Interims-DFB-Präsident Rainer Koch:Der Mann von der Basis

Rainer Koch begann als Schiedsrichter und Jugendtrainer, jetzt ist er Interimspräsident des DFB. Der 56-Jährige tritt in der WM-Affäre bisher zurückhaltend auf - umso überraschender sein Appell an Franz Beckenbauer.

Von Matthias Schmid

Rainer Koch wird jetzt noch weniger Zeit finden, um sich Spiele im Grünwalder Stadion ansehen zu können. Der Interimspräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hält sich gerne auf in dem legendären Stadion mitten im Münchner Stadtteil Giesing, wo die Frauenmannschaft des FC Bayern München und die Amateurteams des FC Bayern und des TSV 1860 in der Regionalliga ihre Heimspiele austragen. Koch kommt nicht hierher, weil er sich als Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) die Spiele ansehen muss, sondern weil er es will.

Für den Mann mit Schnauzer ist der Frauen- und Amateurfußball keine lästige Pflicht, sondern wichtige Basisarbeit. Doch seit Montagabend muss er sich um andere Themen kümmern, um existenzielle Fragen sogar, es geht um nichts weniger als die Zukunft des deutschen Fußballs. Gemeinsam mit Reinhard Rauball, dem Präsidenten der Deutschen Fußball Liga (DFL), hat der 56-Jährige nach dem Rücktritt von Wolfgang Niersbach satzungsgemäß die Amtsgeschäfte beim größten Fußballverband der Welt übernommen. Er ist plötzlich und unverhofft in die erste Reihe aufgerückt, ins Rampenlicht. Er muss sich als Aufklärer beweisen in der Affäre um die Weltmeisterschaft 2006, in der es noch immer mehr Fragen als Antworten gibt.

Koch, der im beschaulichen Poing bei München wohnt, ist mit schwierigen Fällen bestens vertraut. Als Vorsitzender des DFB-Sportgerichts (1998 bis 2007) hatte er seine Fähigkeit als entscheidungsfreudiger und durchsetzungsstarker Funktionär bewiesen, als er im Wett- und Manipulationsskandal Schiedsrichter Robert Hoyzer lebenslang sperrte. Der Teilzeit-Richter am Münchner Oberlandesgericht begann seine neue Aufgabe am Montagabend auch sogleich in der ZDF-Sendung "Heute Journal" mit einem Aufruf an Franz Beckenbauer: Es sei "höchste Zeit", sagte Koch, "dass er sich intensiver einbringt in die Aufklärung der Vorgänge".

Sein Aufruf an Beckenbauer kommt überraschend

Die publikumswirksame Bitte kam überraschend, weil Rainer Koch bisher in der Affäre sehr zurückhaltend aufgetreten war. Er und Niersbach stehen sich nahe, sie verstehen sich. Niersbach hatte Koch auf seiner ersten Sitzung vor drei Jahren seine alte Zuständigkeit für Rechts- und Satzungsfragen zurückgegeben. Sein Arbeitsfeld hatte Koch, ab 2007 Vizepräsident, nach einem Zerwürfnis mit Theo Zwanziger entnervt aufgegeben.

Wie Zwanziger kommt auch Koch aus dem Amateurfußball und widmet sich gesellschaftspolitischen Themen, er gründete nicht nur eine Sozialstiftung, sondern initiierte auch ein Sozialprojekt in Mosambik, um den Kindern in einem der ärmsten Länder des Planeten eine Zukunft zu ermöglichen. Als Schiedsrichter und Jugendtrainer begann er seine Funktionärskarriere im bayerischen Landesverband, ehe er 2004 zu dessen Präsident gewählt worden ist. Auf seine Initiative hin bekam Bayern vor drei Jahren sogar eine eigene Regionalliga. Im Profifußball fehlt ihm allerdings das Netzwerk Rauballs, der als DFL-Chef und Präsident von Borussia Dortmund über beste Kontakte verfügt.

Ob Koch DFB-Präsident werden will, lässt er offen

Ob er das Amt des DFB-Präsidenten anstrebt, lässt Koch bislang offen. "Ich bin nicht Präsident und werde auch nicht Präsident", antwortete der 56-Jährige am Montag der ARD auf eine entsprechende Frage. Das muss aber nichts heißen. Menschen, die ihn näher kennen, können sich gut vorstellen, dass er auch diesen Posten annehmen könnte, weil er Verantwortung nicht als Last, sondern als Motivation empfindet.

Spätestens bis zur EM 2016 soll die Nachfolge Niersbachs geregelt sein, sagt Koch selbst. Es wird in dieser Hinsicht auch viel davon abhängen, ob der DFB vom ehrenamtlichen Präsidenten künftig abrücken wird oder erstmals den Posten mit einen hauptamtlichen Chef besetzen will. Sollte es so kommen, wäre jemand aus dem Profifußball der Favorit. Rainer Koch hätte dann wieder mehr Zeit für seine Besuche im Grünwalder Stadion.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: