Streit in der Union:Merkel bittet ihre Fraktion um Geduld

Die Bundeskanzlerin hält vor ihren Abgeordneten eine kämpferische Rede. Darin bittet sie um Unterstützung für ihren bisherigen Kurs in der Flüchtlingspolitik. Sie räumt ein: Zum Erfolg brauche es Zeit.

Von Robert Roßmann, Berlin

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in der Sitzung der Unionsfraktion am Dienstagabend eindringlich um Unterstützung für ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik geworben. Teilnehmer sprachen von einem "kämpferischen Auftritt". Merkel bat die Abgeordneten um Geduld, damit sie die Zeit habe, ihre Ansätze zum Erfolg zu führen. Dies betreffe vor allem die Gespräche mit der Türkei. Diese hätten erst vor vier Wochen begonnen. Angesichts des bisherigen Verlaufs könne man eher optimistisch sein. Merkel sagte, sie arbeite auch an einer Verbesserung des Dublin-Abkommens unter Beibehaltung des Schengen-Systems. Dies sei dringend nötig, denn bei einem Scheitern dieses Systems hätte Deutschland als größte Volkswirtschaft der EU noch ganz andere Probleme als die aktuellen. Die Schengen-Staaten verzichten auf Kontrollen an ihren Binnengrenzen, eine dauerhafte Wiederaufnahme der Kontrollen hätte auch erhebliche Auswirkungen auf den Warenverkehr.

Der Schlüssel zur Lösung der Flüchtlingskrise liege nicht in Deutschland, sondern auf europäischer und internationaler Ebene, sagte Merkel. In Deutschland müssten die Verfahren aber besser strukturiert und geordnet werden. Dazu würde unter anderem eine deutlich konsequentere Abschiebepraxis gehören, hier könne sich die Republik beweisen. Die Kanzlerin sagte, Europa sei vielleicht noch nie so gefährdet gewesen wie derzeit. Jetzt müsse alles getan werden, um die Krise zu bewältigen - "wenn wir das nicht schaffen" und Europa auseinanderbreche, "haben wir ein großes Problem".

Die Debatte über die Flüchtlingspolitik dauerte drei Stunden, es meldeten sich fast zwanzig Abgeordnete zu Wort. Einige übten deutliche Kritik am Kurs der Kanzlerin. Zu ihnen gehörten unter anderen der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten, sowie Philipp Lengsfeld, Wolfgang Bosbach oder Mark Hauptmann. Hauptmann forderte eine sofortige Abriegelung der deutschen Grenze. Es gab aber auch einzelne Abgeordnete, die eher das christliche Menschenbild in den Mittelpunkt stellten, und zur Vorsicht bei Einschränkungen des Familiennachzugs von Flüchtlingen mahnten. Finanzminister Wolfgang Schäuble beteiligte sich nicht an der Debatte.

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