Diskussion im Thoma-Haus:Politisches Bekenntnis gefragt

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Drei Experten des Städtebaus sprechen sich auf einer Informationsveranstaltung des Dachauer Architektenforums dafür aus, dass die Stadt einen Gestaltungsbeirat einsetzt.

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

Die Nachricht der Experten hätte klarer nicht sein können: Dachau braucht einen Gestaltungsbeirat, der die Stadt bei großen Bauvorhaben berät. Damit, waren sie sich einig, könne die Stadt zum Wohl ihrer Bürger entwickelt werden. Auf Einladung des Dachauer Architekturforums sprachen sie am Dienstagabend im Thomahaus über ihre Erfahrungen mit Gestaltungsbeiräten: Kurt Werner, ehemaliger Stadtbaumeister von Regensburg und Konstanz und Mitglied in mehreren Gestaltungsbeiräten, Freisings Stadtbaumeisterin Barbara Schelle und der Architekt und ehemaliger Münchner Gestaltungsbeirat Stefan Hiendl.

Es ist eine Debatte mit einer langen Vorgeschichte: Seit vielen Jahren regt das Architekturforum um den Vorsitzenden Emil Kath immer wieder die Einsetzung eines Gestaltungsbeirats an. Doch der Stadtrat wehrte sich dagegen. Im März dieses Jahres dann stellte das Bündnis für Dachau den Antrag, ein temporäres Gremium einzurichten. Auch die CSU hatte Zustimmung signalisiert. Dementsprechend kamen neben Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), Bauamtsleiter Michael Simon und Stadträten der SPD auch Vertreter von Bündnis und CSU ins Thomahaus. Allerdings sprachen sich die Experten gegen einen temporären Beirat für Dachau aus. Ein solcher sei nur für kleine Gemeinden geeignet, sagte Kurt Werner. Eine Stadt wie Dachau brauche Kontinuität und eine dauerhafte, abgestimmte Handlungsweise. "Baukultur ist keine Eintagsfliege", sagte er. Ein ständiger Beirat könne die Stadt angemessen kennenlernen und gleichzeitig einen unverstellten Blick von Außen bewahren.

Der Turm an der Scheierlmühle kann als gelungenes Neubauprojekt in Dachau betrachtet werden. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Ein Gestaltungsbeirat steht der Stadt bei Bauvorhaben von einem möglichst frühen Zeitpunkt an beratend zur Seite. Vor allem bei solchen, die aufgrund ihrer Größe, Lage, Nutzung des Umfelds oder ihrer Erscheinung städtebaulich besonders bedeutend sind. Er fungiert als unabhängiger Interessensvermittler zwischen Bauherr, Bürgern und Stadt. Ziel ist es, die Qualität von Bauvorhaben zu verbessern. Der Gestaltungsbeirat tagt in der Regel öffentlich. Er ist interdisziplinär aufgestellt, meist besteht er aus Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplanern. Für die Dauer ihrer Tätigkeit dürfen sie keine öffentlichen Aufträge in der Stadt annehmen. Der Beirat gibt Empfehlungen zu Bauprojekten, nachdem diese vom Bauherrn oder Architekten vorgestellt wurden.

In Konstanz, berichtete Werner, seien durch die Arbeit des Gestaltungsbeirats "drei Viertel der Projekte deutlich besser" geworden. Die Kosten für das Gremium bezeichnete er als gering im Vergleich zum Volumen der Bauvorhaben. Auch, weil so Fehlplanungen vermieden werden könnten. Allerdings dürfe der Beirat "kein Feigenblatt, sondern müsse ein politisches Bekenntnis zu mehr Bauqualität sein." Stefan Hiendl betonte: "Alles steht und fällt mit dem Oberbürgermeister." In München habe das hervorragend funktioniert, zahlreiche Bauprojekte seien so konstruktiv und für alle Seiten lehrreich realisiert worden. Auch in Passau habe sich die Arbeit des entsprechenden Gestaltungsbeirats im Stadtbild "absolut bemerkbar gemacht". Bei der Arbeit eines Gestaltungsbeirats, sagte Hiendl, gehe es grundsätzlich nicht um Geschmack, sondern um das Allgemeinwohl. Freisings Stadtbaumeisterin Barbara Schelle berichtete von anfänglichen Zweifeln im Rathaus. Beim letzten Resümee sei jedoch eine deutliche Qualitätssteigerung bei Bauprojekten festgestellt worden. So habe der Gestaltungsbeirat, den es seit 2007 gibt, zuletzt etwa am Isarsteg mitgewirkt, beim Umbau der Eishalle oder beim Ausbau von Dachgauben in der Altstadt.

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Emil Kath.

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(Foto: oh)

Stefan Hiendl.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Barbara Schelle.

Trotz der ausschließlich positiven Vorträge der drei Experten herrschte bei einigen Zuhörern Skepsis ob der rechtlichen Legitimierung des Gestaltungsbeirats, des konkreten Geltungsbereichs seiner Arbeit und den Kriterien der Mitgliederberufung. Es schwangen Zweifel mit, ob der Beirat wirklich einen Mehrwert für die Stadt darstellt oder nur ein weiteres Hindernis ist. Ein Phänomen, das Werner im Laufe seiner Tätigkeit schon häufiger erlebt hat. In Konstanz hätten große Teile der Bevölkerung den Gestaltungsbeirat am Anfang nicht gewollt, doch in einer Bürgerbefragung hätten schließlich 90 Prozent dessen Arbeit als positiv bewertet. "Der Beirat bestimmt schließlich nicht", sagte Werner, "er überzeugt kraft besserer Argumente."

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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