Illegale Drogen im Labor:Mit Highsein heilen

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Gefährliche Droge oder Medikament? Wissenschaftler aus Basel versuchen die Frage unter anderem mit Hilfe von Kernspintomographien des Gehirns zu beantworten (Symbolbild).

(Foto: imago/Science Photo Library)

LSD und Ecstasy als Medikamente? Forscher wollen testen, ob das funktioniert.

Von Charlotte Theile, Zürich

Der Versuchsaufbau klingt ziemlich beängstigend. "In unseren klinischen Studien haben wir den Testpersonen ein Placebo oder LSD verabreicht. Dann wurden ihre Gehirnaktivitäten mittels Kernspintomographie gemessen", sagt Matthias Liechti, Professor für klinische Pharmakologie an der Universität Basel und Leitender Arzt am Universitätsspital Basel. Auf LSD in eine enge Röhre geschoben zu werden - ist das nicht ein Garant für einen Horrortrip? Liechti winkt ab: "In der Röhre haben wir vorerst eine geringe Dosis verwendet." Panik habe keine der Testpersonen empfunden.

Die Ergebnisse, die Liechti inzwischen auch in angesehenen Fachmagazinen veröffentlicht hat, weisen vielmehr in die entgegengesetzte Richtung: Alle Testpersonen empfanden das psychodelische Erlebnis in der Uniklinik Basel als überwiegend angenehm, selbst wenn sie zwischendurch Angst hatten, der Trip könne nie wieder aufhören. Ähnlich sind die Ergebnisse, die Liechti mit MDMA erzielt hat, dem Wirkstoff, der in der Partydroge Ecstasy enthalten ist.

Warum man überhaupt mit bewusstseinserweiternden Drogen forscht? Für Matthias Liechti gibt es eine Reihe von Gründen. "Da wäre als Erstes die Relevanz. Fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung haben Erfahrung mit psychoaktiven Substanzen wie LSD und MDMA, ob sie nun erlaubt sind oder nicht." Und wenn ein Verhalten derart häufig vorkomme, empfehle es sich, auch etwas darüber zu wissen.

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Therapie durch bewusstseinserweiternde Drogen

So haben die Forscher in Basel nachempfunden, welche Wirkung welche LSD-Konzentration im Blut auf das Verhalten der Probanden hatte. Diese Erkenntnisse können beispielsweise der Verkehrspolizei helfen, die beurteilen muss, mit welchen Werten ein Autofahrer wie stark beeinträchtigt ist. Auch für andere Delikte, die unter Drogeneinfluss begangen werden, sind diese Werte von Bedeutung.

Doch Liechti sieht bewusstseinserweiternde Drogen nicht nur als Fall für die Kriminalpolizei. Der Basler Forscher ist überzeugt: MDMA und LSD könnten in Therapien positiv wirken und sollten als potenzielle Medikamente untersucht werden.

"Ein Beispiel: Wer eine Posttraumatische Belastungsstörung hat, kann oftmals kaum über das Erlebte sprechen. MDMA erleichtert es, intime Dinge zu teilen - es löst positive Gefühle aus und etwas, das wir Entängstigung nennen. Wenn ein geschulter Therapeut diese Substanz einsetzt, kann der Patient vielleicht die negative Erfahrung im Gehirn überschreiben: Er hat sich mit dem Trauma auseinandergesetzt und erlebt, dass ihn die Erinnerung nicht mehr mit negativen Gefühlen überflutet." Außerdem sei die Suchtgefahr niedrig. "Halluzinogene wie LSD machen nicht abhängig. Bei MDMA ist das Potenzial etwas höher, aber immer noch gering", sagt Liechti.

Verherrlichung gefährlicher Drogen?

Nicht wenige Menschen sehen das, was Liechti macht, als Verharmlosung oder gar Verherrlichung gefährlicher Drogen. In vielen Ländern sind solche Forschungen seit den 1970er Jahren verboten. Aufgabe des Staats sei es, Drogen zu bekämpfen, nicht ihr Potenzial zu erkunden - diese Haltung herrscht bis heute in vielen Ländern vor. In Deutschland wäre seine Forschung so nicht möglich, sagt der Schweizer, anderswo dagegen werde ebenfalls "experimentelle Humanforschung" betrieben - in Zürich etwa, in London, in den Niederlanden und den USA.

Psychedelische Medizin

In den 1950er und 1960er Jahren wurde bisweilen wild geforscht: Manche Dosierung, manches Vorgehen, manche Heilsversprechen, die Wissenschaftler bei der Untersuchung psychedelischer Drogen anwandten, waren ethisch nicht vertretbar. Das Forschungsgebiet geriet für Jahrzehnte in Misskredit. Doch seit einigen Jahren wenden sich einige Therapeuten erneut dem Potenzial der Drogen zu: diesmal allerdings in streng kontrollierten Studien.

Untersucht werden unter anderem LSD, MDMA, das auch unter dem Namen Ecstasy bekannt ist, die synthetische Droge Ketamin und das in einigen Pilzen vorkommende Halluzinogen Psilocybin. Mögliche Einsatzgebiete sind Alkoholabhängigkeit, Depressionen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Zwänge und Ängste, vor allem, wenn sie im Endstadium von tödlichen Krankheiten auftreten.

Bisherige Studien umfassten jeweils nur ein bis zwei Dutzend Versuchspersonen. Empfehlungen lassen sich aus solch kleinen Tests nicht ableiten. Doch das Fazit, das kanadische Forscher vor kurzem aus einer Sichtung der ersten Erkenntnisse zogen, fiel verhalten positiv aus: Die Studien hätten einige erfolgreiche Resultate erbracht und dabei nur wenige Nebenwirkungen gezeigt. Zu den unerwünschten Begleiterscheinungen gehörten Angst, Herzrasen, Blutdruckanstieg und zum Teil Kopfschmerzen. Bei Menschen mit entsprechender Neigung können Psychosen als Folge des Drogenkonsums auftreten. In den aktuellen Studien werden deshalb Menschen mit einem Risiko für diese Erkrankungen ausgeschlossen. beu

Diese Forschung hat nichts mit den illegalen Therapien zu tun, die manche Ärzte und selbsternannten Heiler anbieten, und die fatal enden können. 2009 starben in einer Berliner Gruppenpraxis zwei Menschen unter dem Einfluss von Drogen. Im September dieses Jahres endete eine Fortbildung für einige Ärzte, Psychologen und Heilpraktiker auf der Intensivstation. Sie hatten mit bewusstseinserweiternden Drogen experimentiert. Die Geschichte vom "Heilpraktiker-Exzess" machte bundesweit Schlagzeilen.

Im Vergleich dazu lesen sich die Berichte über die Uni Basel eher unspektakulär: "Unispital schickt Studenten auf LSD-Trip", titelte die Schweizer Gratiszeitung 20 Minuten. Doch selbst das klingt, als gäbe es hinter den Krankenhausmauern wilde Drogenpartys. Das Gegenteil sei der Fall, sagt Liechti, der am liebsten komplizierte Auswertungsdiagramme und wissenschaftliche Publikationen verschickt. "Unsere Probanden waren körperlich und psychisch gesund und hatten kaum Drogenerfahrung. Außerdem mussten sie mindestens 25 Jahre alt sein."

Diese Auflagen sind dem Umstand geschuldet, dass die Wechselwirkungen zwischen bewusstseinsverändernden Drogen und psychischen Erkrankungen noch unklar sind. "Lösen diese Drogen Störungen aus? Oder versuchen Menschen mit psychischen Störungen, sich mit diesen Substanzen selbst zu heilen? Solche Fragen sind noch wenig beantwortet", sagt Liechti. Klar ist: LSD, das Liechti für geeignet hält, um sich in einem therapeutischen Setting mit existenziellen Ängsten zu beschäftigen, kommt in seiner Wirkung einer kurzen Schizophrenie nahe. Wer eine Veranlagung zu dieser Krankheit hat, sollte eher nicht damit experimentieren.

Eine weitere Einschränkung ist das Alter. Wenn Jugendliche, deren Gehirn noch in der Entwicklung ist, bewusstseinsverändernde Drogen nehmen, sind die Folgen schwer abzuschätzen. Bei seinen erwachsenen, gesunden Probanden sei das Ergebnis eindeutig, sagt Liechti. "Die Studie ist jetzt schon mehr als ein Jahr her. Es gibt keine Hinweise auf psychische Schädigungen. Auch andere Studien mit LSD und Halluzinogenen kommen zum selben Schluss."

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