Stadtplanung:Wie München grüner werden könnte

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  • Im bundesweiten Grünvergleich schneidet München schlecht ab.
  • Innerhalb der Stadtgrenzen gibt es wenige Wälder, Wasserflächen und Landwirtschaft.
  • Eine Studie verschiedener Architekturbüros macht nun gleich mehrere Vorschläge, wie Flächen besser genutzt werden können.

Von Alfred Dürr

Es ist eine Entwicklung, die nicht nur in München, sondern auch in vielen anderen Metropolen zu beobachten ist: Die Städte wachsen, praktisch jedes freie Grundstück wird bebaut, und die Gefahr ist groß, dass auch die letzten Grün- und Freiflächen zu einer kärglichen Restgröße schrumpfen. München verfügt zwar über große Parks und zahlreiche andere Ruheorte, aber im bundesweiten Grünvergleich schneidet die bayerische Landeshauptstadt schlecht ab. Vor allem auch, weil es innerhalb der Stadtgrenzen wenige Wälder, Wasserflächen und Landwirtschaft gibt. Der Versiegelungsgrad ist hier enorm, andere deutsche Städte haben mehr Natur aufzuweisen.

Immer mehr Zuzug, immer mehr neue Wohnblocks und Gewerbebauten: Die Pflege der Grünanlagen sowie ein innovatives und zukunftsweisendes Konzept für zusätzliche Freiräume und Erholungsflächen stehen im Mittelpunkt eines neuen Aktionsprogramms des städtischen Planungsreferats für die kommenden Jahrzehnte. Dazu hat das beauftragte Berliner Büro "Becker Giseke Mohren Richard Landschaftsarchitekten" zusammen mit den Büros "Friedrich von Borries" aus Berlin und "Freiraumstudio" aus München eine erste, umfangreiche Stoffsammlung erarbeitet.

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Grüne Fassaden sind bei Architekten weltweit in Mode, in Mailand oder Paris wachsen Bäume und Pflanzen an Gebäuden. Auch in München soll ein solches Hochhaus gebaut werden.

Die Studie blickt über den Münchner Tellerrand hinaus: London wolle zur grünsten und saubersten Metropole der Welt werden. Zahlreiche neue Bäume, die Zurückdrängung des Autoverkehrs und die Förderung des umweltfreundlichen Radelns spielten eine wesentliche Rolle. In New York sei es ähnlich. Auch dort setze man auf den Ausbau von Spazierwegen und neuen Parklandschaften. Hamburg starte zusammen mit der Wohnungswirtschaft eine regelrechte Freiraum-Qualitätsoffensive in Gebieten, in denen besonders viel gebaut wird. Auch Kopenhagen, Zürich oder Wien hätten ehrgeizige Ziele für eine urbane Grünentwicklung und warteten mit umfangreichen Planwerken auf.

Gerade in der Münchner Altstadt wächst der Druck. Kaum ist ein Baukran weg, kommt schon der nächste. "Die Menschen brauchen Orte der Ruhe und Entschleunigung im hektischen Großstadtgetriebe", sagt Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Es stelle sich die Frage, heißt es in der Studie, wo die Orte der Identität sind, die Anker des Dauerhaften in einer sich wandelnden Stadt. Deswegen legt die Stadtbaurätin großen Wert auf Durchgänge, Plätze und Innenhöfe, also auf prägende Architekturelemente im Stadtbild. Man solle auch mal Verweilen können, ohne dass man dafür extra ein Straßencafé aufsuchen und Geld bezahlen müsse.

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Bei den aktuellen Bauplanungen, etwa am Sattlerplatz zwischen der Fußgängerzone und der Hofstatt, spielen solche Überlegungen eine große Rolle: Nicht nur Geschäft an Geschäft, sondern auch ein Platz zum kostenlosen Ausruhen. Bei der Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes sollen die Passanten ebenfalls stärker zu ihrem Recht kommen. Außerdem stellt sich die Stadtbaurätin vor, dass zum Beispiel die Flächen um die Museen des Kunstareals in der Maxvorstadt zu "attraktiven Begegnungszonen" werden.

Eine wichtige Aufgabe sei, so fordert es die Studie, noch nicht entdeckte Potenziale zu heben und die vorhandenen Grün- und Freiräume zu profilieren. München verfüge über Flächen, die entdeckt werden wollten. Als "wilde Natur" könne beispielsweise die Würm mit ihren Auenlandschaften gestärkt werden. Etwa mit dem Anlegen neuer Wege. Wasser spielt überhaupt eine wichtige Rolle: Am Konzept zum Ausbau der Uferanlagen im Bereich der innerstädtischen Isar arbeiten die Stadt, Kommunalpolitiker und verschiedene Initiativen schon seit einiger Zeit.

Bei der Entwicklung von Quartieren wie zum Beispiel Freiham, in Sanierungsgebieten, wie etwa in Neuaubing-Westkreuz, oder beim Neubau auf ehemaligen Kasernenarealen spielen die Grünzonen eine zentrale Rolle. Man müsse aber den Begriff Freiraum "vielfältig denken", sagt die Leiterin der Abteilung Stadtplanung im Planungsreferat, Susanne Ritter. Dazu macht die Studie gleich eine Reihe von Vorschlägen. Dachgärten, die alle Bewohner eines Hauses nutzen, sollen eine größere Bedeutung bei der Planung von Neubauten bekommen.

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Außerdem könne man Grünzonen "verdichten": Warum nicht mal eine ganze Etage eines höheren Hauses mit üppiger Vegetation versehen? Oder manches bisher unattraktive Umfeld von Straßen in interessante Aufenthaltsflächen verwandeln? Beispiel London: Dort hat sich mitten auf einem Kreisverkehr ein Musik-Club etabliert. Man feiert, ohne dass Nachbarn gestört werden. "Wir brauchen freche Ideen und den Mut, diese auch umzusetzen", sagt Susanne Ritter. Nicht nur immer mehr Beton, Stahl und Glas, auch mehr Raum für die Lebensqualität der Stadtbewohner und ein besseres Klima in den Häuser- und Straßenschluchten.

Man habe mit der Studie wertvolle Anregungen bekommen, sagt Susanne Hutter von Knorring, die im Referat für die Grünplanung zuständig ist. Doch sie will die neue Strategie zur Gestaltung des öffentlichen Raums nicht nur in den Büros des Planungsreferats bearbeiten. Im Verlauf des kommenden Jahres sollen Bürger, Verbände und Vereine Gelegenheit haben, ihre Anregungen zu äußern. Zuvor findet Anfang 2016 in der Rathausgalerie eine Ausstellung über bisherige und künftige Grün-Projekte statt. Die Schau trägt den programmatischen Titel "Freiraum München 2030".

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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