Flüchtlinge an Hochschulen:Asyl im Hörsaal

Flüchtlinge an Hochschulen: An der Uni Passau geben Ehrenamtliche Deutschkurse für Flüchtlinge. Fließende Sprachkenntnisse sind die Voraussetzung fürs Studium.

An der Uni Passau geben Ehrenamtliche Deutschkurse für Flüchtlinge. Fließende Sprachkenntnisse sind die Voraussetzung fürs Studium.

(Foto: Florian Weichselbaumer)
  • Viele Flüchtlinge würden gern in Deutschland studieren, doch oft magelt es ihnen an Sprachkenntnissen.
  • Die Uni Passau hat ein Programm gestartet, das Deutschkurse umfasst, Begleitung durch deutsche Studenten sowie Studienberatung.
  • Schwierig ist die Aufnahme an der Hochschule für Flüchtlinge, die keine Zeugnisse haben.

Von Anna Driftschröer, Passau

Tausende Flüchtlinge kennen Passau nur als Zwischenstopp. Für Alan Kilo aber war hier Endstation. Im Januar gelang ihm die Flucht aus Syrien nach Deutschland. Er ist einer, wie ihn die deutsche Wirtschaft sich wünscht: gebildet und leistungsbereit. Zu Hause hat der 23-Jährige aus Aleppo Informationstechnik studiert. Auch in Passau würde er gerne wieder zur Uni gehen, doch so einfach, wie er sich das erhofft hatte, ist das nicht.

Für Menschen wie Alan Kilo ist zum Wintersemester an der Uni Passau ein Programm angelaufen. Das Angebot umfasst Deutschkurse, Begleitung durch deutsche Studenten sowie Studienberatung.

Kilo ist froh, in Deutschland zu sein. "Hier darf man seine Meinung sagen", sagt er auf Englisch. In seiner Heimat Syrien war der 23-Jährige bei Regimegenern als Koordinator für Verwaltungsaufgaben zuständig. Nur wenige Tage bevor er zum Militärdienst verpflichtet werden sollte, sei er aus Aleppo geflohen. Zunächst blieb er einige Monate bei Freunden in der Türkei und arbeitete dort als Journalist. Über Bulgarien, Serbien und Ungarn gelang ihm schließlich die Flucht nach Passau. Die Worte des Polizisten bei der Erstaufnahme klingen ihm noch im Ohr: "Willkommen in Deutschland!"

Ohne Zeugnisse ist es schwierig

Der junge Syrer spricht fließend Englisch. Gelernt hat er die Sprache während seines Studiums an einer amerikanischen Universität in Saudi-Arabien. Dort studierte er einige Semester IT. Doch als der Krieg in Syrien begann, kehrte er zurück, um sich dem Aufstand anzuschließen. Nun darf Alan Kilo für drei Jahre in Deutschland bleiben. Er lebt in einer kleinen Wohnung in Passau. Am liebsten würde er hier ein Psychologie-Studium aufnehmen, aber das scheitert bei ihm noch an der Sprache. Denn wer an der Uni Passau studieren möchte, muss die deutsche Sprache mindestens auf einem C1-Level - also nahezu Muttersprachler-Niveau - beherrschen.

Seit einigen Wochen bietet die Uni Passau Studienberatung speziell für Flüchtlinge an. In Einzelgesprächen können Interessenten sich hier über Studienfächer, Organisation oder Ablauf eines Studiums informieren. Hauptthema ist die Frage nach den Zulassungsvoraussetzungen, sagt Martin Kuulmann von der Studienberatung. Ob Asylbewerber, Geduldeter oder noch nicht abgeschlossenes Verfahren: Studieren darf grundsätzlich jeder, wenn er die Voraussetzungen erfüllt. "Den meisten Flüchtlingen, die gerne an unserer Universität studieren würden, fehlt es an ausreichenden Deutschkenntnissen", erklärt Ursula Reutner, die Vizepräsidentin für Internationale Beziehungen an der Universität und Schirmherrin des neuen Programms. Wie Alan Kilo müssen diese nun einen Kurs besuchen.

Die Uni Passau bietet im Sprachenzentrum verschiedene Deutschkurse an - allerdings nur für Fortgeschrittene. Die Lücke schließt die Evangelische Studierendengemeinde (ESG) mit ihren Sprachkursen, die täglich stattfinden und sich vorwiegend an Deutschanfänger jeden Alters richten. Dank der ehrenamtlichen Dozenten und Spenden der ESG ist das Angebot kostenlos. Jeden Tag kommen neue Teilnehmer aus Afghanistan, Senegal, Nigeria oder dem Irak in die Kurse, der Großteil stammt aus Syrien oder Eritrea.

Die Hochschule hilft bei vielen Problemen

Flüchtlinge an Hochschulen: Alan Kilo ist über den Balkan von Syrien nach Deutschland geflohen. In Passau will er bleiben.

Alan Kilo ist über den Balkan von Syrien nach Deutschland geflohen. In Passau will er bleiben.

(Foto: Anna Driftschröer)

"Von Mechatroniker über Lehrer bis Arzt oder Professor decken die Kursteilnehmer die komplette Bandbreite ab", sagt Hanna Fink, die selbst an der Uni studiert und bereits ihren zweiten ESG-Sprachkurs leitet. Gemeinsam mit ihrem Kommilitonen Patrick Muñoz Rodriguez steht sie vor den fast 30 Teilnehmern, fast ausschließlich Männer. "Heute lernen wir die Zahlen", sagt Muñoz Rodriguez zur Klasse. Ein Eritreer liest in gebrochenem Deutsch leise von einem Arbeitsblatt ab: "Der Schrank kostet sechsundfünfzig Euro." Die deutsche Sprache ist schwierig, sagen einige Teilnehmer später. Doch sie brauchen das Zertifikat, um arbeiten oder studieren zu können.

Die Sprache stellt nicht die einzige Hürde für die Flüchtlinge an der Uni dar. Alan Kilo hat Glück, er konnte trotz der riskanten Flucht all seine Zeugnisse mit nach Deutschland bringen. Aber was ist, wenn man keinerlei Nachweise über einen Schulabschluss oder abgeschlossenes Studium hat? "Zunächst muss der Bewerber versuchen, Zweitschriften aus seinem Heimatland einzuholen. Gelingt das nicht, wird geschaut, wie auf anderen Wegen ein Nachweis erbracht werden kann", erklärt Martin Kuulmann. Das können beispielsweise Interviews mit den Studieninteressierten sowie Eignungstests sein, um ihre Studierfähigkeit zu prüfen. So hieß es jedenfalls kürzlich im Werkstattgespräch der Hochschulrektorenkonferenz.

Mentoren helfen bei der Orientierung

Studienberater Kuulmann spricht mit den Bewerbern auch über das heikle Thema Finanzierung. Zwar gibt es in Bayern keine Studiengebühren mehr, bislang sind jedoch die anfallenden Semesterbeiträge "von den Geflüchteten selbst aufzubringen", heißt es nach aktueller Rechtslage. Anspruch auf finanzielle Unterstützung vom Staat haben bislang nur anerkannte Asylberechtigte unabhängig davon, wie lange sie schon in Deutschland sind, sowie vom kommenden Jahr an auch Geduldete nach 15 Monaten Aufenthalt. Das kündigte das Bundesministerium für Bildung und Forschung an.

Neben der ganzen Bürokratie ist es für die meisten Flüchtlinge in Passau jetzt aber erst einmal wichtig, sich zu orientieren. Dabei hilft das neue Mentoring-Programm der Studentenvertretung. Die Idee dahinter: Flüchtlinge sollen mit "Studenten in Kontakt kommen, den Campus kennenlernen und in Vorlesungen reinschnuppern", sagt Florian Kombrecht von der Studentenvertretung. Seit einigen Wochen schauen bei ihm ab und zu Neuankömmlinge vorbei, die sich informieren wollen oder Ansprechpartner suchen. "Wir vermitteln ihnen dann Kontakte zu Fachschaften oder Gruppen wie dem Asylcafé oder dem Frauencafé, die sich alle zwei Wochen treffen", sagt Kombrecht. Erstmals haben Flüchtlinge auch die Gelegenheit, ausgewählte Vorlesungen zu besuchen. Prüfungen dürfen sie ohne Einschreibung allerdings nicht ablegen.

Über das Interesse der Flüchtlinge an der Uni Passau freut sich Ursula Reutner, auch wenn der große Ansturm bei der Studienberatung noch ausgeblieben ist. "Seit Jahren versuchen wir mehr internationale Studierende zu gewinnen - jetzt sind sie da", sagt Reutner. Überfüllte Hörsäle fürchtet sie bislang nicht. "Momentan ist die Zahl der in Frage kommenden Studierenden noch überschaubar." Ausbauen will sie das Angebot für Flüchtlinge dennoch. "Da kann und möchte die Uni einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten."

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