Alter:Bleib daheim

Ältere Menschen wollen oft möglichst lange zu Hause leben. Wohnberater geben Tipps, wie sich die Räume barrierefrei gestalten lassen.

Von Ingrid Weidner

Die vertraute Wohnung, Nachbarn, Supermarkt und Kino gleich um die Ecke - gerade Senioren schätzen ihr über die Jahre gewachsenes Umfeld. Auch deshalb wünschen sich viele ältere Menschen, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu leben. Doch wenn erste Gebrechen oder eine Behinderung den Bewegungsradius einschränken, werden die Stufen zur Haustür, die enge Küche oder das kleine Badezimmer mit Wanne zu unüberbrückbaren Hindernissen. Helfen können oft schon kleinere bauliche Anpassungen. Ein breit gefächertes, oft kostenloses Beratungsnetzwerk unterstützt Kommunen, Bürger und Bauherrn. Gleichzeitig soll dieses Angebot mit sanftem Druck alle ermutigen, möglichst schon ohne Barrieren zu bauen, denn von einem hindernisarmen Umfeld profitieren auch junge, mobile Menschen oder Familien.

Die bayerische Architektenkammer bietet seit mehr als 30 Jahren solche Beratungen an. Immer mehr Betroffene oder auch Bauherren holen sich dort Rat. Neben der Geschäftsstelle und einem Beratungsbüro in München bietet die Architektenkammer in sieben weiteren Orten Informationstermine und Unterstützung an. Zu den acht etablierten Anlaufstellen sollen in den kommenden Jahren zehn weitere in ganz Bayern hinzukommen.

"Unser Beratungsangebot ist für alle Zielgruppen offen", sagt Thomas Maria Lenzen, Geschäftsführer der Beratungsstelle "Barrierefreies Bauen"‟ der bayerischen Architektenkammer in München. Bauherren, Kommunen oder Eigenheimbesitzer wenden sich mit ihren Fragen an die Fachleute - egal, ob ein Eigentümer sein Bad barrierefrei umbauen möchte, ein öffentliches Gebäude wie das NS-Dokumentationszentrum in München für alle Besucher gleichermaßen zugänglich sein soll oder eine Gemeinde wie Starnberg Hürden für ihre Bürger beseitigen will. Zwei Sozialberater ergänzen das Beraterteam, demnächst kommt noch ein Landschaftsarchitekt hinzu.

Alter: Blick aus dem Fenster: Die meisten älteren Menschen wollen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Nicht immer geht das.

Blick aus dem Fenster: Die meisten älteren Menschen wollen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Nicht immer geht das.

(Foto: imago stock&people)

Lenzen sieht weniger im Neubau, sondern vor allem im Gebäudebestand große Aufgaben für Architekten. Die Münchner Beratungsstelle öffnet jeden Dienstag Nachmittag für drei Stunden für Interessierte. Bauherren kommen oft mit Fotos oder Grundrissen vorbei, um sich Tipps und Anregungen zu holen. Viele Ratsuchende rufen an und lassen sich telefonisch beraten oder nehmen per E-Mail Kontakt zu den Experten auf.

An das Erstgespräch schließen sich erfahrungsgemäß mindestens zwei weitere Nachfragen an, berichtet Lenzen aus der Praxis. "Unsere Kollegen schieben die Hilfe an, sie begleiten nicht die Umsetzung", betont Lenzen, denn die Berater achten darauf, dass die kostenlose Erstberatung ihren Architektenkollegen keine Aufträge wegnimmt.

Neben den Architektenkammern unterstützen auch ehrenamtliche Wohnberater in Städten, Landratsämtern und Wohlfahrtsverbände Ratsuchende. Die Beratungsangebote in Bayern fasst die Koordinationsstelle "Wohnen im Alter" zusammen ‟ (www.wohnen-alter-bayern.de, telefonisch unter 089-20189857 erreichbar). Im Internet finden Interessierte auch zahlreiche weitere Tipps.

Ganz wichtig sei auch die Öffentlichkeitsarbeit, betont Anja Preuß von der Arbeitsgruppe für Sozialplanung und Altersforschung. Nicht alle Senioren surfen schließlich im Internet, deshalb liegen in vielen Gemeinden, Landratsämtern oder Wohlfahrtsverbänden Broschüren aus, um auf die speziellen Angebote hinzuweisen. Das Bayerische Sozialministerium möchte das Angebot an Wohnberatern ausweiten und fördert zumindest in der Anfangsphase dieses Engagement auch in bescheidenem Umfang finanziell.

Wohnberatung

Eine Übersicht über Wohnberatungsstellen in ganz Deutschland bietet die 1994 gegründete Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung mit Sitz in Berlin. Auf deren Website www.bag-wohnungsanpassung.de findet sich unter der Rubrik "Adressen"‟ eine nach Bundesländern sortierte Liste mit Angeboten. Die Bayerische Architektenkammer (www.byak.de) fasst unter der Rubrik "Beratungsstelle Barrierefreiheit"‟ umfangreiche Informationen zusammen. Neben Broschüren und pdf-Dokumenten zum barrierefreien Bauen (DIN 18040) gibt es dort auch die Adressen aller bayerischer Beratungsstellen, Termine und weiterführende Links.

Doch barrierefreies Wohnen konzentriert sich keineswegs nur auf die Wünsche von gebrechlichen Senioren. Möglichst wenig Hindernisse in öffentlichen Gebäuden und der eigenen Wohnung erleichtern jedem das Leben. Deshalb versuchen manche Kommunen, alle Bürger für das Thema zu sensibilisieren. Hubert Plepla beispielsweise koordiniert im Landkreis Unterallgäu seit einigen Jahren die Aktivitäten. Zum Netzwerk der Wohnberater gehören dort Architekten und Pflegeberater, denn nicht immer drehen sich die Fragen der Betroffenen um bauliche Maßnahmen. Ein gut geschulter Wohnberater kennt auch die Fördertöpfe.

Bereits 2009 entwickelte das Landratsamt ein "Seniorenkonzept"‟, doch Plepla möchte mit den Angeboten möglichst viele Bürger ansprechen und sie ermutigen, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen. Das Bauamt informiert beispielsweise auch junge Bauherren darüber, dass eine möglichst barrierefreie Immobilie eine gute Investition ist. "Wir informieren auch junge Menschen, wie sie sich ein Haus fürs ganze Leben bauen können",‟ erklärt Plepla.

Ein weiterer Schwerpunkt am Landratsamt in Mindelheim ist die "Altersgerechte Quartierentwicklung". Passt das Wohnraumangebot für die Einwohner? Gibt es noch Geschäfte für den täglichen Bedarf am Ort und fährt noch ein Bus in die nächste Stadt? Am Anfang jedes Projekts stehen umfangreiche Analyse zu den Stärken und Schwächen. Anschließend überlegen Kommune und Bürger gemeinsam, wie sie ihre Gemeinde weiterentwickeln können.

Seit Oktober 2012 bietet das Landratsamt Unterallgäu gemeinsam mit der Stadt Memmingen den Bürgern eine Wohnberatung an. Mehr als 200 Anfragen haben die Experten in dieser Zeit schon bearbeitet. Wenn es nach Hubert Plepla ginge, könnten es mehr sein. "Die Menschen machen sich noch zu wenig Gedanken"‟, beobachtet er. Das treffe nicht nur auf Bürger, sondern auch noch auf viele Kommunen zu. Hier sei noch viel zu tun.

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