Flüchtlinge in Dorfen:Gute Gelegenheit

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Geschäftsleute erkennen in der Unterbringung von Flüchtlingen eine Chance. Zum Beispiel beim ehemaligen Ausflugslokal Stiller bei Dorfen: Dort sollen mehr als 100 Menschen unterkommen

Von Florian Tempel, Dorfen

Die Unterbringung von Flüchtlingen wird nicht mehr nur als Problem gesehen, sondern zunehmend als wirtschaftlich lohnende Investition erkannt. In den vergangenen Jahren hatte das Landratsamt noch regelmäßig verzweifelte Appelle an die Kommunen und Bürger gerichtet, leer stehenden Wohnraum oder wenigstens freie Flächen für Containeranlagen zur Verfügung zu stellen. Solche Aufrufe braucht es derzeit nicht: Das Landratsamt hat alle Hände voll damit zu tun, die "zahlreichen Angebote" von Investoren, Grundbesitzern und Immobilienunternehmern zu sichten und zu genehmigen, bestätigte die Sprecherin der Kreisbehörde.

Am Mittwochabend hatte der Bauausschuss des Dorfener Stadtrats gleich drei solche Investoren-Projekte auf dem Tisch: Der Dorfener Immobilienunternehmer Georg Scharl wird das Ende Oktober geschlossene Ausflugslokal Stiller Lindum zu einer Unterkunft für etwa 110 Flüchtlinge umbauen. Im Gewerbegebiet an der Buchbacher Straße will der Eigentümer eines 3000 Quadratmeter großen Grundstücks eine große Wohnanlage in Containerbauweise errichten. Und ein Sankt Wolfganger Unternehmen hat den Umbau von 300 Quadratmeter Büroflächen im gleichen Gewerbegebiet beantragt. Das Dorfener Immobilienunternehmen Sperr und Zellner hat in der Stadt bereits ein ehemaliges Brauereigebäude in ein Wohnheim für 65 Flüchtlinge umgebaut. In Langenpreising will der Grundbesitzer Alois Angermaier auf einem Acker an der Gemeindegrenze zu Wartenberg Holzhäuser am liebsten gleich für 200 Flüchtlinge aufbauen lassen.

Die Errichtung von Wohnraum für Flüchtlinge in Gewerbegebieten oder in Außenbereichen ist eine unternehmerische Idee, die erst durch Gesetzesänderungen möglich geworden ist. Das Baugesetzbuch lässt das seit einigen Monaten relativ problemlos zu. Die Stadt- und Gemeinderäte haben jedoch gerade deshalb bei Projekten wie in Dorfen kaum noch etwas mitzureden.

Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) erklärte im Dorfener Bauausschuss, wie gering die Einflussmöglichkeiten der Stadt beim geplanten Umbau des ehemaligen Gasthauses Stiller sind. Unternehmer Scharl hat seine Pläne zuerst beim Landratsamt vorgelegt und dort grünes Licht signalisiert bekommen. Die Kreisbehörde hat erst danach die Planungen nach Dorfen geschickt. Die Dorfener Stadträte haben aber nur eine Statistenrolle, erläuterte Grundner: Ob man nichts, Ja oder Nein sage, spiele keine Rolle, das Landratsamt werde das Vorhaben in jedem Fall genehmigen. Die Stadträte nahmen das hin, sagten aber dennoch etwas dazu.

Das einst idyllisch gelegene Ausflugslokal Stiller - hundert Meter daneben wird die Isentalautobahn gebaut - befindet sich in Alleinlage. Lindum ist kein Dörfchen, sondern eine lose Ansammlung weniger Häuser. Martin Heilmeier (Landlisten) sagte, er "finde es vogelwild", dass die zwei Dutzend Lindumer 110 neue Nachbarn bekommen sollen: "Das ist, als ob man in Dorfen 30 000 Asylbewerber platzieren würde." Vor allem aber sei die Anbindung in die drei Kilometer entfernte Stadt miserabel und gefährlich. Die Flüchtlinge müssten einen längeren Teil an einer viel befahrenen und kurvigen Staatsstraße entlang gehen. Eine Busverbindung gibt es nicht. Heiner-Müller Ermann (SPD) sah den "Hauptkonfliktpunkt" der großen Unterkunft darin, dass nur eine große Gemeinschaftsküche eingeplant ist. Man müsse "in aller Ernsthaftigkeit" darauf hinweisen, dass besser mehrere Küchen eingerichtet werden.

Neben diesen speziellen Anmerkungen, gab es auch allgemeine Hinweise an das Landratsamt - die sich exakt so anhörten, wie die von Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) an den Bund gerichtete Kritik im Zusammenhang mit dem Warteraum Asyl am Erdinger Fliegerhorst. CSU-Stadtrat Michael Oberhofer sagte, eine vernünftige und sichere Erschließung sei Aufgabe des Landkreises: "Ohne Zuständigkeiten gibt es keine Kostenübernahme durch uns." Und Bürgermeister Grundner befand: "Man kann nicht Dinge von oben nach unten verlagern und darauf vertrauen, die schaffen das schon."

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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