Eon:Die Rache der neuen Strategie

Kernkraftwerk Grohnde

Der Atomausstieg und die Folgen: Das Kernkraftwerk Grohnde in Niedersachsen gehört zu knapp 83 Prozent dem Energiekonzern Eon.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
  • Der Energiekonzern Eon wird schlechte Quartalszahlen präsentieren - allein sieben Milliarden Euro Verlust im dritten Quartal.
  • Grund sind Abschreibungen auf konventionelle Gas- und Kohlekraftwerke.

Analyse von Karl-Heinz Büschemann

Jetzt gibt es schon wieder eine schlechte Nachricht von Eon, als hätte der Düsseldorfer Energiekonzern nicht schon genügend Schreckensmeldungen produziert. Der Eon-Vorstand hat den Aktionären und seinen knapp 60 000 Beschäftigten wieder überaus miese Zahlen vorgelegt. Allein im dritten Quartal hat der Konzern einen Verlust von sieben Milliarden Euro gemacht. Das hat es in der Unternehmensgeschichte bisher nicht gegeben.

In den ersten neun Monaten beträgt der Verlust 5,7 Milliarden Euro.

Der Grund dafür: Der größte deutsche Energieversorger muss vor allem die Werte seiner konventionellen Gas- und Kohlekraftwerke kräftig abschreiben - ingesamt belaufen sich die Wertberichtigungen für Kraftwerke auf 8,3 Milliarden Euro.

Damit geht die Abwärtsentwicklung von Eon ungebremst weiter. Der Konzern befindet sich längst in einer ähnlich prekären Situation wie der Essener Konkurrent RWE. Beide sind von der Energiewende massiv getroffen: Die konventionellen Großkraftwerke und die Atomenergie werden für die Stromversorgung immer unwichtiger, die erneuerbaren Energien werden immer bedeutsamer. Lange galt Eon hierbei dem Essener Konkurrenten RWE überlegen. Jetzt aber zeigt sich, dass auch Eon kaum eine Lösung hat, um sich aus der Krise herauszumanövrieren. "Eon steht nur geringfügig besser da als RWE", sagt ein Düsseldorfer Kenner der Energiewirtschaft.

Teyssen muss die klassischen Kraftwerke neu bewerten, weil sie weniger wert sind

Die Börse reagierte schon am Dienstag entsprechend nachdem erste Zahlen schon vorab bekannt wurden: Die Aktie verlor bis zu zwei Prozent an Wert - und das, obwohl die Investoren schlechte Nachrichten aus dem Konzern gewohnt sind. Der Kurs von Eon ist seit dem Jahr 2008 bereits um 80 Prozent abgestürzt. Die Düsseldorfer haben in dieser Zeit einen Börsenwert von 87 Milliarden Euro verbrannt. Das entspricht dem heutigen Wert des Daimler-Konzerns.

Zudem zeigt sich jetzt, wie teuer letztendlich der missglückte Versuch des Vorstandsvorsitzenden Johannes Teyssen war, vor einem Jahr die Strategie von Eon radikal zu verändern. Teyssen hatte geplant, vom nächsten Jahr an die konventionellen Kraftwerke plus die Atommeiler in eine neue Gesellschaft mit Namen Uniper auszugliedern. Bei Eon sollten nur noch die neuen regenerativen Energien verbleiben. Teyssen hat es immer bestritten, aber er verfolgte damit vor allem ein Ziel: Er wollte mit der neuen Gesellschaft offenbar die gewaltigen Milliardenkosten loswerden, die beim Rückbau der alten Atommeiler anfallen. Nicht mehr Eon hätte die Folgen bezahlen müssen, sondern im Zweifelsfall der Steuerzahler.

Der Plan ging schief, die Bundesregierung roch den Braten und machte schnell ein Gesetz, welches dafür sorgt, dass die Atom-Folgekosten bei Eon bleiben müssen. Der Eon-Chef musste teilweise zurückrudern - aber er hielt dennoch, auch um das Gesicht zu wahren, an der Aufspaltung des Konzerns in zwei Teile fest. Nun aber kann er nur die konventionellen Kraftwerke in die neue Gesellschaft auslagern; und weil die aufgrund der Energiewende weniger wert sind als früher, muss er sie in der Bilanz nun - im Vorfeld der Aufspaltung - teilweise abschreiben. Teyssen hatte bereits im September eine Wertberichtigungsbedarf "im höheren einstelligen Milliarden-Euro-Bereich" angekündigt. Schon 2014 hatte der Versorger einen Verlust von 3,16 Milliarden Euro eingefahren, den bis dato höchsten in der Konzerngeschichte.

Doch wohin steuert Teyssen? Die Skepsis ist groß. "Was ändert sich an der Ertragslage der Gesellschaft, wenn man sie in eine neue Struktur packt? Aus meiner Sicht ändert sich nichts. Das wird das Problem der Kraftwerke nicht lösen", sagt der Aktionärsvertreter Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Eons Probleme haben dabei auch mit Managementfehlern zu tun. Die neue Welt der Energieerzeugung, mit Sonnenstrom von Hausdächern oder Windkraft aus Propellerparks, hatten die Meister der Großkraftwerke nicht rechtzeitig im Blick. Jetzt leiden sie unter der neuen Konkurrenz, unter den alternativen Stromerzeugern, und machen dafür die Bundesregierung verantwortlich. Die hatte nach der Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Die Konzerne kostete die plötzliche Energiewende Milliarden. Das konnte kaum ein Manager vorhersagen. Aber damit haben die Probleme der Atomkonzerne nicht angefangen. Sie wurden nur sichtbar.

Den jetzigen Abschreibungen sind schon seit Jahren Milliarden-Wertberichtigungen vorausgegangen, welche die Leistung des Managements in ein fragwürdiges Licht stellen. Seit 2011 waren es 11, 7 Milliarden Euro. Erst kürzlich war Eon-Chef Teyssen in München, um vor Veteranen des Konzerns seine Strategie zu erläutern. Unumwunden räumte er ein, dass in jüngerer Zeit Abschreibungen von 20 Milliarden Euro angefallen waren. Eon hatte sich über Jahre mit gewaltigen Investitionen im Ausland verspekuliert. "Das sind Managementfehler", schimpft ein ehemaliger Eon-Manager. "Ohne diese Belastungen in der Vergangenheit könnte Eon die heutige Krise viel leichter bewältigen."

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