Wolfsburger Sieg gegen Leverkusen:"Es war mein Fehler"

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Schiedsrichter Manuel Gräfe überstimmte seinen Assistenten bei einer Abseitsentscheidung - es war ein Fehler. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Bayer Leverkusen verliert das Spiel gegen den VfL Wolfsburg auch wegen einer Fehlentscheidung von Schiedsrichter Manuel Gräfe.
  • Der räumt später seinen Irrtum vor dem 1:0 von Nicklas Bendtner ein.
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Von Martin Schneider, Wolfsburg

Die Szene des Spiels war gerade Geschichte, als Rudi Völler entschied, sehr schnell die graue Betontreppe des Wolfsburger Stadions herunterzulaufen. Auf den ersten Metern sei er immer noch sehr fix, das sagte der Sportdirektor von Bayer Leverkusen jedenfalls später. Seine weiße Haarpracht tauchte am Spielfeldrand auf, und er hatte immer noch so viel Schwung, dass man befürchten musste, dass er aufs Spielfeld durchläuft.

Völler blieb dann beim vierten Offiziellen Wolfgang Stark stehen. Völlers Arme zuckten, sein Oberkörper zuckte und seine Hand deutete immer wieder auf die andere Seite des Spielfeldes. Er hatte da etwas im Fernsehen gesehen, und das wollte er den Offiziellen mit Nachdruck mitteilen, auch wenn das Spiel längst weitergelaufen war. "Ich bin losgelaufen", sagte Völler später, als sein Team dieses Spiel in Wolfsburg 1:2 (1:1) verloren hatte, "weil das eine Ungerechtigkeit war."

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Die Szene des Spiels ging so: Wolfsburgs Vieirinha ist in der 34. Minute auf der rechten Seite durch und spielt den Ball mit der Hacke zurück zu André Schürrle. Das ahnt Leverkusens Kevin Kampl und geht dazwischen. Im Fußgemenge zwischen Kampl und Schürrle kommt der Ball zurück zu Vieirinha, der mittlerweile gut acht Meter im Abseits steht. Der Assistent hebt die Fahne, weil er der Meinung ist, der Ball komme von Schürrle. Kyriakos Papadopoulos sieht das und hört auf zu verteidigen. Er beruhigt seine Mannschaftskameraden schon, die sich noch in den Schuss von Nicklas Bendtner werfen. Er wedelt mit den Armen und sagt: "Jungs, macht euch keine Sorgen. Die Fahne ist oben."

Der Referee glaubt, es besser gesehen zu haben

Die Pfeife von Schiedsrichter Manuel Gräfe bleibt aber stumm, weil er Kampl zuletzt am Ball gesehen hat. Und so schiebt Bendtner den Ball locker ein und jubelt zunächst völlig irritiert, weil auch er die Fahne gesehen hat. Abseits ist aber nicht dann, wenn die Fahne hoch geht, sondern wenn die Pfeife ertönt. Gräfe befragt dann noch André Schürrle, bevor der Anstoß ausgeführt wird. Der Wolfsburger antwortet, er wisse nicht, wer zuletzt am Ball war. Weil Kevin Kampl offenbar die gleiche Antwort gibt, verlässt sich Gräfe auf seine Wahrnehmung und überstimmt seinen Assistenten. In der Wiederholung sieht man deutlich, was vorher die Intuition sagte: dass tatsächlich André Schürrle den Ball berührte. Das Tor war also irregulär.

"Ich wollte nicht begreifen, warum er seinen Linienrichter überstimmt, wenn er sich nicht hundertprozentig sicher ist", sagte Völler später zu seinem Wutausbruch. Auch Bayer-Trainer Roger Schmidt bearbeitete Manuel Gräfe im Kabinengang. Zu dem Zeitpunkt stand es übrigens schon wieder 1:1.

Denn Fußball wurde auch noch gespielt. Wolfsburgs Übungsleiter Dieter Hecking, der nach der Vorführung durch den FC Bayern beim 1:3 am Dienstag im Pokal nicht gerade begeistert von seiner Mannschaft war, ließ das seine Truppe spüren und tauschte fünf Spieler aus: Timm Klose kam für Dante, Maxi Arnold für Joshua Guilavogui, André Schürrle für Julian Draxler, Nicklas Bendtner für Bas Dost und Sebastian Jung für Christian Träsch - nur der letzte Wechsel lässt sich mit einer Verletzung erklären.

Die Ausrichtung der Teams führte zu einem Fußballspiel, bei dem die geführten Zweikämpfe besser aussahen als die gespielten Pässe. Wer sich für Tacklings begeistern kann, hatte seinen Spaß - für alle anderen flipperte der Ball eher unansehnlich zwischen kämpfenden Körpern hin und her. "Eine zerfahrene Partie zwischen zwei technisch eigentlich besseren Mannschaften", sagte Roger Schmidt nach dem Spiel. Dieter Hecking war gleicher Meinung.

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Das 1:1 von Bayer Leverkusen in der 40. Minute, war dann auch die einzige Szene, in der sich die Wolfsburger nicht in die Zweikämpfe warfen wie Rotwild zur Brunftzeit. Einwurf von Donati in den eigentlich viel zu engen Raum zu Christoph Kramer. Der kommt aber erstaunlich unbedrängt durchs Gewusel, flankt präzise auf Javier Hernandez, der frei einköpfen kann.

Zwei Joker brillieren

Bayers Torhüter Bernd Leno berichtete dann später, dass die Szene mit dem Abseits ein großes Thema in der Kabine war. Vielleicht hätte es das gar nicht gebraucht, Leverkusen war ja wieder im Spiel und sechs Minuten nach Wiederanpfiff im Glück. Daniel Caligiuri sprintet unbedrängt in den Strafraum, Leno kommt raus und trifft den Wolfsburger. Rudi Völler sagte später: "Die Berührung ist da, aber nicht stark. Fünf Schiedsrichter geben den, fünf nicht." Wahrscheinlicher wäre eher, dass neun von zehn Schiedsrichtern den geben, aber da Gräfe mittlerweile seinen Fehler mitbekommen hatte, unterstellte ihm Wolfsburgs Manager Klaus Allofs eine Konzessions-Entscheidung.

Die Entscheidung fiel dann tatsächlich ohne Schiedsrichterbeteiligung. Ricardo Rodriguez wurde auf der linken Seite schön freigespielt und schoss. Der Schuss war nicht wahnsinnig scharf, aber Bernd Leno konnte ihn nur mit Mühe leicht zur Seite abwehren. Der kurz zuvor eingewechselte Bas Dost reagierte schneller als alle anderen und passte auf den ebenfalls eingewechselten Julian Draxler - der aus kurzer Entfernung nur noch einschieben musste. "Vielleicht kann ich den Schuss anders abwehren", sagte Leno später selbstkritisch.

Gräfe gesteht seinen Fehler ein

Nach dem Schlusspfiff ging Roger Schmitt übrigens noch einmal zu Manuel Gräfe. Im Mittelkreis standen sie zusammen. Die hektischen Bewegungen waren verschwunden, Schmidt sagte noch was, Gräfe entgegnete was. Dann gaben sie sich die Hand und klopften sich gegenseitig auf die Schulter. Es sah versöhnlich aus.

Später gab Gräfe seinen Fehler zu: "Die Leverkusener können zu Recht sauer sein. Ich nehme das auf mich. Durch meine Sicherheit wurde der Assistent unsicher." Er habe "leider von den Spielern keine Hilfestellung bekommen, das kann ich aber auch nicht erwarten", meinte Gräfe, der um Fairness bat: "Spieler machen Fehler, Trainer und Manager machen Fehler und Schiedsrichter eben auch. Man sollte nur fair und vernünftig miteinander umgehen."

Und dann sagte der Referee einen Satz, der alte Diskussionen befeuern dürfte: "Der Videobeweis hätte in dieser Szene geholfen."

© SZ vom 01.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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