Turnen:Unter dem Banner der Geschichte

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Die Turner des Teams Oberbayern - hier der Mühldorfer Stefan Miedl - führen auch zwei Wettkampftage vor Schluss die zweite Bundesliga Süd an. (Foto: Claus Schunk)

Zweitligist Exquisa Oberbayern kassiert gegen Singen die erste Saisonniederlage. Trotzdem liegt das Team weiter auf Titelkurs. In zwei Wochen soll am Utzweg der Meistertitel gefeiert werden. Ziel ist es, wieder einen Hachinger Verein in die erste Liga zu bringen

Von Alexander Mühlbach, Unterhaching

Es gibt sie noch, die Relikte aus vergangenen Tagen. Von damals, als Unterhaching in Deutschlands erster Liga mitspielte. In der Sporthalle am Utzweg auf einem Bildschirm, der bei jeder Veranstaltung eingeschaltet wird und Bilder vom Pokalfinale der Volleyballer aus dem Jahr 2013 zeigt. 10 000 jubelnde Zuschauer. Ein strahlender Horst Seehofer, der das Trikot von Generali Haching hochhält. Bilder wie aus einer anderen Zeit. Ende Juli 2014 zogen sich die Volleyballer wegen eines fehlenden Hauptsponsors aus der ersten Liga zurück und spielen mittlerweile in der Regionalliga. Trotzdem wird der Bildschirm immer wieder angemacht. Wie ein Fotoalbum, das man ab und zu anschaut, um sich an bessere Tage zu erinnern.

Die Sehnsucht nach einem Erstligateam in der Gemeinde, dessen Fußballteam ja auch einmal ganz oben kickte, ist groß. Vielleicht kamen am Samstagabend beim Zweitliga-Turnwettkampf zwischen Exquisa Oberbayern und dem Stadt-Turnverein Singen auch deswegen so viele Menschen in der Sporthalle am Utzweg zusammen. Mehr als 300 Zuschauer wollten sehen, wie abseits des Bildschirms neue, schöne Bilder produziert wurden, die einer erfolgreichen Turnmannschaft. Denn das Team Oberbayern - ein Zusammenschluss der drei Trägervereine TSV Unterhaching, TSV Weilheim und TSV Unterpfaffenhofen-Germering sowie des TSV Mühldorf - will in der zweiten Bundesliga Süd die Meisterschaft gewinnen und sich damit für die Aufstiegsrelegation zur ersten Liga qualifizieren. Der Turner Tassilo du Mesnil geht sogar noch einen Schritt weiter. "Wir wollen in die erste Liga aufsteigen", sagt er. "Wenn nicht dieses Jahr, dann eben im nächsten."

Du Mesnil sagt das klar und nüchtern, obwohl die Mannschaft erst vor der vergangenen Saison in die zweite Bundesliga aufgestiegen war. Er weiß, dass sie das Leistungsvermögen für den Gewinn der Meisterschaft besitzt. Die ersten vier Wettkämpfe haben die Oberbayern alle gewonnen, einige sogar nach Belieben dominiert. Und das, obwohl sich der Kader im Vergleich zur vergangenen Saison nicht verändert hat. Es sind immer noch die selben elf Turner, die sich das weiße Trikot mit den Kuhflecken überstreifen. Inklusive der Ungarn David Vecsernyes und Bank Selmeczi, die vor zwei Wochen bei der Weltmeisterschaft in Glasgow dabei waren.

Aber in Jakob Paulicks haben sie nun endlich einen Trainer engagiert. Was alleine schon deswegen eine Nachricht ist, weil sich die Oberbayern als Mannschaft bis zum vergangenen Jahr selbst trainiert haben. "Jakob bringt viel Erfahrung als Turner mit und zeigt uns neue Übungen", erklärt du Mesnil, bevor er sagt, dass Paulicks, der Sohn des Unterhachinger Abteilungsleiters, es trotzdem nur schafft, alle drei Wochen vorbeizuschauen. Er selbst ist ja auch noch Turner, war jahrelang für den Erstligisten FC Bayern München unterwegs, jetzt für die KTV Obere Lahn. "Die Abstimmung erfolgt viel über das Handy", erklärt du Mesnil. Während der Wettkämpfe analysieren sie sich daher weiterhin selbst, was kein Problem sei. Du Mesnil fällt seit Ende August wegen eines Kreuzbandrisses aus, er hat daher für den Rest der Saison Zeit, seinen Kollegen zuzuschauen. "Das funktioniert", versichert er. Sie seien erfahrener geworden. Sie wissen jetzt, was es braucht, um Wettkämpfe zu gewinnen.

Nur an diesem Samstag gegen den Zweitplatzierten aus Singen wollte das nicht so klappen. Die Gastgeber verloren knapp mit 28:33 Scorerpunkten. Zum einen weil in Felix Remuta ihr bester Athlet fehlte. Der deutsche U17-Meister am Barren war mit der Nationalmannschaft auf einem Länderwettkampf. Zum anderen aber auch, weil Singen mit dem Österreicher Vinzenz Höck antrat, der ebenfalls bei der WM in Glasgow im Einsatz war und am Samstag 13 Punkte für sein Team holte. So viele wie kein anderer an diesem Tag.

Trotzdem stand am Ende der Singener Trainer Axel Leitenmair in der Halle und sagte: "Der Sieg bringt uns gar nichts, wir können Oberbayern nicht mehr überholen und Erster werden." Es klang beinahe so, als wollte er zur anderen Seite rüberrennen und dem Gegner zur Meisterschaft gratulieren - zwei Wettkampftage vor Ende der Saison. Aber selbst du Mesnil sieht das ähnlich. "Wir werden trotzdem Erster werden", sagt er. Singen hatte zuvor in der Liga schon einmal verloren, und weil die Oberbayern bislang mehr Gerätepunkte geholt haben - ungefähr vergleichbar mit der Tordifferenz im Fußball -, sind sie immer noch Erster. "Das lassen wir uns in den letzten zwei Wettkämpfen gegen den Tabellensechsten und gegen den Letzten auch nicht mehr nehmen", versichert du Mesnil. Er will Geschichte schreiben. Dann blickt er hinauf zur Hallendecke. Dort, wo ein Banner der Hachinger Volleyballer an alte Zeiten erinnert.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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