Ebersberg:Das Leben feiern

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Der Gospel-Chor begeistert in Ebersberg

Von Peter Kees, Ebersberg

Es war ein beklemmendes Gefühl, nach den Anschlägen in Paris eine Veranstaltung zu besuchen. Nicht, dass man im Landkreis Ebersberg Ähnliches fürchtet, doch der Schock dieser grässlichen Tat lähmte. Umso befreiender, dass die ersten Worte des Chorleiters des "Gospel-Trains" aus Gars am Inn, der am Samstag in Ebersberg gastierte, auf das Leben zielten - und eben das wollten sie feiern mit ihrem Konzert.

Schon der Auftakt im voll besetzen Alten Speicher war außergewöhnlich lebendig: Die gut 30 Choristen zogen singend durchs Publikum auf die Bühne. Ihre Stimmen zauberten dabei eine wunderbare Raumakustik, dabei wurden sie von einem E-Piano auf der Bühne begleitet. Bald stiegen Schlagzeug und Bass mit ein. Auf der Bühne formiert, tanzten die Sänger, während sie Gospelsongs hören ließen, wippten mit ihren Körpern in rhythmischen Bewegungen - Klänge und Bilder, wie man sie aus afroamerikanischen Kirchen im Kopf hat. Nur, dass hier eben keine Afroamerikaner sangen, sondern in erster Linie junge Menschen aus Oberbayern. Und die sangen auch nicht in einer Kirche, sondern in Ebersbergs Bürgersaal.

Sie priesen "The Lord" in allen möglichen Varianten und gaben zu verstehen, dass es dabei völlig gleich sei, an welchen Gott man glaube. Die Begeisterung und Sangeslust war schnell aufs Publikum übergesprungen. Tatsächlich, man feierte das Leben. Es war aber nicht nur deren Leidenschaft und Energie, sondern auch das sangliche Können aller Mitwirkenden, das den dreistündigen Abend sehr kurzweilig werden ließ.

Jazzartiges, Spirituals, Soul, Elemente des Blues und der Popmusik, tanzartige Klänge entführten nach Amerika. Eine achtköpfige Band mit Piano, Orgel, Schlagzeug, Bass, zwei Trompeten, Posaune und Saxofon begleitete den Chor, aus dem immer wieder hervorragende Solisten nach vorne traten, um jenes musikalische Muster zwischen Vorsänger und Chor, Call and Response zu zelebrieren. Eine Soulsängerin schrie sich dabei beinahe die Seele aus dem Leib. Tosender Applaus.

Man blieb aber nicht in Amerika, sondern brachte auch Gospelmusik aus den afrikanischen Anfängen zu Gehör. Hier war es keine Band, die die Choristen begleitete, sondern zwei Trommler aus Mühldorf am Inn. "Stellt Euch einfach vor, dass ihr alle schwarz seid und tanzt mit", animierte der Chorleiter das Publikum. Mitgeklatscht und mitgesungen wurde tatsächlich schnell, vor allem unter Anleitung des Dirigenten bei einem afrikanischen Song, den Gäßl ironischerweise als "Urwaldjodler" bezeichnet. Achtstimmig, in einer afrikanischen Sprache gesungen, kurz nacheinander eingesetzt, erklang hier tatsächlich eine Überlagerung, die an einen Jodler erinnern ließ. Wer einmal in Afrika die traditionell christlich angehauchten Lieder der afrikanischen Bevölkerung gehört hat, der wusste um die Authentizität des hier Dargebotenen.

Das Publikum im Alten Speicher war derart begeistert, dass man sich gegen Ende des Konzerts nicht mehr recht auf den Stühlen halten konnte. Viele Zuschauer standen auf und forderten eine Zugabe nach der anderen. Es war der Dirigent, dessen Bewegungen auch die eines Tänzers hätten sein können, der schließlich den Wunsch des Publikums aufgriff, jenen Schlager "Oh Happy Day" - obwohl gar nicht einstudiert - zu singen. Auch das funktionierte prächtig.

Das, was man sich wünschte, war an diesem Abend aufs Beste eingetreten: Gospelsongs vom Allerfeinsten. Eine Show, die Spaß machte, aber auch zeigte, dass man mit den verschiedenen Kulturen auf der Welt durchaus konstruktiv begegnen kann. Ob die Sänger nun schwarz oder weiß waren, das spielte schließlich überhaupt keine Rolle mehr.

Wie sie begannen, so endeten sie auch: Man schritt singend von der Bühne und verließ den Saal durchs Publikum. Der Abend war nicht nur eine Ode an das Leben, sondern zugleich ein Loblied für Freiheit und Gleichheit.

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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