommt einer Wählerbefragung des Ipsos-Institutes vom späten Sonntagabend zufolge auf 39 Prozent der Stimmen, die bisherige Regierungspartei "Bürgerplattform" (PO) nur auf 23,4 Prozent. Bestätigt sich die Prognose, verfehlen mehrere kleine Parteien den Einzug ins Parlament knapp, und ihre Stimmen werden auf die großen Parteien verteilt. Dann verfügt die PiS im künftigen Parlament über die absolute Mehrheit und kann allein regieren. Der PiS stünde der Weg zu umfangreichen Veränderungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft frei, die mögliche Verfassungsänderungen beinhalten. "Wir müssen ein demokratisches Paket durchführen, wir müssen zeigen, dass das polnische öffentliche Leben völlig anders aussehen kann", sagte Parteichef Kaczyński als die Prognose bekannt war.

Seine Anhänger feierten ihn lautstark mit Sprechchören. Kaczyński gratulierte der designierten Ministerpräsidentin Beata Szydlo mit einem Rosenstrauß. Die vorherige Parlamentarierin war erst im Juni von ihm als Kandidatin präsentiert worden. Noch-Ministerpräsidentin Kopacz gratulierte dem Wahlsieger und zog Bilanz ihrer Regierung: "Polen ist heute ein Land, in dem sich die Wirtschaft entwickelt und die Arbeitslosigkeit einstellig ist. Unter solchen Bedingungen überlassen wir das Land denjenigen, die gewonnen haben." Die Bürgerplattform PO erlebte mit der Niederlage bei der Parlamentswahl nahezu eine Halbierung ihrer Stimmen im Vergleich zur Parlamentswahl 2011. Es ist für sie die zweite vernichtende Schlappe innerhalb weniger Monate. Bereits Ende Mai wurde der ebenfalls von der PO gestellte Präsident durch den zuvor unbekannten PiS-Hinterbänkler Andrzej Duda abgelöst. Künftig können eine PiS-Regierung unter der designierten Ministerpräsidentin Beata Szydło und der Präsident am gleichen politischen Strang ziehen. Jaroslaw Kaczyński, der eigentliche starke Mann der Partei, sieht den politischen Kurs des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban als Vorbild für Polen. Bereits 2010 legte die PiS einen Verfassungsentwurf vor, der Polens Parlament und andere Institutionen schwächen und die Macht des Präsidenten stärken würde.

Kritiker fürchten, dass die PiS solche Entwürfe nun umsetzt und Polen auch gesellschaftlich auf einen nationalistisch-autoritären Kurs bringt. Dabei dürfte die PiS die mit vorausgesagten neun Prozent ebenfalls im Parlament vertretene Rechtspartei des Rocksängers Paweł Kukiz unterstützen. Zu den Neulingen im Parlament gehört die liberale "Modern"-Partei, die laut Wahlnachfragen auf sieben Prozent kam. Zwei kleinere Parteien verfehlten offenbar den Parlamentseinzug ebenso wie die Vereinigte Linke, deren Vorgängerparteien Polen noch vor eineinhalb Jahrzehnten regierten. Die Wahlbeteiligung lag mit 51,6 Prozent auf einem für Polen typisch niedrigen Niveau.

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