Begegnungen zwischen Flüchtlingen und Bürgern:"Wir wollen dem Hass den Boden entziehen"

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Schon im März versammelten sich in der Tölzer Marktstraße Bürger zu einem Friedensgebet. (Foto: Manfred Neubauer)

In Penzberg und in Bad Tölz gibt es Initiativen für ein bewusstes Miteinander mit Flüchtlingen. Pfarrer Klaus Pfaller sagt: "Lernen können alle Seiten."

Von Claudia Koestler, Bad Tölz/Penzberg

"Wie lebt es sich in Deutschland? Was sind Chancen und Grenzen?" Das sind Fragen, die Einheimische und Flüchtlinge gleichermaßen beschäftigen. Um Vorurteile abzubauen und ein persönliches Kennenlernen zu ermöglichen, initiieren mehrere Institutionen Aktionen für ein Miteinander. So können von November an in Penzberg jeden Samstag Antworten auf Fragen wie jene eingangs gesucht werden, wenn die evangelische und katholische Kirchengemeinde, die islamische Gemeinde und das Café International zusammen mit dem Helferkreis einen regelmäßigen Treffpunkt zur Begegnung zwischen Einheimischen und Flüchtlingen einrichten.

"Es ist uns ein echtes Anliegen, dass sich die Flüchtlinge bei uns wohl und willkommen fühlen. Auf der anderen Seite wollen wir Penzberger Bürgern ein Forum geben, um in persönlichen Kontakt mit Flüchtlingen zu kommen", sagt Georg Kurz vom Pfarrgemeinderat Christkönig. Durch persönliche Kontakte entstehe ein besseres Verständnis für die schwierige Lage der Flüchtlinge, für die furchtbare Situation in ihren Herkunftsländern, die schlimmen Erlebnisse auf ihrer Flucht und die konkrete Situation in Deutschland. Gleichzeitig könnten deutsche Bürger ihre Situation mit den Neuankömmlingen diskutieren und so manches verständlicher machen. "Es geht um Begegnungsmöglichkeiten, die Beziehungen und Erfahrungen ermöglichen sollen", erklärt der evangelische Pfarrer Klaus Pfaller. Ein Pegida-Sprecher habe nach Angaben von Pfaller jüngst erklärt, er treffe sich nicht mit Flüchtlingen, weil er sie sonst nicht hassen könne. "Wir wollen dem Hass den Boden entziehen", sagt Pfaller.

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Für die islamische Gemeinde ist es selbstverständlich, bei der Aktion mitzuwirken, engagiert man sich dort ohnehin täglich für die Flüchtlinge. "Wir übernehmen hier gerne eine Art Brückenfunktion für das bessere Verständnis auf beiden Seiten", sagt Vizedirektorin Gönül Yerli. "Lernen können alle Seiten", bringt es Pfarrer Pfaller auf den Punkt.

"Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Status und ihrer Religion zusammenzubringen ist eine Aufgabe, der sich das Café International seit acht Jahren widmet", sagt dessen Leiterin Katrin Fügener. Deshalb seien sofort mehrere der langjährigen Gäste des Cafés bereit gewesen, diesen Treff zu unterstützen und ihre mit der Zeit erworbenen Fähigkeiten einzubringen. Die Stadt Penzberg stellt über die Koordinatorin Ruth Brichmann und ihren ehrenamtlichen Helferkreis weitere Engagierte sowie den Raum zur Verfügung.

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Am Samstag um 14.30 Uhr beginnt der erste Miteinander-Treff im Barbara-Saal der Pfarrei Christkönig. Dann wird es jeden Samstag zwischen 14.30 Uhr und 17 Uhr ein Treffen geben, im regelmäßigen Wechsel der Orte. An jedem zweiten Samstag eines Monats findet er im evangelischen Gemeindehaus statt, am dritten Samstag im islamischen Forum und am vierten Samstag eines jeden Monats in der Begegnungsstätte Asyl in der Rathauspassage.

In Bad Tölz haben sich die katholische und evangelische Kirche, die Alt-Katholiken und die Muslime der Mevlana-Moschee zusammengefunden, um gemeinsam ein Friedensgebet zu veranstalten. Am geschichtsträchtigen 9. November - an dem sich die Pogromnacht der Nazis ebenso jährt wie der Fall der Mauer - sind alle Tölzer eingeladen, von 18.30 Uhr an am Marienbrunnen in der Marktstraße für den Frieden zu bitten unter dem Motto "Grenzerfahrung". "Der Friede steht inzwischen weltweit auf der Kippe", sagt Angelika Lindmair, die als stellvertretende Vorsitzende des Pfarrgemeinderats im Vorbereitungsteam ist. Etwa wenn sich Menschen radikalisieren und Grenzen gewaltsam überschreiten oder neue Grenzen errichten wollen. Die Gebete richten sich aber auch an jene, "die als Flüchtlinge voller Hoffnung an unseren Grenzen eine Perspektive suchen, und jene, die in ihrem Einsatz für diese Flüchtlinge an ihre persönlichen Grenzen gehen", sagt Lindmair. Kurzum: Die Aktion soll alle unterstützen, die sich religions- und konfessionsübergreifend für Frieden, Gerechtigkeit und Menschlichkeit einsetzen. "Wir wollen mit unserer Aktion zeigen, dass Menschen verschiedener Konfessionen zusammen leben können, ohne Glaubenskonflikte", betont Lindmair.

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Auch wenn das Friedensgebet von Vertretern unterschiedlicher Glaubenskonfessionen veranstaltet wird, soll es nicht allein Gläubigen vorbehalten sein. "Wir laden bewusst alle Tölzer Bürger ein, jeder ist willkommen, ein Zeichen für den Frieden zu setzen", betont Lindmair.

Miteinandertreff, Samstag, 7. November, 14.30 Uhr, Christkönigkirche Penzberg. Friedensgebet, Montag, 9. November, 18.30 Uhr, Marienbrunnen, Bad Tölz

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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