Porsche-Prozess:Wenn Gott würfelt

Im Porsche-Prozess zeigen sich die Grenzen der Finanzwissenschaft. Professor Hans-Peter Burghof soll helfen zu klären, ob der ehemalige Porsche-Chef Wiedeking und Vorstand Härter im Jahr 2008 Lügen erzählt haben.

Von Max Hägler

Der Professor ist ein Zweifler, das wird schon zu Beginn klar. Der Finanzwissenschaftler Hans-Peter Burghof ist als Gutachter vom Landgericht Stuttgart geladen. Er soll helfen zu klären, ob der ehemalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und dessen Vorstandskollege Holger Härter im Jahr 2008 Lügen erzählt haben - in der Zeit des Kampfes, als Porsche den VW-Konzern übernehmen wollte.

Der "verständige Anleger" sei getäuscht worden durch Porsche-Pressemitteilungen, das unterstellt die Staatsanwaltschaft: die beiden Manager hätten die Dimension ihres Übernahmeplans verschwiegen, um den VW-Aktienkurs niedrig zu halten. Wegen des daraus folgenden Vorwurfs der Marktmanipulation sitzen Wiedeking und Härter auf der Anklagebank. Sie bestreiten das und lauschen dem Professor aufmerksam.

Ein "verständiger Anleger", was sei das überhaupt?, fragt Burghof zu Beginn seiner viele Stunden dauernden Ausführungen, die letztlich den beiden Angeklagten helfen werden. Seien damit Aktionäre gemeint, die per technischer Analyse handeln? Nein, es seien Menschen, die auch an "Gurus" glaubten, auch wenn ein Laie sie vielleicht als verständig bezeichnen würde. Im beschränkten Rahmen dessen, was sein Fachgebiet leisten könne, habe er dennoch versucht, nachzuspüren, ob insgesamt sechs Pressemitteilungen die Spekulanten beeinflusst hätten. "Nein", lautet schließlich sein Urteil zu den ersten fünf. Die darin enthaltenen Infos seien wenig überraschend gewesen und hätten den Kurs jeweils auch kaum bewegt.

Bei der Diskussion um die sechste Pressemitteilung macht Burghof deutlich, dass die Finanzwirtschaft manchmal keinen rationalen Regeln mehr folgt und die Analyse folglich an ihre Grenzen kommt.

Am 26. Oktober 2008 erklärte Porsche erstmals, 75 Prozent der VW-Anteile übernehmen zu wollen. Die Staatsanwaltschaft unterstellt, dass Wiedeking und Härter damit ein zu starkes Absinken des VW-Aktienkurses verhindern wollten. Dass sie nun also eine genau gegensätzliche Absicht zu den vorangegangenen Mitteilungen gehabt hätten - um Finanzmarktgeschäfte nicht zu gefährden. Tatsächlich schnellte der Kurs in den Tagen danach auf mehr als 1000 Euro. Anleger, die auf einen fallenden VW-Kurs gewettet hatten, machten Milliardenverluste.

Es sei auch nicht auszuschließen, dass dieser Kurssprung das Ziel von Porsche gewesen sei, sagt Burghof. Aber er sehe auch andere Gründe für so eine Mitteilung. Und es sehe auf den ersten Blick auch so aus, als ob die Mitteilung des 26. für den Kurssprung verantwortlich gewesen sei, sagt der Wissenschaftler. Angesichts anderer, nicht erklärbarer, Kurssprünge in diesen Tagen, nehme er aber an, dass der Kursanstieg nicht nur, "vielleicht nicht einmal überwiegend", an der Porsche-Mitteilung gelegen habe.

Und letztlich zweifelt Burghof daran, dass so eine Manipulation überhaupt möglich gewesen wäre: Der Kapitalmarkt sei durch die Pleite der US-Großbank Lehman weltweit im Chaos gewesen. Und der VW-Kurs habe sich schon zuvor annormal verhalten, eine Blase gebildet, bis er "bunt durcheinander" gegangen sei. "Da würfelt Gott dann auch ein bisschen", sagt er. Ein planvolles Handeln, wie die Staatsanwaltschaft den Porsche-Managern unterstellt, sei in der Zeit gar nicht mehr möglich gewesen.

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