Lebensmittel:Eataly - Erfolgsgeschichte eines Feinkosthändlers

Eataly Smeraldo opens in Milan

Eine Mischung aus Markt und Gastronomie: Pasta-Küche bei Eataly in Mailand.

(Foto: Matteo Bazzi/dpa)
  • Das italienische Feinkost-Unternehmen Eataly gilt als eine der erfolgreichsten Neugründungen der Branche.
  • Am 26. November eröffnet Eataly seinen ersten Standort in Deutschland in der Münchner Schrannenhalle.

Von Ulrike Sauer, Rom

Im Jahr zwölf seiner erst kurzen Existenz steht Eataly vor dem Durchbruch in eine neue Dimension. Los geht es am 26. November in München, in der Schrannenhalle am Viktualienmarkt. Die Feinkostkette aus Turin eröffnet dort ihre 27. Filiale, um handwerklich und sauber hergestellte italienische Gaumenfreuden auch in Deutschland zu vertreiben. Danach folgen Neueröffnungen in Moskau und in New York. Eataly-Gründer Oscar Farinetti hat es eilig im Leben.

Der Start in Deutschland aber forderte von ihm Geduld. Vor 22 Monaten hatte der kleine, rundliche Mann bereits aufgekratzt vom Vertragsabschluss in München berichtet. Farinetti stand damals im gläsernen Terminal am Ostiense-Bahnhof in Rom, den er zum größten Genusstempel der Welt umbauen ließ. Gemeinsam mit dem Versorger Acea warb er dort für das römische Leitungswasser, schwärmte von der Klarheit des "köstlichsten Wassers Italiens". Und vom neuen Standort für Eataly in München, nach dem er lange suchen musste. Die Location sei "pazzesca", sagte er mit kindlicher Begeisterung. "Wahnsinnig" ist sein Lieblingswort.

Der Vorstoß über die Alpen ist ein Wagnis

Farinetti ist ein begnadeter Verkäufer. Und er hat es damit weit gebracht. In Italien feiert man ihn als Shootingstar der Unternehmerszene. Er kam vor 61 Jahren in der Trüffel-Hochburg Alba im Weinbaugebiet Piemont auf die Welt, während der Traubenlese, wie er gern erzählt. Die Mutter stammt aus Barolo, der Vater aus Barbaresco - mit edlen Weinen und gutem Essen machte er also früh Bekanntschaft. Seine Familie betrieb mehrere Supermärkte und eine kleine Lebensmittelproduktion. Oscar Farinetti baute den Familienbetrieb zu einem Handelskonzern für Haushaltswaren und Elektronik aus - den er dann verkaufte, um zu den Wurzeln zurückzukehren: zu Lebensmitteln.

Der Genussmensch Farinetti will der italienischen Esskultur, den natürlichen, handwerklich hergestellten Delikatessen eine Plattform bieten.

2004 geht Oscar Farinetti mit Eataly an den Start und erwirbt Beteiligungen an Firmen, die Wein, Bier, Grappa, Mineralwasser, Nudeln, Fleisch, Käse und Backwaren herstellen. 2007 macht in Turin sein erstes Kaufhaus auf. Heute arbeiten 5000 Angestellte für ihn, der Jahresumsatz liegt bei 400 Millionen Euro. Nun folgt der Vorstoß über die Alpen, das erste Eataly in Deutschland. Es ist ein Wagnis, nicht nur wegen der 4600 Quadratmeter großen Schrannenhalle. Zwar nennt man München auch die nördlichste Stadt Italiens, Deutschland ist aber einer der am härtesten umkämpften Lebensmittelmärkte der Welt.

Erst München, später Moskau, danach Manhattan

Der Vorstoß über die Alpen ist auch das Eataly-Debüt des Erfolgsmanagers Andrea Guerra, der im Oktober bei Farinetti antrat. Ihn erwartet ein pralles Programm. Nach München ist Moskau an der Reihe, mit einer doppelt so großen Verkaufsfläche. Die nächste Station: Ground Zero in Manhattan, wo Eataly im neuen One World Trade Center seinen zweiten New Yorker Delikatessenladen eröffnet. Weitere Niederlassungen sind in Boston, Los Angeles, Toronto, den Arabischen Emiraten, Paris und London geplant.

Überall geht es darum, den Siegeszug des echten italienischen Essens zu beschleunigen. Farinettis Formel dafür ist eine Mischung aus Delikatessenmarkt, Gastro-Ständen, Restaurants, Imbissen, Manufakturen für die Vor-Ort-Herstellung, Kochstudios und Kursräumen unter einem Dach. Er machte aus Eataly eines der am schnellsten wachsenden Gastronomie- und Handelsunternehmen. Mit Guerra bricht nun die nächste Phase an - die Internationalisierung. Ziel ist es, den Unternehmenswert im Blick auf den für 2016/17 angepeilten Börsengang zu steigern.

Der Antritt Guerras, ehemals Chef des zum Weltmarktführer avancierten Brillenherstellers Luxottica, zeigt, wie ernst es Farinetti mit der Expansion ist. Guerra ist nicht irgendein italienischer Manager. Zehn Jahre lang hat der gebürtige Römer an der Spitze von Luxottica Übernahmekandidaten in aller Welt gejagt. Meist läuft es ja umgekehrt: Italiens Markenunternehmen fallen als Beute reihenweise in die Hände ausländischer Konzerne. Auch in der Nahrungsmittelbranche. 2014 ging Guerras Beziehung zu Luxottica-Gründer Leonardo Del Vecchio in die Brüche, das einstige Traumpaar der italienischen Wirtschaft trennte sich.

"Das Luxottica" der Kulinarik

Nun also Eataly. Guerras Mission ist klar: Er soll aus der 2004 gegründeten Firma "das Luxottica" der kulinarischen Branche machen - einen echten Multi. Mit dem neuen Chef will Farinetti auch Südamerika, China und Indien erobern, Märkte, auf denen Guerra reichlich Erfahrung gesammelt hat. Bis 2018 soll sich das Feinschmecker-Imperium auf 100 Standorte ausdehnen. Italiens Vorzeigebranche erwartet sich davon große Schützenhilfe. Die meist kleinen Hersteller klagen bitter darüber, dass sie ohne die Vertriebsmacht heimischer Handelsketten im Ausland völlig auf sich gestellt sind. Im Gegensatz zur deutschen Konkurrenz.

Guerra sieht in der Kette ein Exempel für die italienische Industrie 2.0. Eataly setze den Hebel dort an, wo die Italiener stark seien: bei Emotionen. "Der Konsum basiert heute nicht auf der Funktionalität der Produkte, sondern auf Emotionen und Marken. Eataly hat das kapiert", sagt er. Es sei nicht einzusehen, warum das Unternehmen nicht rasch eine Milliarde Euro Umsatz erreichen sollte.

Der Manager Guerra, 50, hoch gewachsen und medienscheu, und der untersetzte Unternehmer Farinetti, ein Dauergast in italienischen Talk-Shows, haben eines gemeinsam. Beide sind enge Vertraute von Ministerpräsident Matteo Renzi. Oscar Farinetti gehörte zu dessen Geldgebern der ersten Stunde. Guerra leistete nach seinem Abgang bei Luxottica ein Jahr "Zivildienst" im Regierungsamt ab und beriet Renzi in Wirtschaftsfragen.

Für Deutschland haben sich die Italiener Unterstützung geholt - den Karstadt-Eigentümer Signa Retail. "Eataly ist zurzeit das spannendste Food-Konzept in Europa", sagt Signa- und Karstadt-Geschäftsführer Stephan Fanderl. Ein Gemeinschaftsunternehmen soll bis 2021 mindestens fünf weitere Eataly-Kaufhäuser im deutschsprachigen Raum eröffnen.

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