Holger Badstuber:Nach 200 Tagen wieder Gänsehaut-Momente

Bayern München - VfB Stuttgart

Selbstporträt mit Bär: Holger Badstuber knipst ein Selfie mit Bayern-Maskottchen Bernie.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der Verteidiger kehrt nach langer Verletzungspause zurück ins Team und wird von den Fans frenetisch gefeiert.

Von Matthias Schmid

Auch Berni spürte, dass das ein besonderer Tag in der Karriere von Holger Badstuber war. Also zückte das Maskottchen des FC Bayern plötzlich sein Mobiltelefon unter dem braunen Bärenfell hervor und bat den Verteidiger um ein Selfie. Die beiden standen nun ganz allein im Strafraum der Münchner Arena.

Seit dem Schlusspfiff gegen den VfB Stuttgart (4:0) waren schon einige Minuten vergangen, die Bayern-Spieler hatten sich von der Südkurve feiern lassen, sie hatten sich huldigen lassen, wie sie das immer machen nach Siegen. Und doch war es anders als sonst, irgendwie intensiver. Berni hatte diesen besonderen Moment als Erster erkannt. Er drückte also Badstuber sein Handy in die Hand, der Kicker war aufgeregt, er suchte den richtigen Knopf, ein, zwei Sekunden vergingen, dann hatten Bernie und er sein Bild. Als Badstuber seinen Mitspielern zur nächsten Seite des Stadions folgte, drehte er sich noch mal um. Er genoss den Moment, ganz allein, ohne Berni.

"Holger Badstuber, Holger Badstuber" hallte es aus der Südkurve. Badstuber winkte. Bald schrie das ganze Stadion seinen Namen. "Das ging mir unter die Haut", bekannte Badstuber später in den Katakomben: "Das war ein unglaublicher Empfang für mich, das haben die Fans überragend gemacht."

Holger Badstuber, 26, hat leider nach zwei Kreuzbrandrissen und anderen größeren und kleineren Blessuren schon eine gewisse Übung darin, sich in den Alltag zurückkämpfen zu müssen. Er kennt das Prozedere nach einer Verletzung, das Ruhigstellen, das Humpeln mit und ohne Krücken, die Einheiten in der Rehabilitation, das Alleinsein, die guten Tage, die schlechten Tage, das Gefühl im Training wieder erstmals den Rasen riechen und sanft gegen den Ball treten zu dürfen. Er hat die ganze Plackerei durchgestanden. Wieder einmal. 200 Tage liegen zwischen seinem Muskelriss im linken Oberschenkel im Champions-League-Spiel gegen den FC Porto und seiner Rückkehr in der 59. Minute gegen seinen früheren Klub VfB Stuttgart. "Ein halbe Stunde zu spielen war perfekt für mich", erklärte Badstuber.

"Sogar auf der Bank Gänsehaut bekommen"

Schon in den Minuten vor seiner Einwechslung für Thomas Müller wurden die ersten Zuschauer unruhig, sie raunten, sie erhoben sich von ihren Sitzen, sie klatschten, es wurde immer lauter, bis die Freude des Publikums beim ersten Schritt Badstubers auf den Rasen explodierte. Es war lauter als zuvor bei den vier Toren in der ersten Hälfte. "Da habe ich sogar auf der Bank Gänsehaut bekommen", gestand Kapitän Philipp Lahm.

Viel zu tun hatte Badstuber dann nicht mehr, das Spiel war lange entschieden, ein paar Pässe zum Mitspieler, noch eine abfällige Handbewegung zum Schiedsrichterassistenten, als dieser eine Abseitsstellung von Timo Werner zu spät erkannte. Mehr nicht. Keine Grätsche, kein abgeblockter Schuss, kein Sprint. Außer natürlich noch das Dribbling im Strafraum, als Badstuber Werner mit einer einfachen Körpertäuschung lässig ins Leere laufen ließ. "Ich bin wieder schmerzfrei, voll belastbar", sagte Badstuber. "Aber nach zwei Wochen Training fehlt mir noch einiges." Sein Anspruch an sich ist ein anderer. Er will nicht nur mitspielen beim FC Bayern, hin und wieder eingewechselt werden. "Ich will langfristig wieder Leistung bringen."

Das wünschen sich auch Bayern-Sportdirektor Matthias Sammer und Arjen Robben. Die beiden kennen sich ebenfalls aus mit Verletzungen, sie haben wie Badstuber mehrfach reparierte Bänder und Sehnen. Sammer musste seine Karriere wegen seiner Knieverletzung sogar vorzeitig beenden. "Ich hoffe, dass er jetzt mal auf Dauer gesund bleibt." Und Robben ergänzte mitfühlend: "Er hat sich für seine schwierige Leidenszeit belohnt heute."

Auch Trainer Pep Guardiola ist froh, dass Badstuber wieder soweit genesen ist, dass er ihn behutsam an das hohe Niveau seiner Mannschaft heranführen kann. "Sein Aufbauspiel ist: puh", sagte Guardiola in seiner typisch schwärmerischen Art, "meiner Meinung nach ist es das Beste, was ich in meinem Leben gesehen habe." Er hatte den gebürtigen Memminger einst sogar zum besten Spieler erhoben, den er jemals trainiert habe. Badstuber spürt dieses Vertrauen vom Trainer, deshalb war und ist es für ihn auch keine Option, den FC Bayern in der Winterpause zu verlassen, Anfragen, auch vom VfB Stuttgart, soll er vorliegen haben. Er weiß, dass er beim FC Bayern alles hat, um wieder zu seiner alten Stärke zurückzufinden. "Ich muss jetzt Geduld haben und weiter hart arbeiten. Es ist für mich ein Vorteil, dass ich hier eine hohe Qualität im Training vorfinde."

Angst, dass er sich abermals verletzen könnte, habe er nicht. "Wenn ich rausgehe und Fußball spiele, haue ich mich immer voll rein", erzählte Badstuber. Zweifel kennt er nicht, "sonst hätte ich es nicht mehr zurückgeschafft auf dieses Niveau". Aber verändert habe er sich durch all die Rückschläge schon, fügte er hinzu. Zum Glück, wie er findet. Präzisieren wollte er das aber nicht. Er hatte es dann irgendwann eilig nach Hause zu kommen. Er wollte fort, um das Erlebte nun alleine zu verarbeiten. Fotografisch festgehalten hatte diesen besonderen Tag für ihn ja schon Berni.

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