Kanzlerin im TV:Merkel kämpft für ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik

Merkel beim ZDF

Die Kanzlerin im ZDF-Studio mit den Journalisten Bettina Schausten und Peter Frey

(Foto: Bundesregierung/Bergmann/dpa')

Die Kanzlerin im Fernsehen: Als sie auf den den Eklat mit de Maizière angesprochen wird, reagiert Merkel mit so viel Chuzpe wie selten.

Von Stefan Braun, Berlin

Angeschlagen? Sorgenvoll? Nervös? Gar unsicher? Wer vor dem Auftritt der Kanzlerin am Freitagabend Anzeichen von all dem bei Angela Merkel erwartet hat, wird enttäuscht. Im ZDF präsentiert sich eine Kanzlerin, die im hellrot leuchtenden Blazer mit einem demonstrativen Lächeln Kampfeslust zeigt.

Sie will nicht an ihrem Kurs rütteln lassen. Abweichende Positionen macht sie kurzerhand zu ihren eigenen und bleibt doch dabei, dass es keine Obergrenze gebe, die sie jetzt nennen könne. Auf die Frage, ob sie bereit wäre, ihr Amt auch zu opfern, antwortet sie, dafür habe sie derzeit viel zu viel zu tun. Im Folgenden ihre Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Bleibt die Kanzlerin beim: "Wir schaffen das"?

Ja. Eindeutig. Sie sagt zwar, dass man da-für hart arbeiten müsse. Sie sagt außer-dem, dass Deutschland es nicht alleine schaffen werde. Dazu brauche es mehr Solidarität in Europa, mehr Kooperation international. Aber: Sie haben "keine Zweifel, dass wir es schaffen.'' Merkel setzt der Skepsis vieler Bürger ihren Optimismus entgegen. Dabei lobt sie die vielen ehren- und hauptamtlichen Helfer. Sie spricht von einer ,,riesigen Aufgabe'', die anstrengend sei, aber das Land auch bereichern werde. ,,Wir sind genau auf dem Weg, den ich mir für Deutschland vorstelle.''

Hält sie an ihrem Kurs fest?

Das tut sie ebenfalls. Sie kündigt keine großen Änderungen an. Sie nennt keine Obergrenze. Stattdessen verweist sie auf die jüngsten Beschlüsse, die jetzt in Gesetze gegossen werden müssten. Dazu gehören Verschärfungen im Asylrecht, vor allem für Flüchtlinge, die nicht aus Syrien kommen. Von "Ordnen und Steuern'' spricht Merkel immer wieder. Und sie betont, dass sie selbst das Wort "Willkommenskultur" nicht in den Mund genommen habe. Aber Deutschland solle ein freundliches Gesicht zeigen, das sei ihr wichtig.

Wie steht sie zu Thomas de Maizière und seinem strengeren Kurs?

Sie erklärt die Beschlüsse, die der Innenminister zunächst ohne sie gefällt hatte, kurzerhand zu ihren eigenen. Das gilt für die Entscheidung, künftig auch bei Syrern wieder die Einzelfallprüfung einzuführen, die wahrscheinlich dazu führen wird, dass etliche nur noch sogenannten subsidiären Schutz erhalten. Und sie erklärt auch, dass die Rückkehr zu den Dublin-Regeln richtig sei, auch wenn das System derzeit nicht funktioniere. Sie aber sei es gewesen, die de Maizière damit beauftragt habe, die Details mit den Innenministern der Länder zu regeln. Das sei die "Richtlinienkompetenz", die sie ausübe und für richtig halte. Dass de Maizière sie nicht informierte, dass er erst zurückgepfiffen wurde und dann im CDU-Präsidium eine so breite Unterstützung erhielt, dass selbst die Kanzlerin beidrehen musste - das ignoriert Merkel glatt. Im Übrigen habe sie mit de Maizière alles besprochen. Und über Internes werde sie sich sicher nicht im Fernsehen ausbreiten. So viel Chuzpe hat selbst die Kanzlerin selten.

Was sagt sie zu Wolfgang Schäuble?

Den umschmeichelt sie, um sich anschließend von ihm zu distanzieren. Schäuble sei "eine Klasse für sich". Das soll nach Lob klingen und den Finanzminister als großartig erscheinen lassen. Doch dann fügt sie an, sie mache sich Schäubles Bild von der Lawine "in nichts zu eigen". Das sei nicht das Bild, mit dem sie arbeiten werde. "Mein ganzes Denken geht nicht in so einem Bild", sagt Merkel. Hier gehe es um Menschen, und jeder einzelne Mensch habe seine Würde. Deutlicher kann sie kaum machen, was sie von dem Bild hält: nämlich gar nichts.

Wie erklärt sie das Chaos der Regierung?

Gar nicht. Sie erklärt stattdessen im Brust-ton der Überzeugung, dass die Regierung sehr gut funktioniere. "Die Bundeskanzle-rin hat die Lage im Griff, auch die ganze Regierung." Dass es Unstimmigkeiten gegeben habe, stimme schon. Aber mit dem Innenminister sei alles besprochen.

Übt sie Selbstkritik?

Nein. Vor allem betont sie noch einmal, dass sie die Entscheidung vom 4. September, als man in einer Nacht die Flüchtlinge aus Ungarn aufnahm, nach wie vor für absolut richtig hält.

Sie werde für ihren Weg kämpfen. "Ich bin nicht die erste Bundeskanzlerin, die um etwas kämpfen musste." Es gehe es um eine ,,Riesenaufgabe'', und sie wolle, dass Deutschland sich dieser Aufgabe "gut stellt".

Glaubt sie noch an Europa?

Europa ist derzeit, das räumt sie ein, eine große Enttäuschung. Jedenfalls die größte Enttäuschung der letzten acht Wochen. Und zwar, weil es bisher nicht gelungen sei, eine faire Lastenteilung zu erreichen.

Wie spricht sie über die neue Abhängigkeit von der Türkei?

Das Land sei besonders wichtig, trotzdem werde man sich nichts auferlegen lassen, was man nicht wolle. Letztlich sei die Türkei zentral für eine Lösung. Deutschland könne nicht für sich allein Grenzen bei der Flüchtlingszahl definieren. Eine Reduzierung sei nur durch sichere EU-Außengrenzen möglich. Das werde es nur in Zusammenarbeit mit der Türkei geben. Derzeit beherrschten Schmuggler das Meer zwischen den Nato-Partnern Griechenland und Türkei. Das dürfe nicht so bleiben.

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