VW-Abgas-Affäre:Merkel lächelt für Volkswagen

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Im Juli 2014 besuchte die Bundeskanzlerin das FAW-VW-Werk in Chengdu und ließ sich die Anlage im Modell erläutern. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel reist am Mittwoch nach China.
  • VW-Vorstandschef Matthias Müller reist mit, um das Image des Autobauers nach dem Abgas-Skandal aufzupolieren.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

An diesem Mittwoch bricht Bundeskanzlerin Angela Merkel zu ihrer insgesamt achten Reise in die Volksrepublik China auf, traditionell begleitet von einer Delegation deutscher Unternehmer. Bei den Gesprächen in Peking geht es dieses Mal allerdings nicht vordergründig um die Unterzeichnung neuer Wirtschaftsabkommen, sondern vor allem darum, dem größten deutschen Automobilkonzern seinen zweiten Heimatmarkt zu erhalten - und damit auch die Existenz des Konzerns zu sichern.

Volkswagen-Vorstandschef Matthias Müller reist mit Merkel nach China, um das Image des Autobauers nach dem Abgas-Skandal aufzupolieren. Aus Kreisen der Bundesregierung heißt es, es sei wichtig, in Peking zu vermitteln, dass sich die deutsche Wirtschaft an die Regeln halte. Man gehe zwar nicht davon aus, dass dies in China grundsätzlich bezweifelt werde. Allerdings sei es nötig, die VW-Affäre "schnell und lückenlos" aufzuklären.

Ein Blick auf die Daten von VW in China zeigt, dass der gemeinsame Besuch von Merkel und Müller in Peking vor allem ein Versuch ist, auszuloten, wie die Führung in Peking auf den Abgas-Skandal rund um die manipulierte Software reagieren wird. Zwar versucht die Bundesregierung, die sensible Mission kleinzureden, indem aus ihren Kreisen verlautet, es sei fraglich, inwieweit der VW-Skandal die Glaubwürdigkeit der deutschen Industrie beeinträchtige.

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Nicht mehr nur im Labor, sondern auch auf der Straße: Straßburg macht den Weg für das "Real-Driving-Emissions"-Verfahren frei. Doch die Autobauer dürfen die Grenzwerte noch auf Jahre hinaus stark überschreiten.

Der chinesische Markt ist für VW existenziell

Doch gerade diese Ungewissheit ist es, die Konzernführung und Bundesregierung beunruhigt. Aus gutem Grund: Der chinesische Markt ist für VW existenziell. Der Marktanteil des Konzerns in China liegt bei knapp 19 Prozent. Das Wolfsburger Unternehmen erwirtschaftet ein Drittel seines Absatzes dort, mit auskömmlichen Margen, wohlgemerkt.

China gilt als zweiter Heimatmarkt. Kein Wunder also, dass sich die Bundesregierung nach Kräften bemüht, den Konzern bei der Aufarbeitung des Skandals zu helfen. Es geht um Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und insgesamt um das Image der deutschen Industrie in der Welt. Nicht nur die Bundeskanzlerin hilft, auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Während Merkel in China unterwegs ist, verhandelt Dobrindt diese Woche in Washington mit seinem Amtskollegen Anthony Foxx und der US-Umweltbehörde Epa. "Es geht um die Vorgänge bei VW", sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministers am Montag in Berlin. Und: "keine weiteren Details vorab".

Bezüglich Details hält sich die Bundesregierung insgesamt bedeckt. Man tue, was man tun könne, heißt es. Man dränge, das Problem zu lösen und zu zeigen, dass deutsche Unternehmen verlässliche Vertragspartner sind.

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Das chinesische Umweltministerium hat eine Untersuchung angekündigt

Rein technisch betrachtet, hat VW in China nur ein kleines Problem: Nach Angaben der chinesischen Qualitätsaufsicht AQSIQ wird der Konzern insgesamt 1950 importierte Fahrzeuge in China zurückrufen. Was wenig ist mit Blick auf die insgesamt elf Millionen Diesel-Fahrzeuge, die weltweit mit einer manipulativen Abgas-Software ausgestattet wurden.

Nicht absehbar sind die politischen Konsequenzen. Das chinesische Umweltministerium hat eine Untersuchung von VW-Fahrzeugen angekündigt. Die Wolfsburger haben schon früher leidvolle Erfahrungen mit der politischen Führung in Peking machen müssen, etwa 2013. Während der Unterhaltungssendung "3.15" flimmerte damals im chinesischen Staatsfernsehen CCTV ein Bericht über den Bildschirm, der Volkswagen wegen des Verkaufs angeblich minderwertiger Getriebeboxen an chinesische Kunden öffentlichkeitswirksam an den Pranger stellte. Die Sendung, die so heißt, weil sie am 15. März, dem Weltkonsumententag, ausgestrahlt wird, straft traditionell zur besten Sendezeit ausländische Großkonzerne publikumswirksam ab.

Der Wolfsburger Konzern erwirtschaftet ein Drittel seines Absatzes in China

Volkswagen weiß also, dass Chinas Regierung ihre Medien nutzt, um Unternehmen ins Abseits zu stellen. Auch eine jahrzehntelang verlässliche Partnerschaft kann das nicht verhindern. Der Wolfsburger Konzern hat viele Milliarden Euro in China investiert, Zehntausende Arbeitsplätze geschaffen, bessere Gehälter gezahlt als die chinesische Konkurrenz und lokale Regeln beachtet, wonach die Fahrzeuge in Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Herstellern produziert werden müssen - auch wenn das Risiko der Technologie-Kopie dabei groß ist.

Die langen Flugstunden nach Peking will VW-Chef Müller zunächst nutzen, um Merkel über den Stand der Ermittlungen im Abgas-Skandal und den weiteren Konzernumbau zu informieren. Müller werde sich auch mit den Chefs der beiden VW-Gemeinschaftsunternehmen in China treffen und über die künftige Strategie diskutieren, hieß es. Ein Konzernsprecher bestätigte lediglich, dass Müller Merkel ab Mittwoch nach China begleiten werde. Müller führt VW seit dem 25. September. Er übernahm das Amt von Martin Winterkorn, der im Zuge des Abgas-Skandals zurücktrat.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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