Russland:Persönlichkeitsbildung nach Putin

Der Präsident hat die Gründung einer neuen Jugendorganisation veranlasst. Sie wird staatlich finanziert werden. Und einiges verleiht einen durchaus wieder modischen Sowjet-Touch.

Von Julian Hans, Moskau

Russen, die alt genug sind, sich noch an die Sowjetunion zu erinnern, wissen, welchen Ereignisses früher am 29. Oktober gedacht wurde: Im Herbst 1918 wurde an diesem Tag der Gesamtsowjetische Leninsche Kommunistische Jugendverband gegründet, besser bekannt als Komsomol. Aufgabe der Organisation war es, heranwachsende Generationen im Geiste des Marxismus-Leninismus zu erziehen. Wer Karriere machen wollte, musste dabei sein. In Hochzeiten hatte der Komsomol 36 Millionen Mitglieder.

Man kann also unterstellen, dass das Datum nicht ganz zufällig gewählt war, als Wladimir Putin am Donnerstag, 29. Oktober, einen Erlass zur Gründung einer neuen Jugendbewegung unterschrieb. Die "Russische Schülerbewegung" soll beitragen zur "Persönlichkeitsbildung auf der Grundlage der in der russischen Gesellschaft geltenden Werte", heißt es in dem Dokument des Kremls.

Putin-Jubelvereine hat es schon eine ganze Reihe gegeben. Sie hielten sich meist so lange, bis ihre Anführer aus dem Alter der Zielgruppe herausgewachsen waren. Alle paar Jahre wurde ein neuer Klub gegründet, um Schritt zu halten mit der sich rasch wandelnden Jugendkultur.

Der Held der Arbeit ist ebenfalls zurückgekehrt, und auch der Wehrsport

Gleich nachdem Putin als Präsident in den Kreml eingezogen war, wurden im Jahr 2000 auf Initiative der Präsidialverwaltung "Die gemeinsam Gehenden" gegründet. Nachdem sich das Projekt sieben Jahre später totgelaufen hatte, wurde mit der Organisation "Die Unsrigen" (Naschi) ein neuer Anlauf gestartet. Sie machten sich einen Namen damit, dass sie Bücher kritischer Autoren symbolisch in die Toilette warfen oder im Sommerlager auf Pappfiguren mit den Gesichtern Oppositioneller schossen. Nach Beginn von Putins dritter Amtszeit wurden Naschi von Set (Das Netz) abgelöst. Anstelle schriller Aktionen setzt die Bewegung auf Design und digitalen Lebensstil, entwirft T-Shirts mit Putin-Porträts, besprüht Häuserwände mit dem Bild des Präsidenten und bemüht sich, Kreml-freundliche Karikaturen in den sozialen Medien zu verbreiten.

Neu an der Russischen Schülerbewegung ist, dass sie ganz offiziell vom Kreml ins Leben gerufen wurde und auch offiziell aus dem Staatshaushalt finanziert werden soll. Sie wird der Föderalen Behörde für Fragen der Jugend unterstellt. Die bisherigen Gruppen wurden zwar vom Kreml initiiert, sollten aber immer einen spontanen, unabhängigen Charakter behalten, was ihre Guerilla-Aktionen gegen Kritiker möglich machte. Die Neuschöpfung erinnert dagegen an die Pioniere.

Es ist nicht die erste Erscheinung des Sowjetalltags, die in den letzten Jahren vom Kreml wiederbelebt wird. Mit dem kommunistischen Imperium hatten sich 1991 auch seine Institutionen aufgelöst. Nun kommen sie nach und nach zurück. 2013 führte Putin ebenfalls per Erlass den Titel "Held der Arbeit" wieder ein, mit dem die Tüchtigsten ausgezeichnet werden sollen. Seit vergangenem Jahr gibt es auch wieder Wehrertüchtigung in Schulen und Betrieben. GTO heißt das Fach, das steht für die russische Losung "Bereit zur Arbeit und Verteidigung". Die Ertüchtigung mit Liegestützen, laufen und Granaten werfen ist zwar freiwillig. Allerdings sollen die Ergebnisse berücksichtigt werden, etwa wenn Abiturienten sich um einen Studienplatz bewerben. Was die Aktivität bei den Neo-Pionieren bringt, muss sich noch zeigen.

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