Filmtipp des Tages:Medea im kleinen Schwarzen

Beim ersten Auftritt legt Medea ihre wilde Barbaren-Kleidung ab, und Nadja Michael steht plötzlich im kleinen Schwarzen da, bevor sie zur Begleitung einer zarten Solovioline zu singen beginnt. In Hans Neuenfels' Inszenierung von Giovanni Simone Mayrs "Medea in Corinto" begleitet sie auf der Bühne des Nationaltheaters eine Geigerin, die zum Alter Ego wird. Erst allmählich, weil ihr Ehemann Giasone sie loswerden will, entwickelt sich Medea zur Amokläuferin. Michael spielt und singt das mit verzehrender, Grenzen überschreitender Intensität. Der Giasone von Ramón Vargas ist dagegen ein tenoral auftrumpfender machtgeiler Mitläufer. Neuenfels' prägnante, assoziationsreiche, manchmal sehr witzige Inszenierung auf einer zweigeteilten Bühne von Anna Viebrock wirkt im Film noch unmittelbarer und schmerzlich intensiver als in der Staatsoper; auch die Musik gewinnt unter Leitung von Ivor Bolton am Pult des Staatsorchesters an Dringlichkeit.

Medea in Corinto , 2010, Regie: Hans Neuenfels, Dienstag, 10. November, 18 Uhr, Istituto italiano di Cultura, Hermann-Schmid-Str. 8; in der Reihe "L'opera riscoperta" werden bis 15. Dezember jeden Dienstag auch Opern-Raritäten von Rossini gezeigt.

© SZ vom 10.11.2015 / klk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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