Städtevergleich:Was München von London lernen kann

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  • Mitglieder des Planungsausschusses des Stadtrats, Fachleute aus der Verwaltung und die Chefs der städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind nach London gereist.
  • Sie wollen Eindrücke in der Stadt an der Themse sammeln, wie man dort mit dem rasanten Wachstum umgeht.
  • In einigen Bereichen ist die britische Hauptstadt deutlich weiter als München.

Von Alfred Dürr

London ist eine Mega-City. 8,5 Millionen Einwohner leben hier, Tendenz steigend, das Finanzzentrum überragt mit immer neuen Hochhäusern das Stadtbild, das vielfältige Angebot ist gigantisch und in keine andere europäische Metropole zieht es deswegen jedes Jahr mehr Touristen. Ein Ende der Entwicklung nach oben ist nicht abzusehen.

München ist zwar um einiges überschaubarer, doch auch hier stellt sich die Frage, wie man mit den Folgen des Wachstums umgeht. Von den Großen lernen: Auf nach London, hieß es deshalb für die Mitglieder des Planungsausschusses des Stadtrats, für Fachleute aus der Verwaltung und die Chefs der städtischen Wohnungsbaugesellschaften.

Man quält sich mit dem Auto mühsam durch den stockenden Großstadtverkehr auf Londons eher engen Straßen. Vielleicht ist der Stau keine besonders spektakuläre Erkenntnis. Dass aber entlang der Themse gerade ein Cycle Superhighway - also eine relativ breite Fahrbahn für Radfahrer - angelegt wird, erweckte Aufmerksamkeit bei der Münchner Delegation.

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Manchen Stadtrat überraschte es aber geradezu, dass in den dicht aneinander gebauten und neu entstehenden Hochhäusern der City of London, die wegen ihres Erscheinungsbildes Gurke, Käsereibe oder Walkie-Talkie genannt werden, keine oder nur äußerst wenige Stellplätze für Autos vorgesehen sind. Die Menschen müssen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Fahrrad oder unter Umständen auch zu Fuß ins Büro gelangen. Aber hier brauche sich München nichts von London abschauen, sagt der Verkehrsexperte der Grünen, Stadtrat Paul Bickelbacher. In München sind im Verhältnis weitaus mehr Radler unterwegs als in London.

Dafür ist man bei den Bahnhöfen in London deutlich weiter, hier ist massiv in den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs investiert worden. So wurde zum Beispiel der Bahnhof Kings Cross für annähernd eine halbe Milliarde Pfund renoviert und erweitert. Neu gestaltet wurden die Plätze im Umfeld des Gebäudes. Sie sind beruhigte Zonen, auf denen man verweilen kann: Eine Perspektive für den künftigen Münchner Hauptbahnhof. Der Kings Cross unmittelbar benachbarte traditionsreiche Bahnhof St. Pancras mit seiner prächtigen viktorianischen Architektur hat sich innen verändert. Er ist jetzt ein modernes Terminal für die Eurostar-Züge, die zwischen Paris und London verkehren.

Der Markt regelt die Preise

Aber auch auf den Flächen um diese Bahnhöfe sieht das Erscheinungsbild der Stadt bald anders aus. Die Baukräne beherrschen die Szene. Glitzernde Büro-Hochhäuser und teure Wohnblöcke sprießen aus jeder freien Lücke. Nur wenige können sich den neuen Luxus leisten. Wie aber plant und steuert man Wachstum so, dass die Menschen nicht unter den Auswirkungen der Boomtown leiden?

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Planen und Steuern? Auf Margret Thatcher und ihre Regierungszeit ist es zurückzuführen, dass Mitte der Achtziger Jahre die übergeordnete Planungsbehörde abgeschafft wurde. Die Räte der 32 Bezirke sowie der City of London entscheiden, was in ihrem Bereich baulich passiert. Investoren haben nicht mit großem Widerstand zu rechnen, denn man verspricht sich durch die neuen Projekte eine deutliche Aufwertung des jeweiligen Bezirks. Ungläubiges Kopfschütteln bei den Münchnern: Bürger und Stadtplaner, die nur noch die neuen Prachtbauten kommentieren dürfen, sie aber nicht im Vorfeld beeinflussen können - das wünscht man sich in München nicht.

Vor allem nicht, wenn auch der Wohnungsbau nahezu vollständig dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen wird. Wer ein niedriges Einkommen hat und selbst der Mittelstand können sich die Stadt nicht mehr leisten und müssen weit hinaus ins Umland ziehen. "Wie gut, dass es uns gibt", sagte Michael Dengler, der Chef der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag. Diese Unternehmen, aber auch die Wohnungsbaugenossenschaften, tragen dazu bei, dass es gute Wohnungen in München gibt, die erschwinglich sind.

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"Die meisten Mitarbeiter leben zwei Stunden vom Museum entfernt", berichtet Chris Dercon, der Chef der Tate Modern. Dercon war lange Zeit der Chef des Hauses der Kunst in München. Nur noch die Reichen könnten sich die Stadt noch leisten. Gerade auch für Künstler werde es immer schwieriger, eine Bleibe zu finden, kritisiert Dercon. Kunst-Biotope und normale Wohnungen verschwinden, um Luxus-Palästen Platz zu machen. Dagegen müsse man kämpfen, sagt Dercon: "Bitte passt auf in München!" Die Kulturszene lehnt sich auf gegen die Politik, die eine solche Entwicklung zulässt. In München gibt es ähnliche Initiativen.

Kaum einer kann sich die City leisten

Nicht nur die Kultur und das Miteinander verschiedener Nationalitäten kann unter die Räder kommen, auch für die öffentlichen Räume in der Stadt, die allen zur Verfügung stehen und die im hektischen Getriebe einen Ort der Begegnung und des Verweilens bieten, wird es eng.

München baut vor. Demnächst will Stadtbaurätin Elisabeth Merk eine Studie vorlegen, die die Möglichkeiten von mehr Grün in der immer dichter werdenden Stadt aufzeigt. Nicht nur die vorhandenen Parks und Anlagen spielen dabei eine Rolle, sondern zum Beispiel auch Dachgärten oder umgestaltete Etagen in Wohnblocks.

Merk will schnellere Entscheidungen

Gerade auch in der Altstadt sollen Plätze und andere Freiräume zu ihrem Recht komme. Das bedeutet weniger Autos im Zentrum. Von einer City-Maut wie in London redet keiner der Stadträte. Aber ob man noch mitten in der Stadt ein Parkhaus braucht, ist fraglich.

Der Blick nach London zeige nicht nur Schreckensszenarien, sagt Stadtbaurätin Elisabeth Merk. München wirke in der Stadtplanungspolitik oft zu zaghaft. Schnellere und mutigere Entscheidungen, auch eine Entrümpelung der Baugesetze - hier gibt es auch nach Meinung der Stadträte einen echten Nachholbedarf.

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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