Kurzkritik:Feines Märchen

BR-Symphoniker mit Ravel und Salonen

Von Klaus Kalchschmid

21 Szenen in 45 Minuten: mit sprechenden Möbeln, Tieren und Bäumen sowie einem Kind, das sich aus Langeweile an diesen "Dingen" vergangen hat. Nun wird es bestraft, stirbt vor Schreck fast, um am Ende ob seines doch durchscheinenden Mitleids gerettet zu werden, indem der ganze lebendig gewordene Garten den Ruf nach der Mutter anstimmt.

Maurice Ravels "Fantaisie lyrique" unter dem Titel "l'Enfant et les Sortilèges - Das Kind und der Zauberspuk" war 2011 an der Bayerischen Staatsoper szenisch zu erleben, aber diese semi-konzertante Version in der Philharmonie hatte ihren eigenen Reiz. Denn die Sängerinnen und Sänger agierten in Konzertkleidung auswendig an der Rampe vor dem Orchester und traten dafür immer wieder auf und ab - mit Ausnahme des Kindes. Sie sangen prägnant und füllten verschiedene Rollen mit Mimik und Gestik. Mangels dominierender Optik konnte man sich ganz auf die feine kammermusikalische Faktur dieses Märchens konzentrieren, von den BR-Symphonikern unter dem präzisen Paul Daniel exquisit musiziert.

Die junge Mezzosopranistin Hélène Hébrard war im weißen Männerhemd mit lockerer schwarzer Krawatte die einzige im Kostüm - als Junge! Bei den anderen reichte es, die Haare offen oder gebunden zu tragen (François Piolino Frosch, Teekanne und Zahlenmännchen mit dem Kinderchor der Staatsoper als Zahlen) oder einfach nur dazustehen, so die Bassbaritone Eric Owens (Sessel, Baum) und Nathan Berg (Standuhr, Kater). Julie Pasturaud (auch Sessel und Eichhörnchen) sang mit Letzterem ein herrliches Katzen-Duett.

"Karawane", die Vertonung des gleichnamigen Dada-Gedichts, war zuvor das effektvolle Entree voller Orientalismen, in dem vor allem der BR-Chor in jeder Hinsicht brillieren konnte. Sie stammt von Esa-Pekka Salonen, der das Konzert aus persönlichen Gründen nicht selbst dirigieren konnte. Er zieht hier alle klanglichen und rhythmischen Register, und doch wirkt das Ganze bei aller Nähe zu Strawinsky oder dem Impressionismus nie eklektisch, sondern einfach anspielungsreich raffiniert und schlichtweg zündend, zumal Paul Daniel die Farben und Finessen der Partitur bis in die letzten Winkel ausleuchtete.

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