Schweres Zugunglück:"Der Lokführer hatte keine Chance"

Im oberpfälzischen Freihung stößt ein Regionalzug mit einem Tieflader zusammen. Zwei Menschen sterben. Am Morgen danach zeigt sich ein Bild der Verwüstung.

Von Verena Wolff, Freihung

Aus den verkohlten Brocken ragen Kabel

Es sieht aus wie in einem Horrorfilm. Der Nebel wabert in den umliegenden Wäldern und über den Feldern, die Sonne geht gerade auf. Auf dem Gleis, das sich hier durch die idyllische Landschaft schneidet: Teile einer Regionalbahn. Von dem Führerstand des Zuges, der auf dem Weg von Neukirchen nach Weiden in der Oberpfalz war, ist nichts mehr übrig.

In der Nacht auf Freitag ist ein Regionalzug mit einem Schwertransporter zusammengestoßen. Am Morgen nach dem schweren Unglück riecht es nach Rauch. Ein Feuerlöscher liegt noch an der Stelle, an der der Lokführer gesessen haben muss - der Sessel ist nicht mehr da. Die komplette Lenkkonsole liegt verkohlt auf dem, was noch von dem Tieflader übrig ist, mit dem der Zug zusammengestoßen ist.

Auch das ist nicht mehr viel: Ein paar Räder links vom Führerstand, eine Tür rechts davon. Drumherum noch die weißen Reste des Löschmittels, das die Feuerwehr hier verteilt hat. Aus den schwarzen, verkohlten Brocken ragen Kabel, Metallstücke liegen herum. Manches ist nicht eindeutig zu erkennen.

"Der Bahnübergang ist etwa 500 Meter entfernt", sagt Peter Krämer. Er ist Sprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz. So weit hat die Bahn den Tieflader mitgeschleift, der auf dem beschrankten Übergang zum Stehen gekommen war. Es müssen Funken geflogen sein, dadurch könnte sich der Tank entzündet haben und es kam zu einer Explosion.

Noch sind viele Fragen offen

Wie genau sich der schwere Unfall in Freihung-Sand in der Oberpfalz abgespielt hat, wissen die Beamten noch nicht. Nur so viel: Ein Tieflader transportierte einen Militär-Lastwagen der amerikanischen Streitkräfte. Die US-Truppenübungsplätze Vilseck und Grafenwöhr sind in der direkten Nachbarschaft. "Wir gehen davon, dass der Lastwagen auf dem Bahnübergang steckengeblieben ist", sagt der Sprecher. Denn der hat eine Welle - und die kann sich als Hindernis erwiesen haben.

Der Regionalzug aus Nürnberg, einer der letzten des Abends, war vermutlich mit 140 Kilometern pro Stunde auf der geraden, eingleisigen Strecke unterwegs. "Das ist hier erlaubt", so die Polizei. Als die Schranken an dem Bahnübergang hinuntergingen, stand der Tieflader schon drauf. "Der Lokführer hatte keine Chance, zu bremsen." Seine Leiche wurde erst am Morgen in den Überresten des Führerstandes gefunden.

Seelsorger kümmern sich um die Reisenden

Zugunglück in der Oberpfalz

Der Führerstand des Zuges ist ausgebrannt, Teile der Lkw-Zugmaschine liegen darunter.

(Foto: Verena Wolff)

Auch der Lastwagenfahrer, der ersten Erkenntnissen zufolge aus Rumänien stammt, hatte offenbar keine Möglichkeit, sich in Sicherheit zu bringen. Seine Leiche ist einige Meter vom Bahnübergang entfernt gefunden worden. Sein Beifahrer hat das Unglück verletzt überlebt, er wird in einem Krankenhaus behandelt. Seine Aussage soll der Polizei den Hergang erklären. "Er hat offenbar nicht in dem Lastwagen gesessen, vielleicht hat er versucht, dem Kollegen beim Rangieren zu helfen."

Die meisten der etwa 40 Insassen des Zuges wurden nach dem Unglück in einem nahegelegenen Gewerbebetrieb untergebracht. Ein gutes Dutzend Fahrgäste musste medizinisch behandelt werden, war aber nur leicht verletzt. Seelsorger waren vor Ort und kümmerten sich um die Reisenden, die nun auf dem Weg nach Hause sind.

Vier Fahrgäste des Zuges wurden schwerer verletzt und liegen im Krankenhaus. "Ein Glück war, dass in der ersten Klasse niemand saß", sagt Krämer. Denn die wenigen Sitze der ersten Klasse liegen direkt hinter dem Führerstand. Und von denen ist nicht viel mehr als das Metallgerippe zu sehen. Auch dieser Teil des Zuges ist vollkommen ausgebrannt.

Noch sind die Gutachter an der Unglücksstelle

Hinter der ersten Tür: geborstene Fenster, verbogene Rahmen. Ob die Schienen befahrbar sind, ist noch nicht geklärt. Der überwiegende Teil der Reste des Lastwagens sind bereits in der Nacht abtransportiert worden. Die Gutachter arbeiten noch vor Ort, um den Hergang des Unglücks rekonstruieren zu können.

Am Mittag beginnt die Bergung der Fahrzeuge, eine Arbeit, die mehrere Stunden dauern wird. Erst dann können die Gleise untersucht werden. Und erst dann entscheidet sich, ob auch weiterhin Busse die Reisenden von Weiden nach Neukirchen bringen oder ob die Strecke wieder freigegeben wird. Die Signale am Bahnhof von Freihung stehen indes auf Rot.

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