Starnberg:Grenzgängerin

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Johanna Schütz-Wolff im Museum Starnberger See

Von Armin Greune, Starnberg

Der berühmte Kollege Karl Schmidt-Rottluff nannte ihre Werke "Heiligenbilder in unheiliger Zeit". Laut Wikipedia zählt sie zu den "meistbeachteten deutschen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts". Doch obwohl Johanna Schütz-Wolff ihre letzten zwölf Lebensjahre in Söcking verbrachte, ist ihr Name im Fünfseenland nur wenigen vertraut. Ausstellung, Führungen und Vorträge im Museum Starnberger See sollen dies ändern.

Geprägt vom künstlerischen Aufbruch in die Moderne war Schütz-Wolff eine Grenzgängerin "zwischen angewandter und freier Kunst", erklärt die ehemalige Kuratorin Babette Küster. Die Ausstellung umfasst zwar nur einen Bruchteil des Werks, bietet aber einen repräsentativen Querschnitt.

Schon im Studium zur Zeit des Ersten Weltkriegs an der Kunstgewerbeschule in Halle ließ sich Schütz-Wolff beim Besuch einer Franz-Marc-Ausstellung vom Expressionismus infizieren, was sich beispielsweise in der Emailleminiatur "Hirte" niederschlug. 1919/1920 lebte sie einige Monate lang in Dießen, dabei entstanden großformatige Gouachen: In Starnberg wird ein farbgewaltiger Akt an der Grenze zur völligen Abstraktion präsentiert, den die Künstlerin nicht ohne Ironie "Schwarte 41" taufte. 1920 übernahm Schütz-Wolff die Leitung der Textilwerkstatt in Halle, bei Ausstellungen in den folgenden Jahren stellten sich immer mehr Erfolge ein.

Besonderen Ruhm erlangten die Gobelins und Bildteppiche. Dabei war die Künstlerin "eher zufällig auf die Weberei gestoßen", sagt Küster: Die Technik hatte sie sich autodidaktisch angeeignet und verfeinert. Dazu stand sie in engem Kontakt mit ihrer langjährigen Freundin Maria Marc: Die Malerin, Bildwirkerin und Frau von Franz Marc regte an, die Wolle für die Teppiche selbst zu färben. Oft tauschten die beiden Künstlerinnen Rezepturen für Pflanzenfarben aus. Mit der Machtübernahme der Nazis kam für Schütz-Wolff ein jäher Karriereknick. Ihre Kunst durfte nicht mehr ausgestellt werden, ihr blieben nur Auftragsarbeiten für Kirchen. 1938 zerstörte sie aus Angst vor der Verfolgung durch die Nazi 13 große Bildteppiche.

Schütz-Wolff zog sich mit ihrer Tochter nach Ried bei Benediktbeuern zu Maria Marc zurück. Das in Starnberg gezeigte, pastellfarbene Webbild "Ried" illustriert deutlich, wie die Künstlerin 1941 den Mut zur ungehemmten Expression verloren hatte. Im gleichen Raum findet sich aber auch der Beleg, dass Schütz-Wolff nach dem Krieg wieder zur ganzen Palette ihrer Ausdruckskraft zurückfand: "Frau unter Bäumen" aus dem Jahr 1949 dokumentiert auch eine neue formale Strenge. In den 50er-Jahren ließ die Künstlerin ihre Entwürfe in der Münchner Gobelin-Manufaktur ausführen. Holzschnitte und Monotypien nahmen in ihrem Schaffen immer größere Bedeutung an.

Die Grafik wird in Starnberg im Erdgeschoss gezeigt - darunter auch Schütz-Wolffs letztes Werk vor ihrem Tod 1965, "Sitzende auf Grün". Im Keller sind sechs der monumentalen Bildteppiche zu sehen. Auf einem Fotobildschirm werden Kirchenfenster und Skulpturen vorgestellt, von der Künstlerin gefärbte Wollknäuel und ihr Färbebuch werden in einer Vitrine präsentiert.

www.museum-starnberger-see.de

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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