Kassenärzte:Zerrüttetes Verhältnis

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Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion bricht mit den Kassenärzten. Sie hat kurzerhand die Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung beendet - wegen falscher Aussagen.

Von Guido Bohsem, Berlin

Die Zeiten waren schon mal besser für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Zum Beispiel zu Zeiten der großen Gesundheitsreform von Ulla Schmidt (SPD). Auf dem Höhepunkt der monatelangen, extrem strittigen Verhandlungen, präsentierte - so schwören es mehrere Teilnehmer Stein auf Bein - eine Gesundheitspolitikerin der CDU der Koalitionsrunde eine neue Forderung. Auf den Unterlagen, die sie dazu austeilte, war noch der Briefkopf der KBV zu sehen. Die Unionsfrau hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihn zu entfernen. "Vermutlich, weil eh jeder wusste, woher er kam", sagt ein sozialdemokratischer Kollege.

Diese Zeiten sind vorbei. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Maria Michalk, beendete jetzt kurzerhand die Zusammenarbeit mit der KBV. Ein für diesen Dienstag anberaumtes Treffen ließ sie platzen. Sie sehe derzeit keine Grundlage für konstruktive Gespräche, ließ sie die KBV in einem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Brief wissen. Und auch für die Zukunft solle sich die KBV keine Hoffnungen auf einen Termin machen.

Für die Lobbyorganisation ist das ein Desaster. Michalk ist Nachfolgerin von Jens Spahn (CDU) und damit eine der zentralen Figuren in der Gesundheitspolitik auf Bundesebene. Wer Einfluss auf Entscheidungen geltend (siehe oben) oder auch nur seine Position deutlich machen möchte, muss dafür eine gute Gesprächsgrundlage haben und die hat die KBV gewöhnlich in der Union gefunden. Michalk wirft der KBV in dem Schreiben allerdings "Falschaussagen" und die "direkte Verleumdung der Gesundheitspolitik der großen Koalition" vor. "Sobald sich die KBV wieder auf dem Boden fachlichen Austauschs befindet und ihre polemische Kampagne gegen die Ziele unserer Gesundheitspolitik beendet, bin ich gerne bereit, den Dialog wieder aufzunehmen", schreibt Michalk.

Geärgert hatte sie sich über eine Pressemitteilung der KBV zur Krankenhausreform. Darin hatte die Organisation die Regelung kritisiert, an Kliniken Notfallpraxen einzurichten, um eine bessere Versorgung zu gewährleisten.

Michalks Schreiben trifft die KBV in einer prekären Lage. Seit Monaten kehrt keine Ruhe in den Laden. Im Sommer riefen sechs Chefs lokaler Kassenärztlicher Vereinigungen zum Sturz des derzeitigen KBV-Chefs Andreas Gassen auf. Das Gesundheitsministerium prüft als zuständige Aufsicht in mehreren Fällen die KBV. Unter anderem soll Gassens Vorgänger Andreas Köhler zu viel Ruhestandsbezüge kassiert haben. Die Rede ist von 300 000 Euro im Jahr. Ein hochrangiger Kassenvertreter sprach kürzlich davon, dass die Ärztevertretung derzeit nicht mehr ernst genommen werden könne.

© SZ vom 11.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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