Metro-Stationen in Russland:Paläste für alle

Eigentlich müssten die Moskauer in Smoking und Abendkleid U-Bahn fahren, so opulent sind ihre Stationen aus Sowjetzeiten. David Burdeny hat sie neu fotografiert.

Von Irene Helmes

12 Bilder

Station "Arbatskaya", Moskau, Russland

Quelle: David Burdeny

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Wer demnächst einmal wieder gelangweilt bis genervt in einer U-Bahn-Station zwischen verbogenen Bänken und greller Reklame wartet, kann folgenden Satz auf sich wirken lassen: "Mehr noch als alle Theater und Paläste wird die Metro unseren Geist anregen und erhellen."

Ja, so wurde einst über U-Bahnen gesprochen, in Zeiten, als diese neu und spektakulär waren, nicht selbstverständliche Orte auf dem lästigen Weg von A nach B.

Der Satz stammt vom berüchtigten Sowjet-Politiker Lasar Kaganowitsch, seiner Zeit Volkskommissar für Transport. Er überwachte unter Stalin die Verwirklichung der Moskauer U-Bahn. Und die war als unübersehbares Statement gedacht. So hat diese gewaltsame und dramatische Zeit Prestigebauten hinterlassen, die noch heute Besucher zum Staunen bringen. Der kanadische Fotograf David Burdeny hat sie in den vergangenen zwei Jahren neu abgebildet, menschenleer dank Sondergenehmigungen für die Nacht.

Im Bild: Station "Arbatskaja", Moskau

Station "Novoslobodskaya", Moskau, Russland

Quelle: David Burdeny

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1935, vor achtzig Jahren also, wurde in Moskau die erste Linie zwischen Sokolniki und Park Kultury eröffnet. Heute sticht vor allem ihr purer Prunk ins Auge, die Gestaltung war jedoch Teil des sowjetischen Projekts, jede Station wurde auf ihre Art mit Bedeutung aufgeladen.

Der U-Bahnhof Nowoslobodskaja von 1952 etwa wurde um 32 beleuchtete Glasmalereien herum konzipiert. An einem Ende der Plattform prangt das Mosaik "Frieden in aller Welt" von Pawel Korin.

Im Bild: Station "Nowoslobodskaja", Moskau

Station "Taganskaya", Moskau, Russland

Quelle: David Burdeny

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Kronleuchter, weißer Marmor, vergoldete Ornamente und strahlendes Blau - der Halt Taganskaja leuchtet seinen Besuchern geradezu entgegen. Was auf den ersten Blick wie ein Ballsaal der Aristokratie wirkt, enthält überall Referenzen an die Rote Armee und die Marine. Ende der 1940er Jahre konzipiert, war die Station auch als Verbeugung vor heimischen Weltkriegshelden gedacht. Ein zentrales Element hatte jedoch nicht lange Bestand: Schon 1961 wurde die Skulptur "Stalin und die Jugend" entfernt.

Im Bild: Station "Taganskaja", Moskau

Station "Kiyevsskaya", Moskau, Russland

Quelle: David Burdeny

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Auch die "Kiewer Station" ist Relikt vergangener Zeiten. 1954 eröffnet, wurde der U-Bahnhof den guten Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine gewidmet. Künstler und Architekten der damaligen Sowjetrepublik Ukraine waren in einem Wettbewerb ausgewählt worden, die Gestaltung zu übernehmen.

Im Bild: Station "Kiewsskaja", Moskau

Station "Kiyevsskaya" (Ost), Moskau, Russland

Quelle: David Burdeny

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In aufwendigen Mosaiken feierten sie Schlüsselmomente der gemeinsamen Geschichte - ein Anblick, der auf heutige Betrachter tragisch wirken muss.

Im Bild: Station "Kiewsskaja" (Ost), Moskau

Station "Belorusskaya", Moskau, Russland

Quelle: David Burdeny

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Auch die Haltestelle am "Weißrussischen Bahnhof", eröffnet 1952, wurde propagandistisch einer sowjetischen Völkerfreundschaft gewidmet. Mosaike zeigen Motive weißrussischer Traditionen, andere Elemente der Halle greifen Farben und Muster dort typischer Trachten und Teppiche auf.

Im Bild: Station "Belorusskaja", Moskau

Station "Mayakovskaya", Moskau, Russland

Quelle: David Burdeny

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Die Majakowskaja-Station gehört zu den ältesten der Stadt und wurde noch vor dem Zweiten Weltkrieg fertiggestellt. Ihr Name erinnert an den futuristischen Dichter Wladimir Majakowski - ihr Design fiel dementsprechend viel zukunftsgewandter aus als das anderer Stationen. Der Architekt Alexej Duschkin nutzte neben Marmor glänzenden Edelstahl, die Mosaike feierten die Errungenschaften der noch jungen Luftfahrt.

Wenige Jahre darauf bekam die Halle eine ungeplante neue Funktion: Wie andere Stationen diente sie als Luftschutzbunker für die Regierung, Militärs und die Stadtbevölkerung. Der prächtige Untergrund wurde zur Zuflucht für Hunderttausende, während über der Erde Bomben fielen.

Im Bild: Station "Majakowskaja", Moskau

Station "Elektrozavodskaya", Moskau, Russland

Quelle: David Burdeny

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Wie Majakowskaja geriet auch die Station mit dem klangvollen Namen Elektrozawodskaja eher futuristisch. Ihr Architekt Wladimir Schtschuko ließ sich von einer nahegelegenen Glühbirnen-Fabrik inspirieren und die Plattform entsprechend beleuchten. Da die Haltestelle während des Krieges fertiggestellt wurde, kamen Wandreliefs hinzu, auf denen Künstler patriotische Szenen aus sowjetischen Fabriken und der Landwirtschaft zeigten.

Aus welcher Plackerei die Bahnhöfe selbst entstanden waren - teils durch die Schwerstarbeit zuvor enteigneter Bauern vom Land - bleibt dagegen unsichtbar.

Im Bild: Station "Elektrozawodskaja", Moskau

Station "Flughafen", Moskau, Russland

Quelle: David Burdeny

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Eine der elegantesten und zeitlosesten Stationen wurde 1938 am damals ersten Moskauer Flughafen eröffnet, der mittlerweile außer Betrieb ist. Sie gilt als Musterstück des russischen Art Déco.

Im Bild: Station "Flughafen", Moskau

Station "Komsomolskaya", Moskau, Russland

Quelle: David Burdeny

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In der Komsomolskaja-Station verewigen aufwendige Mosaike russische Nationalhelden wie Fürst Newski, Lenin schaut von der Decke auf die Passanten. Mit ihrem Stuckwerk ist sie eine der prächtigsten Haltestellen der Stadt.

Im Bild: Station "Komsomolskaja", Moskau

Station "Avtovo", St. Petersburg, Russland

Quelle: David Burdeny

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Ein Privileg Moskaus waren die opulenten U-Bahnhöfe aber nicht. Auch in St. Petersburg wurde an vielen Stellen nach dem Motto "mehr ist mehr" gebaut. So mancher mag hier längst an seine persönlichen Kitschgrenzen geraten.

Im Bild: Station "Avtovo", St. Petersburg

Station "Sportivnaya", St. Petersburg, Russland

Quelle: David Burdeny

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Auch wenn die historischen Stationen schwer zu übertreffen sind, die Zeit steht in Russland auch unterirdisch nicht still. 2015 wurde Moskaus Metro 80 Jahre alt. Sie hat mittlerweile Terroranschläge überstanden, transportiert täglich bis zu neun Millionen Menschen und verändert immer wieder ihr Erscheinungsbild.

Ebenso geht es in St. Petersburg weiter, dort wurde etwa 1997 nahe des Petrowski-Stadions diese moderne Station (Sportiwnaja) eröffnet.

David Burdeny hat sie mit dem Doppelblick des Fotografen und des studierten Architekten abgebildet und für sein Projekt "A bright future" neben Aufnahmen russischer Paläste, Museen und Theater gestellt.

Weitere Bilder aus der Reihe finden sich auf seiner Website.

© SZ.de/sks/dd
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